Süddeutsche Zeitung

Springreiten:Der Erbe

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Seit dem Weltcupfinale in den USA gilt Guido Klatte junior auf Qinghai als Deutschlands Springreit-Versprechen für die Zukunft.

Von Gabriele Pochhammer

Als der kleine Fuchshengst Qinghai zum ersten Mal den Huf auf den Hof von Familie Klatte im niedersächsischen Ort Klein-Roscharden setzte, war er sechs Monate alt. Sein künftiger Reiter zählte elf Jahre, das ist, legt man Pferdejahre auf ein Menschenleben um, etwa genauso alt. Und für beide hatte Guido Klatte, Chef eines Speditionsunternehmens für Pferde, schon einen Plan: Qinghai sollte Deckhengst werden, sein Sohn, Guido der Jüngere, ein guter Reiter. Nur die zweite Hälfte des Plans ist aufgegangen, denn Qinghai wurde in früher Jugend zum Wallach degradiert, weil ihm irgendwie die männliche Ausstrahlung fehlte. Er wurde trotzdem berühmt: Guido Klatte junior und er wurden soeben als bestes deutsches Paar Sechste beim Weltcup-Finale in Omaha im US-Staat Nebraska. Das war der internationale Durchbruch, sie gelten nun als die Zukunft des deutschen Springsports, begleitet von großen Hoffnungen, nicht zuletzt von Bundestrainer Otto Becker, der dringend Nachwuchs braucht.

"So ein Pferd kriegst du nur einmal im Leben, den verkaufen wir nicht."

Denn der viermalige Olympiasieger Ludger Beerbaum zieht sich langsam zurück, er tritt lieber als Turnierveranstalter und Trainer auf, unter anderem der chinesischen Springreiter. Und Marcus Ehning, Daniel Deußer und Christian Ahlmann reiten zwar allesamt noch im Vorderfeld der Weltrangliste, gehen aber schon auf die Vierzig zu oder haben sie sogar überschritten. Und so muss Becker froh sein, dass in Klatte ein Talent auftaucht, mit dem er für die nächsten Jahre planen kann.

Der Sprung an die Spitze hatte sich angekündigt, schon als 14-Jähriger ritt Klatte in der jüngsten Altersklasse in Abu Dhabi mit einem Pferd zum Erfolg, auf dem er nie zuvor gesessen hatte. "Den stärkeren Reitern haben sie damals die schwierigen Pferde gegeben", erzählt Guido Klatte senior, "die besseren Pferde bekamen die körperlich schwächeren Reiter." Zu denen gehörte der kräftige junge Oldenburger damals nicht, heute ist er 1,86 Meter groß und lässt seinen Fuchs ziemlich klein aussehen, obwohl der mit 1,68 Meter Widerristhöhe ein normales Pferdemaß hat. Dass beide außergewöhnlich talentiert sind, das habe er erst im Wettbewerb gemerkt, so Klatte senior: "Immer wenn es um die Wurst geht, im Wettkampf, dann wird Guido richtig gut." Wie in Omaha.

Sein Trainer und Freund Marcus Ehning lobt seinen Instinkt des jungen Reiters im Parcours. "Er kann sehr schnell reagieren", sagt er. Das war beim Weltcupfinale ein paar Mal nötig, als einmal eine Ecke zu eng geschnitten und ein Sprung nicht passend angeritten wurde. Da reagierten Reiter und Pferd blitzschnell - und das unterscheidet am Ende den guten Reiter vom Weltklassereiter. Seit fünf Jahren sind die Beiden aufeinander eingespielt, sie sind zusammen in der Junge-Reiter-Klasse Europameister geworden.

Ein Pferd wie Qinghai, jung, kämpferisch und begabt, weckt natürlich Begehrlichkeiten. Bei den Klattes beißen sie bisher auf Granit. "Mein Vater hat gesagt, so ein Pferd kriegst du nur einmal im Leben, den verkaufen wir nicht, der gehört zur Familie", sagt Guido Klatte. Dafür sei er seinem Vater sehr dankbar. Immerhin geht es um siebenstellige, manchmal sogar achtstellige Summen, die für Spitzenpferde bezahlt werden. Vor allem in den USA ist der Springsport zum angesagten Hobby von Töchtern aus reichem und steinreichem Hause geworden.

In Omaha sah Microsoft-Gründer Bill Gates - etikettiert als der reichste Mann der Welt - von der VIP-Lounge aus zu, wie sich Töchterchen Jennifer im Großen Preis, der nicht zum Weltcup gehörte, wacker schlug. Ihr Pferd Bardolino hat die Nummer 352 der Weltrangliste und ist wie alle ihre Pferde bei einem internationalen Topreiter eingekauft. So handhaben es auch andere finanziell gut ausgestattete junge Frauen, wie die griechische Reeder-Erbin Athina Onassis oder Jessica Springsteen, Tochter der Rocklegende Bruce Springsteen. Sie können dank ihrer hervorragenden Pferde gemeinsam mit den besten Reitern starten und bezahlen die sehr hohen Nenngeldern in den USA aus der Portokasse. Als zahlungskräftige Kunden sind sie im Zirkel der Elitereiter hoch willkommen. Einige europäische Veranstalter wollten die hohen Gebühren nach US-Vorbild auch in Europa einführen, was den erbitterten Widerstand der Reiter hervorruft. "Wir können uns nicht vorstellen, dass die Start- und Nenngelder unter Umständen bis auf 1000 Euro pro Pferd angehoben werden. Dann müssten wir eigentlich den Stall schließen", sagt Ludger Beerbaum. Jüngst beim Sportforum des Weltreiterverbandes wurde die Idee vom Tisch gefegt. Allerdings gibt es auch andere Modelle, zum Beispiel die Global Champions League, ein an der Global Champions Tour angeschlossener Teamwettbewerb, die lukrativste Serie des Springsports.

Organisiert und vermarktet wird die Serie vom Niederländer Jan Tops, dessen Pläne aber auf Widerstand stießen. Erst nach gerichtlichem Hickhack mit dem Weltreiterverband FEI, der um die Bedeutung der klassischen Nationenpreise fürchtet, dürfen jetzt gesponserte Teams mit Reitern verschiedener Nationen gegeneinander antreten. Pro Jahr werden dafür zwei Millionen Euro als Teilnahmegebühr fällig. Mehr als zehn Millionen Euro werden an die Teams als Gewinngeld ausgeschüttet. Einige Top-Reiter boykottieren allerdings den Team-Wettbewerb. Zu den fünf Reitern einer Mannschaft muss jeweils ein Nachwuchsreiter unter 25 Jahren gehören. Guido Klatte wurde gefragt, ob er für das Team "Cannes Stars" reiten will, geführt wird es von Ludger Beerbaum. Natürlich will auch er.

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Quelle:
SZ vom 15.04.2017
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