SpVgg Greuther Fürth:Fast wie im richtigen Leben

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Augen zu und durch: Maximilian Bauer (links, gegen Freiburgs Nils Petersen) und die Fürther wollen die Saison weiterhin ordentlich zu Ende bringen. (Foto: Wolfgang Zink/Sportfoto Zink/Imago)

Fürth begreift den bevorstehenden Abstieg nicht als Scheitern. Sondern als einen Schritt, den man zu gehen hat, wenn es so weit ist. Sich noch wettbewerbsfähig zu zeigen und den Gegner zu fordern - das sind inoffizielle Ziele, die erreicht wurden.

Von Christoph Leischwitz

Als Rachid Azzouzi kurz vor Weihnachten die Spieler in die Winterpause verabschiedete, gab er ihnen noch etwas mit auf den Weg: Kann schon sein, sagte er sinngemäß, dass wir gleich wieder aus der ersten Bundesliga absteigen werden. Aber es gehe eben auch um die Art und Weise, wie man das tue. Insofern ist festzuhalten, dass sie bei der SpVgg Greuther Fürth alles umgesetzt haben, was der Geschäftsführer eingefordert hatte: ordentlich spielen, schauen, was noch geht - und es geht ja durchaus noch einiges -, und wenn der Abstieg dann trotzdem immer näher rückt, dann bitte die Köpfe nicht hängen lassen.

Drei Monate später sitzt Azzouzi auf einer Terrasse. Mittwochmittag, schönes Wetter, durch das Telefon ist Vogelgezwitscher zu hören. Selbstverständlich hat ein Bundesliga-Geschäftsführer auch in einer Länderspielpause viel zu tun, und dem 51-Jährigen ist auch völlig klar, dass er höchstwahrscheinlich gerade an einem Zweitliga-Kader für die kommende Saison arbeitet. Azzouzi ist nur eben nicht überrumpelt von den Vorkommnissen, und auch nicht in die branchenübliche Hektik verfallen, die einen abstiegsbedrohten Fußballverein in solch einer Situation normalerweise einhüllt wie ein zäher Nebel aus ungewissen Personalfragen und Schuldzuweisungen. Nichts von alledem scheint in Fürth zum Frühlingsanfang Einzug zu halten, dabei ist der Abstieg so gut wie sicher. In der Rückrunden-Tabelle steht die Mannschaft immerhin auf Rang 14, aber zehn Punkte in zehn Spielen genügten eben nicht für eine Trendwende.

Den realistischen Blick auf die Dinge haben nicht nur die Verantwortlichen, sondern auch die Fans

Am vergangenen Samstag spielte das Kleeblatt 0:0 gegen den SC Freiburg. Das war ein Achtungserfolg, basierend auf einer defensiv ordentlichen Leistung. Die große Überraschung lag auch im Bereich des Möglichen, immerhin hatte Timothy Tillman eine sehr gute Chance zum 1:0 gehabt (28.). "Ich schaue ihnen total gerne zu", sagte später Freiburgs Trainer Christian Streich über die Fürther, "wenn du so oft am Boden liegst und dann am 27. Spieltag so spielst - da muss ich den Hut ziehen." Sich nach einer schweren, von Corona und Verletzungen geprägten Hinrunde noch wettbewerbsfähig zu zeigen und den Gegner zu fordern, das mögen keine offiziellen Saisonziele sein. Aber es sind inoffizielle Ziele, die erreicht wurden.

Um freilich noch einmal Hoffnung zu schöpfen, um Tabellenplatz 16 nicht aus den Augen zu verlieren, dafür hätte es schon einen Sieg gebraucht. Dass es nicht klappte, sei natürlich schade, sagt Azzouzi. Aber diesen realistischen Blick auf die Dinge, und das ist beachtlich, haben eben nicht nur die Verantwortlichen im Verein, sondern offenkundig auch die Fans. Keine Schmähungen, keine Pfiffe, sondern ein Abfeiern der Mannschaft nach dem Schlusspfiff. "Wir wissen doch, wir hätten ein Wunder gebraucht", sagt Azzouzi. "Als Verein mit unseren Möglichkeiten stoßen wir in der Bundesliga an die Grenzen, da sind wir ganz klar." Deshalb begreift er den wohl bevorstehende Abstieg auch nicht als Scheitern, sondern als einen Schritt, den man einfach zu gehen hat, wenn es dann so weit ist.

"Wir haben zwei Nationalspieler hervorgebracht", sagt Sport-Geschäftsführer Azzouzi stolz

Welche Grenzen, umgekehrt gefragt, könne man denn künftig realistischerweise verschieben? "Aber wir haben doch schon Grenzen verschoben", gibt Azzouzi fast ein wenig empört zurück, und ihm fallen genügend messbare Gründe dafür ein: Im vergangenen Jahr sei man mit 8,2 Millionen Euro aufgestiegen, einem Etat also, der eher Zweitliga-Abstiegskampf suggeriert. Man habe außerdem die jüngste Mannschaft spielen lassen und auf mitreißenden Fußball gebaut. Und: "Wir haben zwei Nationalspieler hervorgebracht." Anton Stach, der im vergangenen Sommer nach Mainz wechselte, steht am kommenden Wochenende in Hansi Flicks Kader. David Raum, mittlerweile ein Hoffenheimer, debütierte schon vergangenen September im EM-Qualifikationsspiel gegen Armenien (6:0). Dass man solche Spieler in Fürth halten könne, das sei schlicht unrealistisch: "Wir sind wirtschaftlich davon abhängig, Spieler zu entwickeln und dann zu verkaufen." Was man dann noch erreichen wolle, und das wäre auch eine Art inoffizielles Ziel: dass die Spieler zumindest nicht gerne gehen. Dass sie vielleicht sogar ein bisschen traurig sind, weil sie sich wohlgefühlt haben bei Greuther Fürth.

Weil die Entwicklung der Spieler trotz bevorstehendem Abstieg insgesamt erfolgreich verläuft, habe sich auch die Trainerfrage nie gestellt. "Stefan Leitl stand nie zur Debatte", sagt der Geschäftsführer. Wozu auch? "Dieses Gewechsel, das Schnelle und Hektische, im Winter viel Geld ausgeben" - die Wahrscheinlichkeit, dass man durch solche Maßnahmen einen Ligaverbleib erreiche, sei "doch sehr gering", findet Azzouzi. Ein Stück weit, und da wird der frühere Profi geradezu philosophisch, entspreche ein Weg mit Aufs und Abs doch eher dem echten Leben. Und wenn es bergab geht, dann komme es darauf an, das hinzunehmen. Wahrscheinlich muss man sich das so vorstellen: Nur wer dabei nicht auf den Boden blickt, sondern den Kopf oben behält, kann erkennen, dass es weiter vorne wieder bergauf geht. Im Falle Azzouzis bedeutet das: Wenn es dann wieder so weit ist, "dann wollen wir in der kommenden Saison auch wieder eine gute Rolle in der zweiten Liga spielen".

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