SpVgg Greuther Fürth:Hallo, Bundesliga!

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Einstand mit Sieg: Zugang Sebastian Griesbeck (rechts, gegen Jann George) beim 2:1 im Testspiel gegen den Zweitligisten SSV Jahn Regensburg. (Foto: Wolfgang Zink/Sportfoto Zink/imago)

Drei neue Spieler und ein Sieg bei einem Test in Regensburg: Die SpVgg Greuther Fürth will die Länderspielpause nutzen, um sich zu sammeln und neu auszurichten. Eindrücke von einem Klub, der derzeit vor allem eines ist: ein suchender.

Von Sebastian Leisgang

Nicht mal vier Monate ist es her, dass Rachid Azzouzi auf dem Balkon eines Hotelzimmers stand und den einen oder anderen Satz sagte, der heute so klingt, als sei er aus der Zeit gefallen. Es war ein wolkenverhangener Nachmittag am Bodensee, nur noch ein paar Tage bis zum letzten Saisonspiel gegen Fortuna Düsseldorf, das die SpVgg Greuther Fürth 3:2 gewinnen sollte.

Es war ein großer Tag für Fürth, mit dem Sieg kehrte der Klub in die Bundesliga zurück, und Azzouzi war schon zur Wochenmitte die Vorfreude anzumerken. Fürths Geschäftsführer brauchte nicht mal fünf Minuten, um im Gespräch dieses Urvertrauen rüberzubringen, das er in die Mannschaft hatte. "Ich", sagte Azzouzi, "habe schon im ersten Spiel gesehen, dass wir den Gegner beherrschen." Das ganze Jahr lang hatte sich Fürth über ein stimmiges Kollektiv definiert, darüber, dass alle wussten, was zu tun ist. Jeder Spieler, auf jeder Position, zu jeder Zeit. Nur deshalb war die Mannschaft erfolgreich, nur deshalb stieg Fürth am Ende der Saison auf.

Jetzt, im Spätsommer, da hat man schon im ersten Spiel gesehen, dass Fürth dem Gegner unterlegen ist. 1:5 in Stuttgart, hallo Bundesliga.

Nun ist Länderspielpause, eine Zeit, in der die Nationalspieler bei den Auswahlteams sind, eine Zeit, die Fürth höchst gelegen kommt, weil sie für das Team von Trainer Stefan Leitl vor allem eines ist: eine Chance, sich zu sammeln und neu auszurichten.

Die Neuen sollen dem Fürther Spiel Physis, Erfahrung und Abgeklärtheit zuführen, all das, was Leitls Kader bislang abgegangen ist

Zu Wochenbeginn, am letzten Tag des Wechselfensters, hat die SpVgg für jeden Mannschaftsteil noch einen Spieler geholt: den niederländischen Innenverteidiger Nick Viergever aus Eindhoven, Mittelfeldmann Sebastian Griesbeck von Union Berlin und den Schweizer Angreifer Cedric Itten, der zuletzt für die Glasgow Rangers spielte. Viergever, 32, bringt Champions-League-Erfahrung mit und stößt am Sonntag zum Team, Griesbeck, 30, ist schon am Donnerstag beim Test in Regensburg aufgelaufen, Itten, 24, hat beim 2:1 auf Anhieb getroffen. Die Neuen sollen dem Fürther Spiel Physis, Erfahrung und Abgeklärtheit zuführen, all das, was Leitls Kader bislang abgegangen ist. Jetzt sagt Fürths Trainer: "Wir fühlen uns für den Rest der Saison gut aufgestellt." Nur: Ist das sein Team auch? Wenn die Mannschaft schon im vergangenen Jahr gegen Heidenheim, Hamburg und Hannover von der Geschlossenheit gelebt hat, wie soll es dann erst werden, wenn die Gegner Bayern, Dortmund und Leipzig heißen, die Neuen jetzt aber erstmal ankommen müssen?

Kurzer Schwenk in den Ronhof, erstes Bundesliga-Heimspiel seit mehr als acht Jahren, exakt zwei Wochen ist es her. Den Vereinen fällt es nicht gerade leicht, die erlaubte Kapazität auszuschöpfen. In vielen Stadien bleiben an diesem Wochenende Sitzschalen leer, in Fürth kommen 5890 Zuschauer, der Klub meldet ausverkauft, obwohl beinahe dreimal so viele Fans Platz finden, wenn gerade keine Pandemie ist. Es ist kein Selbstläufer, die Zuschauer in diesen Zeiten abzuholen, doch der Fürther Mannschaft gelingt es.

Als der Ball durchs Mittelfeld läuft, als sich Leitls Spieler in die Zweikämpfe werfen, da gehen die Fans auf den Tribünen mit. Nach 90 Minuten steht es zwar nur 1:1, trotzdem fühlt man sich an diesem Tag nicht nur deshalb an die zweite Liga erinnert, weil es gegen Arminia Bielefeld geht, eine Mannschaft, die selbst erst seit einem Jahr wieder in der Bundesliga spielt. Fürth kombiniert flüssig, die Leidenschaft, der Wille ist dem Team bis unters Stadiondach anzumerken. Doch dann kommt Mainz, der 3. Spieltag der Saison, 0:3, ein Rückschritt. Die Spielvereinigung ist in diesem Spätsommer also vor allem eines: eine suchende. Nach der Form der vergangenen Saison, nach der Linie.

Die Mannschaft wird in der Bundesliga nicht drumrum kommen, sich an ihren Aufgaben hochzuziehen

Nochmal zurück zu Azzouzi, zurück auf den Hotelbalkon am Bodensee. Manche Sätze, die Fürths Geschäftsführer an diesem Nachmittag im Mai gesagt hat, könnten auch erst eine Woche alt sein. Zum Beispiel: "Wir wollen mit unseren Spielern wachsen." Oder: "Wir haben eine klare Idee in Fürth." Das ist ja nach wie vor noch so: Die Mannschaft wird in der Bundesliga nicht drumrum kommen, sich an ihren Aufgaben hochzuziehen - und einen guten Plan, den wird es gegen Bayern, Dortmund und Leipzig erst recht brauchen.

"Wir sind immer bei uns geblieben": Auch diesen Satz wird Azzouzi auf dem Hotelbalkon los. Es ist ein entscheidender Satz, weil er alleine den Fürther Aufstieg zu großen Teilen erklärt. Jetzt, in der Bundesliga, wird es noch einmal darauf ankommen, dass sich Azzouzi, Leitl und die Spieler nicht von sich und ihrem Weg abbringen lassen. Es dürfte eine noch größere Herausforderung als in der vergangenen Saison werden. Und mit jedem 1:5 oder 0:3 wird es schwerer und schwerer. Am Ende aber dürfte eine Menge davon abhängen - nicht weniger als die Antwort auf die Frage, ob Fürth auch 2022/23 noch in der Bundesliga spielt.

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