SpVgg Greuther Fürth:Von der Welle überrollt

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„Wenn wir plötzlich Zweiter sind, dann spielen sich eben Dinge im Kopf ab.“ – Fürths Manager Rachid Azzouzi (rechts) und Trainer Damir Buric blicken derzeit recht ratlos drein. (Foto: WoZi/imago/Zink)

"Die Spieler wollen ja, aber das spielt sich im Unterbewusstsein ab": Fürth bricht nach furiosem Start ein - weil das Team doch keine Spitzenmannschaft ist.

Von Thomas Gröbner

Man muss sich in diesen Tagen ein wenig Sorgen um den Rücken von Sascha Burchert machen. Hechten, bücken, den Ball aus dem Tor fischen. Hechten, bücken, den Ball aus dem Tor fischen. Abnutzungserscheinungen drohen: 21 Mal musste Fürths Torhüter in den vergangenen sieben Spielen hinter sich greifen. Fünf Mal zuletzt gegen den FC Erzgebirge Aue, der sonst spektakulär harmlos auftritt.

Vielleicht waren es die Siegtore in letzter Minute, die dem Team den Kopf verdreht haben

Die Kennzahlen der jüngsten Vergangenheit sind alarmierend: 0:4, 0:4, 0:5, dazwischen ein Sieg gegen Aufsteiger Magdeburg, den der schwedische Verteidiger Richard Magyar in letzter Sekunde rettete. Regelmäßig bricht die SpVgg auseinander, nur Schlusslicht Ingolstadt hat noch mehr Gegentore kassiert. Dabei sah es im Herbst nach einer märchenhaften Saison aus.

Irgendetwas ist verloren gegangen, als der Winter kam. Und was das sein könnte, das sprach Mario Maloca nach der Enttäuschung gegen Aue aus: "Wir hatten mehr Hunger in den ersten Spielen und haben immer mit allen elf Spielern verteidigt", sagte er der Nürnberger Zeitung. "Jetzt treten wir nicht mehr als Team auf." Dabei ist es nicht lange her, da jubelte Torwart Sascha Burchert Ende September: "Menschlich sind wir schon spitze." Tatsächlich ging es in diesen Wochen auch oft darum, ob Fürth nun an die Tabellenspitze klettern könnte. Eine Entwicklung, die viele überrascht hatte - auch in Fürth.

Der küchenpsychologische Erkläransatz für die plötzliche Verwandlung geht ja so: Der Schrecken der Vorsaison habe sich tief in das Bewusstsein der Mannschaft eingegraben. Bis zur letzten Sekunde mussten die Fürther vor den Abstieg zittern, erst ein Unentschieden am 34. Spieltag in Heidenheim erlöste sie. Dieser Druck und das Leid formten eine eingeschworene Mannschaft, die in dieser Spielzeit bereit war, mehr zu geben als andere. Und die damit plötzlich auf einer Welle des Erfolgs ritt.

Doch nun scheint der Mannschaft das Wissen um die eigene Schwächen abhanden gekommen zu sein. Sie scheint sich selbst mit einer Spitzenmannschaft zu verwechseln. Fürths Manager Rachid Azzouzi drückt es so aus: "Wenn wir plötzlich Zweiter sind, dann spielen sich eben Dinge im Kopf ab." Vorne würden sich die Angreifer darauf verlassen, dass "die da hinten" schon alles regeln würden, die anderen verlassen sich dann auf die Angreifer wie Keita-Ruel. Vielleicht haben die Siegtore in letzter Minute dem Team den Kopf verdreht. "Die Spieler wollen ja, aber das spielt sich im Unterbewusstsein ab", sagt Azzouzi. Wellen können einen nicht nur tragen - sondern auch unter sich begraben.

Müsste nicht jetzt ihre Stunde schlagen? Die des ehemaligen Nationalspielers Roberto Hilbert, 34, und die des Anführers der Mannschaft, Kapitän Marco Caligiuri, auch er schon 34 Jahre. "Jeder kann sich im Training aufdrängen", sagt Azzouzi dazu nur.

Die 34-jährigen Hilbert und Caligiuri sollten die Mannschaft führen, sitzen aber auf der Bank

Bislang schmorten Hilbert und Caligiuri auf der Bank. Und wenn sie spielten, konnten die beiden nicht nachweisen, dass sie die Mannschaft noch tragen können. Beide waren schon als junge Spieler hier, Hilbert kam aus dem eigenen Nachwuchs, Caligiuri reifte in Fürth zum Profi. Jetzt, am Ende ihrer Karriere, müssen sie nun hoffnungsvollen 20-Jährigen zusehen, die sie selbst einmal waren. "Wenn wir immer nach Erfahrung rufen würden, würden wir nicht weiterkommen", sagt Azzouzi.

Und trotzdem hat Roberto Hilbert schon öffentlich Beschwerde eingelegt. "Wenn einer besser ist als ich, geht das in Ordnung. Aus meiner Sicht ist das aber nicht der Fall", hat er schon vor vier Wochen gesagt. Und er warb in eigener Sache: "Ich kann Dinge tun, die andere im Team oder in der zweiten Liga nicht können". Was er damit meinte, konnte er noch nicht zeigen.

Denn gefruchtet hat seine Trainerschelte nicht, im Gegenteil. Seit dem zweiten Spieltag findet er in den Plänen von Damir Buric keine Rolle mehr, längst hat ihm der zehn Jahre jüngere Maximilian Sauer den Platz im Team stibitzt. Hilbert, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft, sitzt mal auf der Tribüne, mal auf der Bank. Zu wenig für seine Ansprüche, Fürth hatte ihn als Stabilisator und Identifikationsfigur zurückgeholt.

Seinen letzten Einsatz hatte Hilbert am Montag, in einem Wohnzimmer: Dort schmückte er bei einer PR-Aktion für Dauerkartenbesitzer den Weihnachtsbaum.

© SZ vom 13.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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