Das Spiel war schon fast eine Stunde vorbei, da stand Manfred Schwabl noch immer mit Michael Wiesinger vor der Unterhachinger Vereinsgaststätte und quatschte über alte gemeinsame Zeiten – der SpVgg-Präsident und der aktuelle Nachwuchs-Chef des 1. FC Nürnberg sind schließlich vor über 30 Jahren mal gemeinsam mit dem Club aus der Bundesliga abgestiegen. Kaum überraschend musste sich Wiesinger am Freitagabend nach der 0:3-Niederlage der Franken-U23 ein paar Sprüche anhören. „Ich habe ihm gesagt, in Haching kann man schon mal verlieren“, erzählt Schwabl am Sonntag feixend.
Es ist ja auch durchaus beeindruckend, wie der in der Sommerpause komplett einmal auf links gedrehte Drittligaabsteiger Unterhaching in den ersten Wochen die Regionalliga Bayern aufmischt: Sechs Siege in den ersten sechs Spielen fuhren die Rot-Blauen ein, durch den mit viel Geduld erwirtschafteten Erfolg gegen die bis dahin ebenfalls verlustpunktfreie FCN-Reserve thront die Mannschaft von Sven Bender mittlerweile allein an der Tabellenspitze – die mutmaßlich größten Meisterschaftsfavoriten FC Bayern II und Würzburger Kickers liegen schon fünf respektive acht Zähler zurück.
„Wir haben uns überraschend schnell gefunden, das ist dem Trainerteam geschuldet und natürlich unseren Ankerspielern, die den vielen Talenten das Feld bereiten“, sagt Schwabl und meint damit seinen Sohn Markus, 35, der aktuell verletzungsbedingt ausfällt, Abwehrchef Manuel Stiefler, 37, den erst vor wenigen Wochen zurückgeholten Alexander Winkler, 33, sowie Offensivallrounder Simon Skarlatidis. Der Deutsch-Grieche erzielte am Freitag gegen Nürnberg die ersten beiden Tore – das erste durch intensives Nachsetzen (73.), das zweite per Elfmeter (87.). „Es zeichnet uns aus, dass wir in der zweiten Halbzeit noch hochschalten können. Alle arbeiten füreinander, das ist der Maßstab für die nächsten Wochen“, sagte der 34-jährige Skarlatidis nach dem Spiel.
Dabei hatten die Hachinger zunächst einige Schreckmomente zu überstehen, etwa als Nürnbergs Tino Kusanovic den Innenpfosten traf (9.). Doch die SpVgg blieb stabil, und Trainer Bender fand in der Kabine offensichtlich die richtigen Worte. „Wir haben in der ersten Halbzeit jeder so ein bisschen allein agiert, da war ich nicht zufrieden“, sagte der Hachinger Coach in der Pressekonferenz nach der Partie. „Deshalb habe ich in der Halbzeit gesagt: So geht es nicht, wir müssen geschlossen und gemeinsam agieren.“
Seine Mannschaft setzte das um, zeigte „das Gesicht der letzten Wochen“ (Bender), drängte die jungen Franken in die Defensive und erarbeitete sich durch nimmermüdes Anlaufen und aggressives Gegenpressing letztlich verdient das Führungstor. Dieses wurde dann auch vor der Südtribüne frenetisch gefeiert. Alle Feldspieler fielen übereinander her – eine Szene, die den Zusammenhalt im Team verdeutlichte.
So manches der Talente entwickelt sich rasant, etwa Stürmer Cornelius Pfeiffer, 19, der gegen Nürnberg nicht nur den Elfmeter zum 2:0 herausholte, sondern auch noch den 3:0-Schlusspunkt setzte, als er in der Nachspielzeit in einer Eins-gegen-eins-Situation vor Torwart Robin Lisewski eiskalt blieb. „Er hat voll eingeschlagen“, sagt Boss Schwabl und wollte auch Mittelfeldspieler Nils Ortel, 21, nicht unerwähnt lassen: „Er ist wie ich in Holzkirchen geboren, zählt als 2004er-Jahrgang schon zu den Etablierten und ist schon dritter Kapitän. Das ist Haching pur.“
„Es tut gut, wenn man mal nicht ständig von einem Problem ins nächste stolpert.“
Auffallend zurückhaltend äußern sich die Verantwortlichen zu der Frage, wie der Traumstart einzuordnen ist, auch im Hinblick auf eine mögliche Rückkehr in die dritte Liga. „Sechs Siege zum Auftakt sind nicht selbstverständlich“, sagte Sven Bender. „Am Ende entscheiden wir selbst, wie lange wir oben bleiben, denn die Liga ist eng, und sobald wir einen Deut nachlassen, bekommen wir Schwierigkeiten.“
Präsident Schwabl sieht noch „Luft nach oben“, begrüßt die Euphorie der Fans – am Freitag waren trotz Regenwetters und keinerlei mitgereister FCN-Anhänger über 2500 Zuschauer im Stadion –, und die Tatsache, in der Regionalliga mal durchatmen zu können: „Es tut gut, wenn man mal nicht ständig von einem Problem ins nächste stolpert.“ Daher sei ein Wiederaufstieg nur vorstellbar, wenn der Verein „gewachsen und stabil“ genug für Liga drei ist, wie der Klubchef sagt. „Dazu brauchen wir aber wirtschaftliche Hilfe von außen, auch weil wir das Nachwuchsleistungszentrum auf keinen Fall abspecken wollen, das habe ich immer gesagt.“
Wäre noch die Stadionfrage zu klären. Auch gegen Nürnberg war die Osttribüne gesperrt, was zum Teil statische Gründe hat. „Dabei belassen wir es vorerst auch, wir dürften zwar einen Teil aufmachen, bräuchten dann aber viel mehr Ordner, das rechnet sich nicht“, sagt Schwabl. Was einen möglichen Kauf des Sportparks angeht, hält sich der Präsident mit öffentlichen Aussagen zurück. Gerüchte, die SpVgg arbeite an einem Konzept, um den von der Gemeinde aufgerufenen Preis von 7,56 Millionen Euro gemeinsam mit Kooperationspartner FC Bayern aufzubringen, dementiert Schwabl nicht.

