Süddeutsche Zeitung

Stadionvorfälle:"Dann gäbe es ein Blutbad"

Die Polizei erklärt, warum sie im Stadion eine defensive Strategie verfolgt, anstatt Beamte in den Fanblock zu schicken.

Die Polizei in Mannheim hat nach den Vorfällen beim Bundesligaspiel TSG Hoffenheim gegen den FC Bayern erklärt, warum sie bei Hassplakaten nicht direkt eingreift. "Wie soll man von 3000 Fans im Gästeblock die Personalien feststellen?", erklärte Polizeisprecher Norbert Schätzle gegenüber der Heilbronner Stimme. Die Täter am Ort zu identifizieren, sei unmöglich: "Die sind dann nicht mehr vermummt, haben etwas anderes angezogen. Wir können ja auch nicht verhindern, dass sie sich vermummen." Undenkbar und unverhältnismäßig wäre gewesen, am Samstag den Bayern-Gästeblock räumen zu lassen. "Wenn wir dort als Polizei reinmarschieren würden, dann gäbe es ein Blutbad", erklärte Schätzle. Solidarisierungsaktionen Umstehender und Chaos wären die Folge gewesen.

Um die Täter im Nachhinein - vor allem durch Videoaufnahmen - zu ermitteln, hat die Polizei Mannheim die Ermittlungsgruppe "Kurve" mit sieben szenekundigen Beamten eingerichtet, die mit Münchner Kollegen zusammenarbeiten. Die Vorgänge im Bayern-Block wurden allesamt von der Polizei gefilmt, auch wegen des Abbrennens von verbotener Pyrotechnik. Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hatte direkt nach dem Spiel gesagt, dass man vorgewarnt gewesen sei und alles habe filmen lassen. Das Bundesligaspiel stand nach zwei Unterbrechungen kurz vor dem Abbruch, nachdem unter anderem Fadenkreuzplakate mit dem Konterfei von Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp im Münchner Block gezeigt worden waren.

Die Gewerkschaft der Polizei sieht nun Vereine und Spieler in der Pflicht. "Was am Wochenende in den Stadien passiert ist, ist Sache der Vereine. Auch die 22 Spieler auf dem Platz sollten ihren Fans deutlich machen, dass sie weder Beleidigungen noch Rassismus oder Pyrotechnik ignorieren", sagte Jörg Radek, stellvertretender GdP-Vorsitzender: "Das Hausrecht im Stadion übt der Verein aus. Polizisten können nur einschreiten, wenn sie dazu aufgefordert werden." Selbst wenn der Verein die Polizei dazuhole, müsse der zuständige Einsatzleiter das Risiko für die Beamten abwägen.

"Die Ultras vertreten die Rechtsauffassung: Das ist unser Block, hier gilt unser Recht." Die Fangruppen würden nicht zulassen, dass Polizisten in ihren Block gingen und zum Beispiel Fanplakate beschlagnahmten, sagte Radek: "Es käme dann zu einer Eskalation, die der Sache nicht dient." Sinnvoller sei es stattdessen, wenn Vereine Videoaufnahmen aus ihren Stadien der Polizei übergeben würden.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) will nun auf die Fans zugehen. "Noch vor dem kommenden Bundesliga-Wochenende wird es ein Treffen mit der AG Fankulturen geben, um den konstruktiven Dialog mit den Fanorganisationen auch in dieser emotionalen Thematik aufzunehmen", hieß es in einer Verbandsmitteilung vom Dienstag. Dabei soll auch ein Diskurs darüber gestartet werden, "welche Formen - auch der überspitzten - Kritik gangbar sind und wo eine rote Linie verläuft". Dazu heißt es: "Nicht tolerieren können wir personifizierte Gewaltandrohungen und erst recht kein diskriminierendes Verhalten."

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SZ vom 04.03.2020 / dpa
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