SpVgg Unterhaching:19 Punkte Vorsprung

Fußball WM Quali Training Nationalteam Schweden in Budapest v li Sascha Bigalke Unterhaching 2

Bundesligaprofi in der Provinz: Sascha Bigalke, einst beim 1. FC Köln, jetzt in Unterhaching.

(Foto: imago)

Nach finanziellen Turbulenzen ist Haching auf dem Weg zurück in den Profifußball. Den Erfolg bringen vor allem Spieler, die bei Bundesligisten scheiterten.

Von Christoph Leischwitz, Unterhaching

Es gibt da auf der einen Seite diesen Herren mittleren Alters. Er sitzt auf der Haupttribüne immer wenige Meter rechts der Mittellinie. Ein paar Mal im Jahr, in besonderen Momenten, setzt er zu einer kurzen Arie an, irgendwo zwischen Fangesang und würdevollem Tenor: "Ole ole, Unterhaching oleeeee", schmettert er dann durch den Sportpark und bekommt stets großen Applaus.

Auf der anderen Seite sind die Sitzplätze des einstigen Bundesliga-Stadions mit Taubendreck bedeckt, Karten werden für die Gegengerade schon lange nicht mehr verkauft. Die Werbebande davor weist erhebliche Lücken auf, und es ist noch gar nicht lange her, da verhielt es sich mit der Finanzierung genauso. Inmitten dieser widersprüchlichen Lage befindet sich die Mannschaft der SpVgg Unterhaching, die zurzeit eine große Show in einem ziemlich amateurhaften Rahmen bietet.

Derzeit ist das Team unterfordert, doch in den Aufstiegsspielen trifft es auf härtere Gegner

Am vergangenen Sonntag sang der Mann wieder, anlässlich einer mitreißenden Rasen-Oper mit großem Finale für den Gastgeber, der im Spitzenspiel den FC Bayern München II dank eines Tores in der Nachspielzeit 2:1 besiegte. Trainer Claus Schromm rannte mit den Auswechselspielern aufs Feld, der Jubel war groß. Aber nicht, weil die Mannschaft den ersten Platz gefestigt hatte, darüber sind sie mit nunmehr 19 Punkten Vorsprung in Unterhaching schon lange hinaus. Es war vielmehr der perfekte Schlusspunkt eines fast perfekten Jahres: Im heimischen Sportpark blieb die SpVgg in Punktspielen ungeschlagen, allein gegen den FSV Mainz 05 im DFB-Pokal verlor man im Elfmeterschießen (und gut zwei Monate davor gegen die Würzburger Kickers im Finale des Länderpokals). Die Hachinger haben in der Regionalliga Bayern 18 Siege und drei Unentschieden gesammelt und nun ein Torverhältnis von 67:11, allein Ex-Profi Stephan Hain hat 23 Treffer erzielt. All das wären auch in den anderen vier Regionalligen Spitzenwerte. Unterhaching, das hatte der Bayern-II-Trainer Heiko Vogel schon nach dem Hinspiel gesagt, spiele heuer in einer anderen Liga. "Nur noch Formsache, wenn man ehrlich ist", sagte Spielmacher Sascha Bigalke mit Blick auf die Meisterschaft, die nach der nun einsetzenden, langen Winterpause noch 13 Spieltage entfernt ist.

In den vergangenen Jahren hatte der Verein nur negative Schlagzeilen produziert. 2007 stiegen die Hachinger zuletzt aus der zweiten Bundesliga ab. 2009 schaffte ein gewisser Ralph Hasenhüttl zwar fast den Wiederaufstieg, doch er wurde wenig später wegen eines Streits mit dem damaligen Spieler Francisco Copado entlassen. Die SpVgg fiel 2010 auf einen mittlerweile verurteilten Hochstapler herein, verlor ihren Hauptsponsor und verließ 2015 mit dem Abstieg aus Liga drei den Profifußball, auch wegen eines Punktabzugs - die Schließung einer Liquiditätslücke konnte damals nicht voll nachgewiesen werden, hieß es in der Begründung.

Im vergangenen April musste sich Präsident Manfred Schwabl, der in knapp vier Jahren keinen namhaften Sponsor aufgetrieben hat, einer internen Opposition erwehren, die allerdings am Abend der Neuwahlen einen kläglichen Auftritt hinlegte, womit die Palastrevolution misslang. Doch selbst die ärgsten Kritiker hatten Schwabl nie das Näschen für Talente abgesprochen. Und für gutes Timing, frustrierte Spieler im richtigen Moment anzurufen. Jetzt ist die Mannschaft zusammengewachsen. Sie besteht aus Rückkehrern und solchen, die aus den unterschiedlichsten Gründen woanders nicht erfolgreich waren. Höherklassige Erfahrung haben aber fast alle. Sascha Bigalke etwa, am Sonntag auch Siegtorschütze, war beim 1. FC Köln, Verteidiger Max Dombrowka in der Jugend des FC Bayern, Thomas Steinherr beim damaligen Zweitligisten VfR Aalen.

Und dann haben sie den Unterhachingern auch noch ein paar zusätzliche Profis "quasi vor die Tür gelegt", wie Schwabl sagt. Stephan Hain und Dominik Stahl kamen unverhofft hinzu, als Schromm und Schwabl den Kader eigentlich schon als aufstiegsfähig erachteten. Hain, Stahl und der zweifache Rückkehrer Bigalke werden laut Schwabl von externen Förderern bezahlt, sie würden den Verein nicht viel kosten. Der Präsident selbst dürfte zu den größten Geldgebern zählen - um Unterhaching zurück in den Profifußball zu führen, von wo er die Mannschaft auch übernommen hat.

Wie lange die private Vorleistung noch gehen kann, ist ungewiss. Auch aufgrund der hoffnungslosen Überlegenheit der SpVgg ist in Bayern die Diskussion über Sinn und Unsinn der Aufstiegsspiele neu entbrannt. Im knappen Spiel gegen Bayern II habe man gesehen, so Schwabl, "was uns dort erwartet", Gegenwehr und enge Spiele nämlich. Erfahrene Akteure wie Hain können da Gold wert sein: Der 28-Jährige hatte 2011 Augsburg in die erste Liga geschossen. Eigentlich haben die Hachinger nur eine Schwäche: Elfmeterschießen. Das zeigte sich nicht nur gegen den Bundesligisten Mainz, sondern auch am Sonntag gegen Bayern II. Bigalke zimmerte einen versprungenen Ball in der 93. Minute zum Siegtor ins Kreuzeck, aus elf Metern war er zuvor am Bayern-Torwart gescheitert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: