SSV Jahn Regensburg:Abschied der Freunde

Lesezeit: 3 min

Nach vielen Jahren im Jahn-Trikot verlassen Marco Grüttner und Andreas Geipl den Klub. Der eine geht in die fünfte Liga, der andere womöglich in die erste.

Von Johannes Kirchmeier

Die Zeit in Regensburg hätte auch eine sehr bittere für Andreas Geipl sein können. Ein Jahr nach seiner Ankunft stieg er mit dem SSV Jahn 2015 aus der dritten Liga ab. Er hatte sich gerade das Kreuzband gerissen und keinen Vertrag für die Regionalliga, da enden im Fußball mitunter Arbeitsverhältnisse. Doch der Regensburger Geschäftsführer Christian Keller verlängerte den Vertrag mit dem defensiven Mittelfeldspieler, den er ein Jahr zuvor vom TSV 1860 München geholt hatte. "Dafür bin ich ihm heute noch dankbar", sagt Geipl. Denn direkt nach Verletzung und Abstieg begann die schönste Zeit in der bisherigen Karriere des 28-Jährigen.

"Des is mei Verein", sagt der Sechser nun. Was er damit meint? Er, der einst als kleiner Junge in Bad Kohlgrub das Fußballspielen gelernt hat, dann früh in die Jugend zum TSV 1860 gewechselt ist, wurde beim Jahn zum gestandenen Profi in der zweiten Bundesliga. Und hier hat er auch einen guten Freund kennengelernt, der heute ähnlich dankbar sagt: "Regensburg ist die Station schlechthin von mir." Geipls Freund heißt Marco Grüttner. Der 34-Jährige ist beim SSV der Kapitän, Geipl sein Stellvertreter - allerdings nicht mehr lange: Am Sonntag werden sich die beiden zum letzten Mal das Regensburger Trikot anziehen und um kurz vor 15.30 Uhr gegen den FC Erzgebirge Aue auf den Platz im Jahnstadion marschieren.

Danach endet ihre Zeit in der Oberpfalz. Grüttner, der 2016 direkt nach dem Wiederaufstieg in die dritte Liga nach Regensburg kam, geht zu seinem Jugendklub Sport- und Gesangsverein Freiberg nahe Ludwigsburg in die fünfte Liga. Er wird sportlicher Leiter und Stürmer in Personalunion, hat in der Nähe ein Haus mit seiner Familie gebaut. Seine Frau arbeitet ab Sommer wieder als Lehrerin, seine Tochter kommt in den Kindergarten, daher wollte er nun in die Heimat zurückkehren. Geipl wechselt dagegen zum 1. FC Heidenheim.

Sie wollen sich auch künftig besuchen, wohnen dann ja nur eine Autostunde voneinander entfernt. Über die Jahre haben sich die zwei Führungskräfte immer besser kennengelernt und verstanden. Erst durch Pässe auf dem Platz, dann auch daneben. Ihre Frauen sind befreundet, die Kinder spielen zusammen. Und auf dem Spielfeld haben die Fußballer den Jahn geprägt.

2017 etwa mit dem Relegationssieg gegen Geipls Jugendklub 1860 in der Münchner Arena und damit dem Aufstieg in die zweite Bundesliga. Für beide war es eines der Jahn-Highlights - so wie das nicht minder wichtige 1:0 davor in Münster, bei dem Geipl per Elfmetertor das Relegationsspiel klar machte. Jetzt hat der Klub zum dritten Mal in Serie vorzeitig den Klassenverbleib geschafft. So lange so hoch spielte er zuletzt in den 1970er Jahren, als die zweithöchste Liga noch nicht eingleisig war und Regionalliga Süd hieß. Nicht nur deshalb würdigt Keller Grüttner als "einen der größten Spieler, die der SSV Jahn jemals hatte" und Geipl als "zentralen Leistungs- und auch Identitätsträger".

Die beiden stehen dafür, wie sich der Jahn zuletzt alljährlich mit seinen Aufgaben weiterentwickelte. Eigentlich waren Grüttner und Geipl jeweils im Kampf um den Drittliga-Verbleib geholt worden. Sie dachten nicht daran, eine Klasse höher zu kicken - "aber dann ist das natürlich so explodiert. Damit konnte, glaube ich, keiner rechnen. Aber wir haben das mitgenommen und sind dann auch zusammen gewachsen", sagt Grüttner. Geipl ergänzt: "Es war schon phänomenal, hautnah mitzuerleben, was da in der Stadt und infrastrukturell entstanden ist." Mittlerweile baut der Verein, der immer noch einen der kleinsten Liga-Etats hat, dank der Zweitliga-Einnahmen ein Funktionsgebäude am Trainingsgelände, zuvor kamen neue Spielfelder ums Wirtshaus "Jahnwirt" hinzu. Und trotz der Weggänge vieler Führungskräfte erlebte der Jahn auch 2019/20 eine ruhige Saison. Daran sollte sich künftig nichts ändern, findet Grüttner: "Ich werde viele Leute vermissen. Aber es wird in Regensburg auch ohne mich weitergehen."

Da stimmt ihm Geipl zu, der auch schon mit seinem neuen Klub mitfiebert. Schließlich liegt der Ligakonkurrent Heidenheim eine Partie vor Schluss auf dem dritten Platz, der zur Bundesliga-Relegation berechtigt. Sollte dem FCH tatsächlich der Aufstieg gelingen, "wäre das ein absoluter Traum", sagt Geipl. So würde seine Zeit in Regensburg noch etwas süßer enden.

© SZ vom 25.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: