St. Pauli bezwingt 1860 München:Und die Sieger grölen Schlager

FC St. Pauli - 1860 München

Erst Freude über den Sieg, dann deutliche Worte an den Präsidenten: St.-Pauli-Trainer Michael Frontzeck.

(Foto: dpa)

Der Auftaktsieg über den TSV 1860 München gelingt dem FC St. Pauli eher glücklich. Anschließend zeigen Spieler und Fans jedoch, was für ein kurioser Verein der Kiezklub ist. Nur Trainer Frontzeck legt sich mit dem eigenen Präsidenten an.

Von Carsten Eberts, Hamburg

Beim FC St. Pauli ist ein neuer Trend geboren: Schlager grölen! Die Fangemeinde des Zweitligisten ist ja sonst eher für ihre Nähe zum derben Drei-Akkorde-Punkrock bekannt. Doch nach dem 1:0 zum Saisonauftakt gegen den TSV 1860 München sang das vollbesetzte Stadion plötzlich Vicky Leandros.

Im Trainingslager sei die Idee entstanden, erzählte Mittelfeldspieler Finn Bartels später. Ein erster Sangesversuch im Testspiel gegen Besiktas Istanbul hatte mit den Fans schon passabel geklappt, nach dem Sieg gegen 1860 grölte nun das ganze Stadion "Ich liebe das Leben" von der bereits erwähnten, reichlich betagten Schlagerbardin.

Natürlich ist die deutsche zweite Liga laut eigener Definition die "stärkste zweite Liga der Welt", ein Heimsieg zum Auftakt gegen einen leicht favorisierten Gegner für St. Pauli eine tolle Sache. Doch für Vicky Leandros in der Stadionversion muss es einem Klub und seinen Fans schon richtig gut gehen.

Ging es dem FC St. Pauli nach dem 1:0 am Freitagabend gegen 1860 München auch. Zumindest allen bis auf den Trainer.

Mit der guten Laune war es zunächst vorbei, als nach dem Spiel Michael Frontzeck vor die Mikrofone trat. Am Morgen vor dem Spiel hatte er in den Zeitungen lesen müssen, wie sein Präsident Stefan Orth gegen die Sechziger "einen klaren Sieg" prognostiziert hatte. Und das gegen 1860 München, der sich selbst als Mitfavorit auf den Aufstieg sieht. Für Frontzeck eine Spur zu viel Optimismus.

Schließlich hatte er in der vergangenen Saison mit St. Pauli eher knapp den Abstieg vermieden, und musste anschließend mit acht Zugängen eine ganz neue Mannschaft zusammenbauen. "Ich weiß nicht, wie der Präsident auf die Aussage kommt", erklärte Frontzeck wütend auf der Pressekonferenz: "Ich weiß nicht, ob wir jetzt schon so gut sind, dass wir dem Gegner Aufbauhilfe geben und Motivationshilfe leisten."

Die Löwen kontrollierten das Spiel

Der Trainer holte noch weiter aus: "St. Pauli steht für Respekt. Das habe ich schon mit sechs Jahren gelernt. Und zwar egal, ob man gegen einen Kreisligisten oder gegen Bayern München spielt. Das waren absolut unnötige und ärgerliche Aussagen." Frontzeck suchte nicht das direkte Gespräch mit Orth, sondern zahlte es seinem Präsidenten mit gleicher Münze zurück: über die Medien. Kleiner Machtkampf am Rande eines für die Norddeutschen eigentlich erfreulichen Abends.

Frontzeck war nicht entgangen, dass der Hamburger Sieg erst ab der 80. Minute verdient war. Da erzielte Lennard Thy aus 14 Metern das Tor des Tages, anschließend hätte St. Pauli auch noch einen Treffer nachlegen können. "Ich wollte einfach nur draufhauen und war froh, dass der Ball im kurzen Eck eingeschlagen ist", sagte Thy. Sein Tor fiel unter sehr gütiger Mithilfe von 1860-Keeper Gabor Kiraly, der später gestand, er hätte den Ball durchaus festhalten können. Vor dieser Aktion hatte jedoch 1860 München mehr vom Spiel.

Die Löwen kontrollierten die Begegnung zeitweise mühelos, auch wenn sie selbst mit umgebauter Sturmreihe (Friend und Hain für Lauth) zu wenigen Chancen kamen. Trainer Alexander Schmidt klagte: "Das Tor fiel aus dem Nichts, in einer Phase, in der wir am Drücker waren." Seine Mannschaft hätte es verdient gehabt, "hier etwas mitzunehmen".

Frontzeck gab seinem Kollegen in allen Punkten Recht. Seine Mannschaft lieferte zwar einen beherzten Auftritt, hatte dem Münchner Spiel, sobald es schnell wurde, jedoch zu wenig entgegen zu setzen. "Wir haben noch viel Arbeit vor uns, das hat man heute gesehen", schlussfolgerte Frontzeck, "und damit fangen wir morgen an." Für große Ansprüche ist es dem Trainer zu früh. Das weiß nun auch der Präsident. Lieber sollen die Fans lustige Schlager singen.

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