Squash in der Krise:Die Lichter in den Squash-Courts erlöschen

Simon Rösner rechts Squash Profi in Diensten des Bundesligisten Paderborner SC hier im Duell mit; Simon Rösner Squash

"Ich habe keine Ahnung, was wir noch tun sollen." - Auch der Würzburger Simon Rösner, Europas erfolgreichster Squasher, ist ratlos.

(Foto: imago/FAF)

In den Neunzigern gab es 1000 Squash-Anlagen in Deutschland, inzwischen haben zwei Drittel geschlossen. Was ist los mit der Sportart?

Von Kevin Frese

Vieles verändert sich. Dinge kommen, und Dinge verschwinden wieder. So manche Erscheinung wird postmodern. Ob der Racket-Sport Squash hierzulande einmal eine Renaissance feiern darf wie die Vinylplatte in der Welt der Musik, bleibt ungewiss. Die Voraussetzung hierfür erfüllt er jedenfalls. Denn verabschiedet hat er sich schon. Nahezu.

Ein Blick in die Gegenwart zeigt: Die Lichter in den Courts erlöschen, immer mehr Spielanlagen schließen ihre Pforten. Dabei schossen sie zu Hochzeiten in den 80er Jahren noch wie Pilze aus dem Boden, jetzt gehen sie ein. 1990 gab es nahezu 1000 Squash-Anlagen. Fast 30 Jahre später sind es dem Deutschen Squash Verband (DSQV) zufolge nur noch rund 320.

"Früher wurden bei uns die Getränke aus der dritten Reihe bestellt", sagt Thomas Mährle, Vorstand des SC Königsbrunn aus dem schwäbischen Landkreis Augsburg - so viele Menschen drängten sich bei den Spielen. Heute kämen selbst zu einem Match in der höchsten Spielklasse "nur noch maximal 40 bis 50 Zuschauer".

Was ist los mit der Sportart? Was fehlt ihr? Und wieso tut sie sich im Vergleich zu anderen Rückschlagspielen so schwer?

Das Beste wäre wohl die Anerkennung als olympische Disziplin

Für den Vizepräsidenten des Deutschen Squash-Verbands (DSQV), Johannes Voit, liegt die Wurzel allen Übels in der unprofessionellen Nachwuchsarbeit. "Wir haben hier einfach die Zeit verpasst, etwas zu verändern", sagt er - und meint alle beteiligten Organisationen, angefangen bei den Sportvereinen über die Landesverbände bis hin zum DSQV.

Ein regelmäßiges Förderungsprogramm aufrechtzuerhalten, erklärt Voit, sei zudem "ohne finanzielle Mittel schwer". Er spielt dabei auf die Zuwendungen des Bundesinnenministeriums an. Tatsächlich erhielten nicht-olympische Bundessportfachverbände im Jahr 2018 insgesamt nur knapp zweieinhalb Millionen Euro staatliche Fördergelder (davon entfallen ungefähr 155 000 Euro auf den DSQV), olympische Verbände hingegen über 68 Millionen Euro. "Damit lässt sich natürlich substanzieller arbeiten", so der 38-Jährige. Das Beste, was dem Squash-Sport passieren könne, sei daher seine Anerkennung als olympische Disziplin.

Zuletzt war das 1908 der Fall. In London bei den Olympischen Sommerspielen. Damals noch unter dem Namen "Rackets". Dass die Sportart zum ersten Mal in Großbritannien olympische Luft schnupperte, ist kein Zufall. Sie gilt dort bis heute als Volkssport. So auch in Ägypten. Neun der 20 besten Squash-Spieler sind Ägypter. Kaum verwunderlich, dass die Nordafrikaner die letzten drei Squash-Weltmeisterschaften unter sich ausmachten.

Hilft alles nichts; die Hoheit der Ägypter lässt die internationale Aufmerksamkeit für den Racketsport nicht in die Höhe schnellen. Die Squash-Lobby hatte zwar einen vierten Anlauf gestartet, um bei Olympia 2024 in Paris dabei zu sein. Allerdings schlug das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Sportarten Surfen, Sportklettern, Skateboard und Breakdance vor, Squash war nicht im Aufgebot. Ein herber Rückschlag, mal wieder.

An der Ostküste Amerikas erlebt Squash gerade einen Boom

Auch Europas erfolgreichster Squasher Simon Rösner, gebürtiger Würzburger, ist ratlos. "Ich habe keine Ahnung, was wir noch tun sollen", sagte der Weltranglistensechste der Professional Squash Association (PSA) im Interview mit dem Online-Magazin Spox. Es gibt aber auch positive Signale: In einigen Ländern erstarkt der schnelle, dynamische Sport, der den Spielern Konzentration, Kondition und mentale Stärke abverlangt. An der Ostküste Amerikas erlebe Squash gerade einen Boom und zähle zu den Trendsportarten, sagt Voit und ergänzt: "Talente, die es in die Uni-Mannschaften schaffen, haben Chancen auf ein Stipendium in Harvard oder Boston."

Königsbrunns Vorstand Mährle macht den Verlust vieler Squash-Spieler in Deutschland an einer sich verändernden Jugendgeneration fest: "Es ist nicht mehr so wie früher, wo man in den Verein geht und dann sein ganzes Leben lang in diesem Verein bleibt. Heute probiert die Jugend alles aus, und am Ende bleibt niemand dauerhaft dabei", sagt er. Auch der olympische Tennissport befinde sich "auf einem absteigenden Ast".

Heute gehe es im Sport primär um den Erhalt der Fitness, so eine Studie

Mährles Eindruck bestätigt indirekt auch eine Marktforschungsstudie aus dem Jahr 2017, die hierfür mit dem gemeinnützigen Squash-Förderverein "Promotive" kooperiert hat. Demnach habe der Rückgang der Sportart kulturpsychologische Gründe. In den 80er Jahren lebten viele Deutsche "in vergleichsweise freiheitseinschränkenden sowie freizeitpolitisch geordneten" Verhältnissen. Kick-Erlebnisse holte man sich in Spielfilmen - oder im Sport. Das sieht heute anders aus: Es stehen schier unendlich viele Möglichkeiten zu jeder Zeit zur Verfügung. Hinzu kommt, dass sich die Motivation für Sport verändert. Heute gehe es primär um den Erhalt der Fitness, heißt es in der Studie.

Der Squash-Sport als Gladiatorenkampf in einem gläsernen Käfig scheint da aus der Zeit gefallen zu sein. Der Court wirkt limitierend, eng, geht nicht mit dem heutigen Freiheitsverständnis zusammen. Stattdessen liegen sportliche Aktivitäten in der Natur sowie Kunst und Artistik hoch im Kurs - auch ein Grund, weshalb das IOC Breakdance als olympische Disziplin nominierte. Die Squasher hingegen können von Olympia weiterhin nur träumen.

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