SSV Jahn Regensburg:Ein 0:0 als Wiedergutmachung

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Kampf der Balldiebe: Regensburgs Andreas Geipl (links) gegen den Kieler Alexander Mühling. (Foto: Adam Pretty/Bongarts/Getty Images)

Der Jahn zeigt gegen Holstein Kiel in stark veränderter Besetzung eine deutlich verbesserte Leistung.

Von Johannes Kirchmeier

Wie sehr diese "bodenlose Enttäuschung" beim Fußballtrainer Achim Beierlorzer noch gärte, zeigte sich bereits eine Stunde vor der Zweitligapartie seines SSV Jahn Regensburg gegen Holstein Kiel. Denn Beierlorzer führte sein kleines Misstrauensvotum durch und tauschte mehr als die Hälfte seiner Startelf aus im Vergleich zum DFB-Pokal, sieben Tage zuvor, als die Regensburger dem Fünftligisten BSG Chemie Leipzig blamabel 1:2 unterlegen waren. Das war ja schon das kleine Experiment, das die 9700 Zuschauer in der Regensburger erwarteten: Wie geht ihr Verein, der in den vergangenen Jahren vor allem aufstieg, mit diesem unerwarteten Scheitern um?

Der Versuchsaufbau hätte freilich leichter sein können: Es gastierte ausgerechnet ein so genannter Angstgegner, seit fünf Jahren hat der Jahn nicht gegen Holstein Kiel gewonnen. Zudem hatte die örtliche Zeitung Mittelbayerische bereits eine "Alarm-Stimmung" im Klub erkannt. Der Verein, der in der vergangenen Saison überraschte, muss nun offenbar mit einer höheren Erwartungshaltung in der Stadt zurechtkommen. Das Experiment glückte allerdings. Nach 55 Minuten standen die Fans im Stadion auf und brüllten "SSV" im Chor, später folgte ein schallendes "Auf geht's, Regensburg". Der SSV Jahn hat die Partie dominiert. Und nur weil er größte Chancen ausließ, 0:0 gespielt. "Die Mannschaft hat das richtige Zeichen gesetzt", sagte Beierlorzer. Erstmals seit 15 Pflichtspielen blieb sein Team ohne Gegentor. Alarm machten die Regensburger dieses Mal fast nur im Holstein-Strafraum.

Der Trainer, der normalerweise nur an wenigen Rädchen dreht, ermächtigte sich nun des Schlagbohrers, schaute in den vergangenen Trainingseinheiten noch genauer hin, was zu den sechs Veränderungen führte. Fünf Spieler landeten auf der Bank, Stürmer Albion Vrenezi musste sich "aus sportlichen Gründen" auf die Tribüne setzen. Und den umgekehrten Satz machte der erfahrenste Regensburger Fußballprofi Sebastian Freis, 33, der immer schon mehr Fußballarbeiter als Artist war. Zuletzt spielte er im April kurz mit in der Liga.

Als noch wichtiger für die zurückgewonnene Stabilität sollte sich allerdings herausstellen, dass der Jahn wieder anderen Fußball spielen durfte. Gegen Leipzig war er der Favorit, musste agieren, was ihm schwer fiel. Nun gegen Kiel ließ Beierlorzer wieder seine Balldiebe ausschwärmen, die sich - Boom! Zack! Doing! - im Stile flinker Cartoon-Figuren immer wieder den Fußball klauten. Und das, ohne dass es die Kieler so richtig merkten. Sargis Adamyan stand einmal gar dem Kieler Torhüter Kenneth Kronholm so sehr auf den Füßen, dass er ihm aus 16 Metern einen Ball wegblockte, der dann nur knapp am Tor vorbeihoppelte (16. Minute). Für Holstein war es der zweite Trip nach Bayern binnen einer Woche, 3:1 waren die Kieler erfolgreich im Pokal bei 1860 München. Dieses Mal waren sie geforderter und stießen an Grenzen: "Wir haben uns ein bisschen einigeln lassen", sagte Trainer Tim Walter.

Besonders die Darbietung des wieder erweckten Zweitliga-Stürmers Freis dürfte ihm missfallen haben. Er ging weite Wege - und am Ende dieser tauchte er immer wieder aussichtsreich im Strafraum von Holstein auf. So kam er auch zur größten Chance der ersten Hälfte, als er sich in den Strafraum dribbelte und dann aus elf Metern knapp vorbei schoss (25.). "Ich wollte heute alles raushauen", sagte er hinterher. Verlernt hat er auf der Tribüne nichts.

Lange blieb die Partie zwischen den beiden Aufsteigern von 2017 ohnehin eine Partie, die sich zwischen den Strafräumen abspielte. Aber wenn es richtig gefährlich wurde, dann durch den Jahn. In der zweiten Hälfte tankte sich Freis erneut durch. Von der rechten Seite legte er den Ball scharf nach innen, wo Marco Grüttner aus fünf Metern den Ball knapp daneben bugsierte (70.). Es war nicht Grüttners letzte Großchance: Nach einer perfekten Flanke des eingewechselten Sebastian Stolze köpfelte er an die Latte (82.), kurz darauf schoss Marc Lais nach einer Ecke volley genau aufs Toreck, doch Kiels Torhüter Kronholm lenkte den Ball gerade so daneben (83.). Kurz vor dem Ende köpfte noch Jonas Nietfeld aus fünf Metern vorbei. Der Jahn hätte sich den Sieg längst verdient gehabt.

"Wiedergutmachung" hatte Beierlorzer angekündigt: "Denn wir können nicht ändern, was ist, sondern nur, was wird." Das ist seinem Team auch mit dem 0:0 gelungen, die Fans bedankten sich dafür danach noch lange.

© SZ vom 27.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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