Springreiten:Zu oft null Fehler ist auch nicht gut

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Haben sich überraschend für das Weltcup-Finale in Omaha qualifiziert: Markus Brinkmann und sein zehnjähriger Wallach Dylon. (Foto: imago/Eibner)

Parcours zu bauen, die zwar selektieren, aber nicht überfordern, wird immer kniffliger, weil Reformen auf sich warten lassen.

Von Gabriele Pochhammer, Omaha

Wo bleibt der talentierte Reiter-Nachwuchs, der den Sprung in die erste Reihe schafft? Bis vor wenigen Wochen hat sich das auch der Bundestrainer Otto Becker sorgenvoll gefragt. Doch nun ist Becker mit vier Startern zum Weltcupfinale nach Omaha im US-Bundesstaat Nebraska gereist, das am Donnerstag beginnt. Und darunter sind zwei, die vor einem halben Jahr von der großen Bühne höchstens träumen durften. Neben den Routiniers Ludger Beerbaum, 53, und Marcus Ehning, 42, sind Markus Brinkmann und Guido Klatte dabei. An beide Namen muss man sich im Springreiten erst noch gewöhnen.

Der 36-jährige Brinkmann, Sohn des 1988-Mannschaftsolympiasiegers Wolfgang Brinkmann, und Juniorpartner der familieneigenen Bekleidungsfirma im westfälischen Herford, hatte eigentlich andere Pläne für die Saison. "Wir wollten es langsam angehen lassen", berichtet Otto Becker von einer Absprache mit dem Reiter - "aber dann sammelte Markus Weltcup-Punkte in Stuttgart und bekam weitere Startmöglichkeiten." Auch bei den Weltcup-Turnieren in Leipzig, Göteborg und Bordeaux konnte Brinkmann punkten. "Er ist sehr schnell da reingewachsen", sagt Becker. Und mit dem zehnjährige Holsteiner Dylon hat er ein Pferd für große Aufgaben.

Erstmals bei Weltcupfinale dabei: Klatte, Brinkmann, Heineking

Jünger an Jahren, aber mit mehr Erfahrung als die meisten Reiter in seinem Alter, präsentiert sich in Nebraska der zweite deutsche Weltcup-Neuling: Der 22-jährige Guido Klatte, Sproß einer alteingesessenen Familie von Pferdeleuten in Lastrup/Oldenburg, ist der aktuelle Europameister der jungen Reiter. "Ich traue beiden zu, dass sie ein gutes Bild abgeben werden", sagt Otto Becker.

Der dreimalige Weltcup-Sieger Marcus Ehning setzt auf die 14-jährige französische Stute Pret A Tout, Ludger Beerbaum auf die ebenfalls 14-jährige Holsteinerin Chiara. Sein bestes Pferd Casello, mit dem er in Rio spektakulär die Bronzemedaille fürs deutsche Team gesichert hatte, musste verletzt zu Hause bleiben. "Das tut mir leid für Ludger", sagt Becker, "mit den beiden Pferden hätte er echte Chancen auf einen Platz ganz vorne gehabt." Für Beerbaum ist es das 21. Weltcupfinale, gewonnen hat er bisher einmal, 1993 mit Ratina.

Während weder der Weltranglistenerste Daniel Deusser noch die Nummer drei, Christian Ahlmann, in der Weltcup-Wertung genügend Punkte zusammen bekommen haben, wird noch ein fünfter Deutscher in Omaha an den Start gehen, der 37-jährige Christian Heineking. Selbst Otto Becker kennt ihn kaum, er lebt seit vielen Jahren in den USA und hat dort in der Nordamerikaliga seine Punkte gesammelt. Andere mussten vorzeitig die Segel streichen, etwa Holger Wulschner. Das Pferd des für Omaha qualifizierten Mecklenburgers hatte sich verletzt. "Das ist für Holger besonders schade", sagt Becker, "in den Wochen davor war er in Top-Form."

Favorit auf den Weltcup-Titel ist der Franzose Kevin Staut, der die Punkteliste der Westeuropaliga mit seinem Pferd Reveur de Hurtebise anführt. Er rechnet sich Chancen aus, aber hat auch gemischte Gefühle, wenn er an den Austragungsort im mittleren Westen der USA denkt. Kaum einer der Europäer kennt die Arena in Omaha, nur wenige Informationen waren zuletzt zu erhalten gewesen.

"Bei kaum einem Pferd kommt am Montag nicht der Tierarzt vorbei"

Die Parcours aufbauen wird der Ire Alan Wade. Er hat die schwerste Aufgabe von allen: Er muss die Kurse so gestalten, dass alle Reiter gut aussehen, es aber doch nicht zu viele Nullfehler-Ritte gibt. Dieses Problem zeigte sich in der vergangenen Weltcup-Saison besonders deutlich: Reiter und Pferde sind im Laufe der Jahre immer besser geworden und meistern auch technische Raffinessen oft ohne Mühe. "Heute können zwei Drittel eines Starterfeldes gewinnen, früher war es vielleicht ein halbes Dutzend", sagt Ludger Beerbaum. Das Feld auseinanderzuziehen, ohne die Pferde zu überfordern, wird immer schwieriger.

Bei den Weltcup-Qualifikationen in Leipzig und Oslo erreichten so viele Reiter nach einem fehlerlosen Umlauf das Stechen, dass einige von ihnen am Ende trotzdem ohne Preisgeld blieben. Nur ein Viertel der Teilnehmer ist nach dem Reglement noch "im Geld", wie das im Reiten heißt. Das Stechen hatten mehr erreicht.

Karsten Huck, Olympiadritter von 1988 und heute Trainer des Nachwuchsreiter Philipp Houston, sieht das als generelles Problem: "Schwerer kann man die Kurse nicht machen. Es gibt ohnehin kaum ein Pferd, bei dem am Montag nach dem Turnier nicht der Tierarzt vorbeischauen muss. Die Spitzenpferde müssen unglaublich viel leisten." Für die Wettkampfformate ist das ein Problem.

Dünnere Stangen auf ganz flachen Auflagen, die bei der kleinsten Berührung herunterfallen, würden mehr Fehler provozieren - aber auch zu Manipulationen an den Pferdebeinen verführen. Auch das hat es ja schon gegeben. Die Kontrollen sind inzwischen strenger geworden. Eine Möglichkeit wäre auch, das Stechen zu einer Siegerrunde mit festgelegter Teilnehmerzahl zu machen. Dann kann es passieren, das Nullfehlerreiter gar nicht mehr ins Stechen kommen, wenn sie im Umlauf zu langsam sind. Das wäre zumindest gut fürs Fernsehen, mit planbaren Zeiten, glaubt Otto Becker: "Der Reitsport muss entscheiden, inwieweit er bereit ist, sich zu öffnen." Über die beste Lösung wollen die internationalen Parcourschefs Ende des Monats bei einem Treffen in Frankfurt nachdenken.

Während im Springen der Ausgang offen ist, gilt eine Überraschung im Weltcupfinale der Dressurreiter als unwahrscheinlich. Die einzige deutsche Teilnehmerin Isabell Werth ist die haushohe Favoritin auf den Sieg, es wäre ihr Dritter.

© SZ vom 29.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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