Süddeutsche Zeitung

SpVgg Greuther Fürth:Der Jugendflüsterer

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Keine harten Parolen, sondern ein verbaler Schmusekurs auf Augenhöhe: Der neue Profitrainer Janos Radoki will der Spielvereinigung sanft die Verunsicherung nehmen.

Von Thomas Gröbner

Als Janos Radoki vor die Kamera trat, das zeichnete sich in seinem Gesicht der Horror vor dem Schicksal der SpVgg Greuther Fürth ab, als er flehte: "Es darf einfach nicht sein, dass wir absteigen." Damals, 1997, befand sich Fürth im Keller der zweiten Liga und Radoki mit Harry Koch im Zweikampf um die schönste Lockenmähne im deutschen Profifußball. Und er lag dabei vielleicht sogar um Haaresbreite vorne.

Nun, fast 20 Jahre später, steht Janos Radoki wieder vor den Kameras. Ohne schreckensgeweitete Augen, ohne dampfendes Trikot, mit gestutztem Haar und grauem Hemd. Nun ist er es, der einer verunsicherten Mannschaft Hoffnung spenden soll, und er umgarnt sie auch gleich zärtlich. Er spricht davon, dass man sehr schnell zueinanderfinden müsse, davon, eine "Symbiose" zu bilden, eins zu werden. "Die Mannschaft will auch wissen, was kann sie von mir erwarten." Schmusekurs auf Augenhöhe, keine harten Parolen, keine verbalen Grätschen, keine Prügel vom neuen Trainer für die zuletzt arg gescholtene Mannschaft.

Nach seinem ersten Training am Dienstag lobt der 44-Jährige seine Spieler, dafür, dass sie sich immerhin bemüht hatten. "Das Engagement war schon mal da. Wenn sie das heute nicht hingekriegt hätten, wäre ich schon ein bisschen traurig gewesen." Bis zum ersten Spiel am Freitag (18.30 Uhr) gegen Bielefeld will er seinen Spielern seine Vorstellung vom Pressing beibringen, er fordert, den Gegner mehr "unter Stress" zu setzen als bisher.

Ein Fußballfachblatt notiert danach wohlwollend, er bringe "viel Stallgeruch" mit, was in der Fußballfachblattsprache ein Lob sein soll und das Gegenteil von Neuling meint. Seit Januar 2013 trainiert Radoki die A-Jugend der Spielvereinigung. Manager Ramazan Yildirim hatte ihn "für den Fall", wie er es nennt, schon lange beobachtet. Und so bekommt nicht Thomas Kleine von der U23 den Auftrag, die Mannschaft aus der Krise zu führen, sondern Radoki, der Jugendflüsterer.

Der 44-Jährige beginnt seine Arbeit als Profi-Trainer anders als seinen Kollegen, mit denen er 2012 die Lizenz zum Fußballlehrer gemacht hat. Anders als Stefan Effenberg, der mit der Brechstange und großer Inszenierung ins Trainergeschäft eingestiegen ist. Anders als Mehmet Scholl, der nun im Fernsehen den deutschen Fußball erklärt. Radoki wird von seinem Verein abgeschirmt. Keine Interviews, keine Gespräche.

Nur ein kleiner, uralter Steckbrief lässt sich über Radoki finden, in dem er verrät, dass er Golden Retriever mag und gerne Orangenschorle trinkt. Dass er 1972 in Ungarn geboren wurde, aber seine Eltern mit ihm nach Biberach bei Augsburg flohen. Dass seine Mutter dort eine Cafeteria betrieb und er als Profi bei Fürth ihren Fleiß bewunderte: "Sie steht täglich um fünf Uhr auf und kommt gegen 20 Uhr nach Hause. Ich habe eine tägliche Arbeitszeit von rund drei Stunden. Sicher kommt noch eine Stunde Körperpflege dazu. Ganz vom Geld abgesehen, ist das aber nichts im Vergleich zum Pensum meiner Mutter." Er sorgte sich schon damals um seine Zeit nach dem Fußball, er machte zwei Ausbildungen - eine zum Dreher und eine zum Großhandelskaufmann. Damals träumte er vom Bürojob nach der Karriere.

Doch erst einmal geht er 1999 für eine Million Mark als damals teuerster Spieler der Vereinsgeschichte zum Bundesligisten Ulm. Doch sein Glück findet er hier nicht. Immerhin trägt er dazu bei, dass sich der SSV Ulm in den Rekordbüchern verewigt hat. Gegen Hansa Rostock sieht er als letzter verbliebener Verteidiger in der 90. Minute die vierte rote Karte für Ulm - nie bekam eine Mannschaft mehr Platzverweise in einem Spiel.

Radoki hatte sich als Spieler den Ruf eines harten Verteidigers verdient, wenn er im Zweikampf zu Boden ging, dann auch der Gegner. Nach dem Abstieg der Ulmer wurde er unter Trainer Hermann Gerland zum Kapitän befördert. Es folgte die Ulmer Insolvenz und schwere Verletzungen (Kreuzbandriss, Schien- und Wadenbeinbruch), die eine erfolgreichere Karriere verhinderten.

Im Februar sprach er noch davon, "mittelfristig" im Profifußball arbeiten zu wollen

Wie Erfolg als Trainer schmeckt, das kostete er erstmals 2008, als er den TSV Rain in die Bayernliga führte. Statt einer Weißbierdusche schwappte über seinen Kopf Leitungswasser aus Plastikeimern, in denen mal Kartoffelsalat war. 2013 wird er U19-Trainer in Fürth und kümmert sich dort darum, die Talente zu veredeln. Er wartet geduldig auf seine Chance. Im Februar spricht er noch davon, "mittelfristig" im Profifußball arbeiten zu wollen. Es sollte nicht so lange dauern.

Ach ja, um der Geschichtsschreibung Genüge zu tun: Nach Radokis Flehen wurde am neunten Spieltag 1997 blitzschnell Armin Veh entlassen, der überraschte Veh brummelte etwas von "Abstand gewinnen", verschwand - und machte Platz für Benno Möhlmann. Der hielt die Spielvereinigung in der zweiten Liga. Bis 2012 der Aufstieg in die Bundesliga gelang. Ob sich Geschichte wiederholt?

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Quelle:
SZ vom 24.11.2016
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