Es war alles angerichtet für eine dieser schönen Fußballgeschichten: Der schwer gebeutelte Tabellenletzte der dritten Liga, seit 18 Spielen ohne Sieg, schafft ausgerechnet im traditionsreichen Essener Stadion an der Hafenstraße vor 15 000 frenetischen Fans den Turnaround. Und zum Matchwinner avanciert der Torwart Nummer zwei, dem der neue Trainer das Vertrauen geschenkt hat. Die Realität war dann doch ein bisschen anders, denn trotz einer vor allem in der Anfangsphase beeindruckenden Leistung musste sich die Spielvereinigung Unterhaching am Samstagnachmittag mit einem 1:1-Unentschieden bei Rot-Weiss Essen zufriedengeben – weil Kai Eisele, der von Coach Heiko Herrlich für U17-Weltmeister Konstantin Heide ins Tor beordert wurde, dann doch einen der 38 Schüsse des Gegners passieren lassen musste.
Womit der große Befreiungsschlag der Hachinger ausgeblieben ist und die Vorstädter nun schon eine ganze Halbserie auf einen dreifachen Punktgewinn warten. Doch Heiko Herrlich, der in der Winterpause in die sportliche Verantwortung rückte, brach in der Pressekonferenz nach dem Spiel eine Lanze für die Moral seines sehr jungen Teams: „Ich habe großen Respekt für die Mannschaft, die Motivation ist da, sie zeigt Woche für Woche ein riesiges Herz und das ist nicht so einfach, wenn du ganz hinten drinstehst.“
Dazu kommen ständige personelle Rückschläge. In dieser Woche hatten einige Spieler krankheitsbedingt mit dem Training aussetzen müssen, dazu waren die gesetzten Defensiv-Routiniers Manuel Stiefler (Gelb-Rot-Sperre) und Tim Knipping (fünfte gelbe Karte) nicht spielberechtigt. Trotz aller Widrigkeiten starteten die Rot-Blauen mit viel Schwung in die Partie, ließen einige gute Gelegenheiten aus dem Spiel heraus ungenutzt verstreichen, um dann per Standardsituation in Führung zu gehen. Fabio Torsiello, im Januar aus Darmstadt geholt, platzierte einen Freistoß an der Mauer vorbei im Toreck (18.).
Die Unterhachinger gingen in der ersten halben Stunde an die Grenzen ihrer Belastbarkeit, wie Herrlich betonte: „Ab der 30. Minute hat uns bereits die Kraft gefehlt, da haben wir uns weit hinten reindrängen lassen, aber sehr gut alles wegverteidigt.“ Und hier kommt die Personalie Eisele ins Spiel. Schon vor der Saison hatten viele im Umfeld der SpVgg Zweifel an der Klubstrategie geäußert, Stammtorwart René Vollath zum TSV 1860 ziehen zu lassen und voll auf Nachwuchsmann Heide zu setzen. Prompt leistete sich der 19-Jährige einige spielentscheidende Fehler.
Leander Popp vergibt die dicke Chance zum 2:0 für Haching, am Ende bringen die Gäste zumindest das Remis ins Ziel
Einen solchen vermied der zehn Jahre ältere Eisele in Essen: „Ich bin seit sieben Monaten immer da, habe halt nur nicht gespielt. Mein Job ist es, die Kiste sauber zu halten. Und ich habe mehr Erfahrung, was logisch ist in meinem Alter“, sagte der gebürtige Badener hernach bei Magentasport. Lob gab es von Heiko Herrlich: „Er hat seine Sache sehr gut gemacht, beim Gegentor kann er nichts machen. Aber er war der Fels in der Brandung.“ Wobei auch gesagt werden muss, dass viele der mehr als drei Dutzend Versuche der Essener von Eiseles Abwehrkollegen weggegrätscht, geblockt oder anderweitig entschärft wurden.
Wer weiß, wie das Spiel verlaufen wäre, hätte Leander Popp, der andere Winterzugang der Hachinger, kurz nach der Pause seine Großchance zum 0:2 genutzt, der Ball prallte jedoch an RWE-Keeper Jakob Golz ab (50.). Es folgte ein einziger Dauer-Sturmlauf der Essener, denen in der 78. Minute dann auch der hochverdiente Ausgleich gelang, als der kurz zuvor eingewechselte Torben Müsel den Ball aus knapp 20 Metern mit viel Effet ins rechte Eck zirkelte. Mit Glück und Geschick brachten die Vorstädter das 1:1 über die Zeit.
SpVgg-Trainer Herrlich nahm das Remis gelassen zur Kenntnis: „Jedes Spiel ist ein Schritt nach vorne, gerade was die Statistiken angeht. Wir spielen nicht wie einer, der am letzten Platz steht. Man muss unterscheiden zwischen Ergebnis und Leistung. Und die wird immer besser.“ Nur blöd, dass die Spiele bis zum mutmaßlichen Abstieg immer weniger werden.