Süddeutsche Zeitung

SSV Jahn Regensburg:Selimbegovic seufzt nicht

Regensburg verliert 2:3 gegen den VfB Stuttgart - und wirkt doch nicht wie der Verlierer.

Von Anna Dreher

Julian Derstroff hätte diesem Spiel noch eine überraschende Wendung geben können. Es wäre der Höhepunkt einer doch sehr dramatischen Schlussphase zwischen dem SSV Jahn Regensburg und dem VfB Stuttgart gewesen. Viele Zuschauer hätten sich beim Verlassen der Regensburger Arena wohl zugeraunt "Mensch, der Julian!" und anerkennend genickt. Aber dieser Satz dürfte dann am Samstagnachmittag nur begleitet von einem Seufzer gesagt worden sein. Als schon die dritte Minute der Nachspielzeit lief, sprang der erst in der 85. Minute für Benedikt Saller eingewechselte Derstroff hoch und köpfte den Ball wuchtig auf das Stuttgarter Tor - nur eben nicht hinein. Kein Treffer, kein Ausgleich, kein Punkt. Es blieb bei der 2:3 (0:1) Niederlage gegen den neuen Tabellenführer der zweiten Fußball-Bundesliga.

Regensburgs Trainer Mersad Selimbegovic aber seufzte kein bisschen, als er um sein Fazit gebeten wurde. "Ich bin stolz, dass meine Spieler noch voll ins Risiko gegangen sind", sagte er. "Wir haben versucht, unsere Spielweise durchzuziehen, auch darauf bin ich stolz. Vor allem, wenn man sieht, wer einem da gegenüber steht." Es war: der Absteiger aus der ersten Liga mit einem geschätzt etwa sechs Mal so hohen Etat und individuell stärkeren Fußballern. Nur traten diese nicht konsequent genug wie die eigentlich überlegene Mannschaft auf - was Regensburg bei einem Remis fast noch zum Gewinner der Partie gemacht hätte.

Anfangs wirkte es ja so, als würden die Stuttgarter an diesem Nachmittag vor den 15 210 Zuschauern den Weg aus ihrer eigenen Hälfte nicht finden. Als hätten sie eine Klausel in ihren Verträgen stehen, die eine Belohnung für besonders viele Ballberührungen versprach. Erst in der 24. Minute brachte Nicolas Gonzalez den entscheidenden Impuls. Als Regensburg seine zuvor dichte Verteidigung nicht aufrecht erhalten konnte, zog er aus 18 Metern ins untere linke Eck ab.

Dass auch der Jahn wieder an seine Chancen glaubte, lag an dem früheren Stuttgarter Max Besuschkow, der in der 71. Minute einen Elfmeter verwandelte. Nur traf Holger Badstuber kurz danach per Kopf zum 2:1 (76.), und ausgerechnet Hamadi Al Ghaddioui folgte diesem Beispiel (90.+2). Im Sommer war er von Regensburg nach Stuttgart gewechselt. Mit Sargis Adamyan (zur TSG Hoffenheim) ist er vergangene Saison an 45 der 55 Regensburger Treffer beteiligt gewesen. Weil seine neuen Mitspieler aber wieder nachlässig wurden, setzte sich ein weiterer früherer VfB-Spieler im Kader der Oberpfälzer ins Szene: Marco Grüttner sah kurz nach dem 1:3, wie Zugang Federico Palacios die rechte Seite entlang lief, spielte ihm geschickt den Ball zu - 2:3, so schnell kann's gehen. "Das war aufregend", sagte Palacios. "Aber Stuttgart ist nun mal eine Riesenmannschaft, spielerisch waren sie besser."

Gerade deswegen war Selimbegovic trotz der dritten Niederlage im sechsten Spiel so begeistert von der Hartnäckigkeit seiner Mannschaft. In der Findungsphase nach dem Umbruch mit dem 37-Jährigen als neuem Trainer und elf Zugängen war das eine Leistung, die ihn vor den Begegnungen mit Dynamo Dresden und dem Hamburger SV zuversichtlich stimmte. Hätte der Gegner an diesem Tag nicht VfB Stuttgart geheißen, das schien die positive und beruhigende Erkenntnis der Regensburger zu sein, wäre mindestens ein Punkt drin gewesen. Und bevor irgendjemand nach dieser Darbietung auf dumme Ideen kommen sollte, stellte Selimbegovic noch eins klar. Marco Grüttner? "Der ist unbezahlbar!"

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Quelle:
SZ vom 16.09.2019
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