Springreiten bei Olympia:Die deutschen Reiter ringen um Worte

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Am Triumph vorbeigesprungen: Als einziger deutscher Reiter blieb Philipp Weishaupt auf Zineday im Mannschaftsfinale ohne Abwurf. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

„Heute waren die anderen technisch einfach besser“: Die deutschen Springreiter starten als Favoriten ins Mannschaftsfinale – und verpassen als Fünfte die Medaillenränge. Die letzte vage Hoffnung ruht nun auf dem Einzelwettbewerb.

Von Gabriele Pochhammer, Versailles

Mit dem Idealergebnis von null Fehlern aus dem Vorlauf waren sie als große Favoriten auf die Goldmedaille gestartet, doch am Ende blieb für die deutschen Springreiter mit insgesamt acht Strafpunkten beim olympischen Teamfinale in Versailles nur ein magerer fünfter Platz. Die mögliche Bronzemedaille verpassten sie um nur einen Punkt. Der Sieg ging an die souveränen Briten, die als einziges von zehn Teams ohne Abwurf aus dem technisch schwierigen Kurs kamen und lediglich zwei Zeitfehler kassierten. Die Silbermedaille gewannen die USA (vier Strafpunkte), Bronze die französischen Gastgeber. Sie lagen mit sieben Fehlerpunkten zwar gleichauf mit den Niederlanden, hatten aber die bessere Zeit. Auf der Tribüne saß in einem großen Pulk von Sicherheitskräften Staatspräsident Emmanuel Macron, der überließ die Überreichung der Medaillen dann aber dem Präsidenten des Weltreiterverbandes FEI, Ingmar de Vos, und dem deutschen Vorsitzenden der Springkommission, Stephan Ellenbruch.

Die Briten haben nach der Vielseitigkeit bereits die zweite Teamgoldmedaille bei den Pariser Reitwettbewerben erobert. Der Jüngste, der 25-jährige Harry Charles auf Romeo, blieb als einziger des Teams ohne Abwurf und im Zeitlimit; seine Kollegen Ben Maher und Scott Brash hatten schon zwölf Jahre zuvor in London mit Harrys Vater Peter Gold gewonnen.

Für den US-Silbermedaillengewinner Karl Cook begann Olympia sogar erst am Donnerstag in aller Frühe: Quasi in letzter Minute wurde beschlossen, ihn und sein Pferd Caracole de la Roque in den Wettbewerb zu schicken, er war allerdings vorbereitet, sagt er: „Ich hatte meine weiße Reithose sicherheitshalber schon eingepackt.“ Auch für den Franzosen Olivier Perreau kam der Einsatz überraschend, aber das Pferd von Kevin Staut war lahm, verfehlte auch die zweite Veterinärinspektion, und Perreau ritt mit der elfjährigen Stute Dorai d’Aigully zu Teambronze.

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Die deutschen Springreiter waren dem Gold so nahe, es wäre der erste Mannschaftstriumph seit Sydney 2000 gewesen, damals noch mit dem aktuellen Bundestrainer Otto Becker im Sattel. Bronze gab es zuletzt in Rio 2016. Die Pferde der Deutschen zeigten sich in Top-Form, am Ende waren es kleine Versehen, welche die Medaille kosteten. Zwar blieben alle drei Reiter im Zeitlimit, was in den Medaillenrängen keinem Team gelang, aber nur beim letzten, Philipp Weishaupt auf Zineday, blieben auch alle Stangen oben. Da war es schon zu spät. Denn Christian Kukuk auf Checker und Richard Vogel auf United Way hatten je einen Abwurf verbucht.

Das Trio hatte Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen. Eigentlich habe er ein super Gefühl gehabt, sagte Kukuk, dessen 14-jähriger Schimmel übrigens zu 50 Prozent Fußballer Thomas Müller gehört. „Checker war total fokussiert, und dann kam so ein blöder Flüchtigkeitsfehler am Ende um die Ecke am vorletzten Sprung“, sagte Kukuk. Leicht schleiften Checkers Hinterbeine über die oberste Stange, schon war’s passiert. Bereits vorher hatte Checker einmal nach hinten ausgekeilt, eine Angewohnheit, die für Sekundenbruchteile die Konzentration stören kann.

Seit der Streichung des vierten Reiters kann jeder kleine Fehler das Blatt wenden

Auch Richard Vogel, mit 27 Jahren der Jüngste im Team von Otto Becker, versuchte nichts schönzureden und nahm den Fehler am Doppelsprung auf seine Kappe: „United Touch ist wieder fantastisch gesprungen. Vor der zweifachen Kombination habe ich ein wenig das Tempo herausgenommen, doch dann war der Motor fast ein bisschen aus. So kam es zum Abwurf. Es war die einzige Stange, die er berührt hat. Und die ist gleich gefallen. Ich hätte ihn am Ende einfach besser reiten müssen.“ Selbst beim einzigen Nullfehlerreiter im deutschen Team, Philipp Weishaupt, kam keine Freude auf. „Ganz klar überwiegt die Enttäuschung“, sagte er.

Auch Bundestrainer Becker musste zunächst um Worte ringen, aber er machte seinem Team keinen Vorwurf: „Das waren zwei Flüchtigkeitsfehler, und das macht es so bitter“, sagte er. Seit nur noch drei Reiter zugelassen sind, es also kein Streichergebnis mehr gibt, kann jedes Versehen das Blatt wenden. Jetzt müssen die Deutschen auf eine neue Chance in der Einzelwertung hoffen, am Montag fangen alle wieder bei null an. Weishaupt versuchte, optimistisch zu bleiben. „Jeder hat gesehen, was für ein gutes Pferd Zineday ist“, sagte er. Er rechne sich im Einzel noch Chancen aus. „Die Pferde haben jetzt zwei Tage Pause, das tut ihnen bei der Hitze gut.“ Am Montag geht es erneut in die Qualifikation.

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