Sportpolitik:Mannschaftsspieler

Steinmeier empfängt Gündogan und Özil

So schnell bekommt man also einen Termin beim Bundespräsidenten ... Die Nationalspieler Ilkay Gündogan (links) und Mesut Özil hätten sich aber bestimmt andere Umstände für eine Audienz bei Frank-Walter Steinmeier gewünscht.

(Foto: Guido Bergmann/dpa)

Bundespräsident Steinmeier trifft im Schloss Bellevue die Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan, die zuletzt hart kritisiert worden waren.

Von Nico Fried

Mesut Özil war nicht zum ersten Mal im Schloss Bellevue. Vor dreieinhalb Jahren hat er sich hier mit der Weltmeistermannschaft von 2014 das silberne Lorbeerblatt abgeholt. Jeder Spieler wurde einzeln aufgerufen, um sich vom damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck beglückwünschen zu lassen. Moderator Johannes B. Kerner begleitete Özils Auftritt sogar mit einer besonderen Würdigung, weil er verriet, dass der Fußballer während der WM "aus eigener Tasche" die Kosten für die Operation von elf brasilianischen Kindern übernommen habe.

Neben Gauck waren 2014 die Kanzlerin und ihr damaliger Innenminister Thomas de Maizière zugegen. Man schmückte sich gerne mit den Siegern. Angela Merkel gehörte in den vergangenen Jahren fast schon zur Nationalmannschaft wie Zeugwart und Busfahrer. Politik und Sport bildeten eine Symbiose zum gegenseitigen Nutzen, aus der auch ein berühmtes Foto hervorging, das Özil mit nacktem Oberkörper gegenüber der Kanzlerin zeigte. Das wiederum symbolisierte gewissermaßen die ultimative Integration der Kanzlerin im Spielerkreis und eines Spielers mit türkischen Wurzeln im Deutschland dieser Kanzlerin.

Seine Rückkehr zur Politik erlebte Mesut Özil am Samstag nicht nur ziemlich alleine, sondern fast schon als gefallener Held. Trikotgate, der umstrittene Auftritt mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, hat ihm und dem zweiten deutschen Nationalspieler mit türkischen Wurzeln, Ilkay Gündogan, die Vorbereitung auf die WM in Russland ordentlich vermasselt. Özil und Gündogan hatten Erdoğan Trikots ihrer Vereine überreicht, Gündogan hatte darauf geschrieben: "Für meinen verehrten Präsidenten - hochachtungsvoll".

Der Unmut in Deutschland war nahezu einhellig. Merkels Regierungssprecher sah plötzlich eine Situation, "die Fragen aufwarf und die auch zu Missverständnissen einlud". Ein besonders scharfer Kritiker war der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir, der die beiden Fußballer belehrte: "Der Bundespräsident eines deutschen Nationalspielers heißt Frank-Walter Steinmeier." Am vergangenen Freitag baten Mesut Özil und Ilkay Gündogan gegen Abend bei ihrem Bundespräsidenten um einen Besuchstermin - und wurden keine 24 Stunden später vorgelassen.

Steinmeier hatte sich bislang nicht zu dem Fall geäußert. Umso bemerkenswerter, dass er die Trikotaffäre mit dem Empfang der Missetäter endgültig in den Rang einer Staatsaffäre erhob. Andererseits entspricht es Steinmeiers politischem Temperament, auch in schwierigen Zeiten das Gespräch zu suchen. Immerhin hat er damit erst vor wenigen Monaten die mit der Opposition liebäugelnde SPD davon überzeugt, doch wieder in eine große Koalition einzutreten.

Mit dem Empfang hat Deutschland den beiden Fußballern quasi verziehen

Steinmeier war Zeit seines Lebens an Fußball interessiert, erwarb sich als aktiver Jugendlicher bei TuS 08 Brakelsiek aber allenfalls den Ruf eines soliden Mannschaftsspielers. Als Außenminister nutzte er die Kickerei gelegentlich als verbindendes Element, förderte ein Strassenfußballprojekt in Burkina Faso und schaute das Europameisterschaftshalbfinale 2008 gegen die Türkei publikumswirksam mit türkischen Fans in einer Kreuzberger Kneipe.

Am Samstag unterhielt sich Steinmeier eine halbe Stunde lang mit Özil und Gündogan. Die drei Herren schlenderten durch den Garten von Schloss Bellevue, auf dessen gepflegtem Rasen man ohne Weiteres einen sauberen Pass von einer halben Spielfeldlänge schlagen könnte. Doch über Fußball wurde nur geredet - und natürlich über Politik, wie Steinmeier selbst hinterher auf Facebook mitteilte. Der Bundespräsident erfuhr, dass beide Spieler nur die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Und die beiden Spieler lernten, dass Steinmeier durchaus findet, man könne mehrere Heimaten haben, wenn man sich als Bürger hier zu den Werten "unseres Landes" bekenne.

Mit dem Empfang durch den obersten Repräsentanten des Staates hat Deutschland den beiden Fußballern nun quasi verziehen. Gut möglich, dass Steinmeier nach all dem Glanz, den der Fußball schon der Politik verliehen hat, die Möglichkeit sah, sich einmal zu revanchieren.

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