Manfred Schwabl ist das, was man einen Bauchmenschen nennt. Und das gilt immer noch, obwohl der ehemalige Fußballprofi seit Sommer gehörig abgespeckt hat. Was seine Pläne und Entscheidungen angeht, so hört Schwabl in seiner Funktion als Präsident der SpVgg Unterhaching weiterhin auf das, was ihm sein Inneres sagt – eben auf das berühmte Bauchgefühl.
Und das hat ihn vor anderthalb Jahren dazu bewogen, bei der Nachfolge von Sandro Wagner, der nach der Rückkehr der Hachinger in die dritte Liga zu neuen Ufern aufbrach, auf eine interne Lösung zu setzen. Marc Unterberger, davor bereits 13 Jahre lang als Jugendcoach in verschiedenen Jahrgängen tätig und zuletzt für die U19 verantwortlich, rückte auf die Position des Cheftrainers – und Schwabl träumte davon, mit dem damals 34-Jährigen eine möglichst langfristige Lösung gefunden zu haben. Nicht nur einmal sprach er davon, dass Unterberger „eine Ära prägen“ könnte. Vielleicht wie die Übungsleiter Frank Schmidt in Heidenheim oder Christian Streich in Freiburg – Vereine, die für Hachings Boss Vorbilder darin sind, wie man als kleinerer Klub sportlich erfolgreich sein kann, ohne seine Bodenständigkeit einzubüßen.
Das schien zunächst aufzugehen, Unterhaching war in der vergangenen Saison dem Aufstieg meist näher als der Regionalliga. Doch jetzt, nach der 0:2-Niederlage bei Energie Cottbus, dem zwölften Ligaspiel in Serie ohne Sieg, wurde Unterberger freigestellt. Das habe er gemeinsam mit seinem Sohn Markus, Sportdirektor der Vorstädter, dem Trainer „in einem freundschaftlichen Gespräch mitgeteilt“, erklärt Manfred Schwabl. Als Grund gibt er an, „dass wir in unserer aktuellen sportlichen Situation einen neuen Impuls benötigen“.
Wie aus dem Umfeld der Mannschaft zu hören ist, hat aber auch das Vertrauen bei einigen Spielern in die Fähigkeiten Unterbergers, das Blatt zu wenden, zuletzt gehörig nachgelassen. Doch der Zeitpunkt der Freistellung ist zumindest verwunderlich: Am Montag und am Dienstag legte Unterberger seine Abschlussprüfungen für die Uefa-Pro-Lizenz ab. Weil ihm diese gefehlt hatte, musste Schwabl ungefähr 80 000 Euro an Strafzahlungen berappen, um seinen Plan vom Trainer aus dem eigenen Stall durchzuziehen. Ausgerechnet jetzt, wo er also die Lizenz hat, muss Unterberger gehen.
Sven Bender, 35, der zuletzt als Unterbergers Assistent fungierte und dem Vernehmen nach die Rückendeckung einiger Spieler bereits hatte, übernimmt nun erst einmal, zumindest bis zur Winterpause. Auch diesbezüglich ist der Zeitpunkt des Wechsels seltsam, denn nach der 14-tägigen Frist, die man in Liga drei ohne Lizenztrainer agieren darf, fallen jetzt noch vor der Winterpause Strafzahlungen an – was der DFB aufgrund der Hachinger Vorgeschichte dem Verein auch schon mitgeteilt haben soll. Der siebenfache Nationalspieler soll in der Mannschaft aufgrund seiner Erfahrung (etwa 33 Spiele in der Champions League) hohes Ansehen genießen. Das Problem ist, dass der finanziell klamme Verein für Bender weitere hohe Bußgelder zahlen müsste: Er legt erst im Januar seine Prüfung für die A-Lizenz ab, erst danach kann er sich für die Pro-Lizenz anmelden. „Da haben wir gleich das nächste Problem“, sagt auch Präsident Schwabl dazu.
In Interviews und Pressekonferenzen kam Unterberger immer sehr eloquent rüber, als einer, der keine Phrasen drischt und gerade deshalb den urigen Vorstadtklub gut repräsentierte. Sicherlich nicht förderlich waren aber die Auseinandersetzungen, die er mit Unparteiischen austrug. Unter anderem soll er laut dem Urteil des DFB-Sportgerichts nach dem Spiel gegen Sandhausen (0:0) den Vierten Offiziellen „körperlich und verbal angegangen“ sein, bis heute bestreitet er eine Absicht.
Schwabl möchte das nicht überbewerten, es sei eher so, dass die Referees immer unzugänglicher würden. „Aber klar ist, dass er da kein gutes Bild für den Verein abgegeben hat“, so Schwabl. Geholfen hat das Ganze vor allem: Sven Bender. Denn der stand wegen der Unterberger-Sperre just zum Heim-Derby gegen 1860 München (2:2) an der Seitenlinie, ergo bei einem der besseren Hachinger Spiele im Rampenlicht. Schwabl sagt, Bender sei insgesamt ein „ruhigerer Typ“ als Unterberger.
Zusammen mit Verl hat Unterhaching den geringsten Etat der dritten Liga, „erschwerend kommt jetzt die Tabellensituation dazu“, sagt Schwabl
Dass er Unterberger mit der Personalplanung im Sommer schlechte Voraussetzungen mit auf den Weg gegeben habe, will sich Schwabl nicht nachsagen lassen: „Wir haben den Kader gemeinsam zusammengestellt unter den beschränkten Möglichkeiten, die es bei uns nun einmal gibt“, betont der Präsident. Keiner der zahlreichen namhaften Weggänge sei vermeidbar gewesen, das Budget für Neue bekanntermaßen limitiert – zusammen mit Verl hat Unterhaching den geringsten Etat der dritten Liga. „Erschwerend kommt jetzt die Tabellensituation dazu, das ist bei den vielen Jungen dann auch ein Kopfproblem“, sagt Schwabl.
Wenn kein Geld für einen besseren Kader da ist, stellt sich natürlich die Frage, warum man einen lizenzfreien Trainer für lange Zeit durch Strafzahlungen subventionieren sollte. Zwar will Schwabl eine Rückkehr Unterbergers irgendwann in der Zukunft gar nicht ausschließen: „Dafür war die Zusammenarbeit über 15 Jahre viel zu gut“, sagt er. Aber der „Hachinger Weg“, eine geradlinige, bodenständige Strategie, die vor allem sehr langfristig angelegt sein sollte, ist mit Unterbergers Weggang in einer Sackgasse angekommen.
Zumal es im Vereinsumfeld Menschen gibt, die finden, dass Schwabl gerade den Ast absägt, auf dem er sitzt. Er sei wirtschaftlich auf Transfererlöse eigener Talente angewiesen. Und es sei Unterberger gewesen, der vor über einem Jahrzehnt bei einem kleinen Jungen ohne Verein als Erster das Talent erkannte und ihn nach Haching holte. Sein Name: Karim Adeyemi, heute Spieler von Borussia Dortmund; dort, wo Sven Bender bis vor Kurzem Co-Trainer war.