Süddeutsche Zeitung

Russische Anti-Doping-Agentur rehabilitiert:"Die Entscheidung setzt ein falsches Signal"

  • Die russische Anti-Doping-Agentur Rusada ist wieder Teil der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada.
  • Das beschloss die Wada in ihrer Sitzung auf den Seychellen.
  • Die Rusada war wegen staatlich angeleieten Dopings von der Wada gesperrt worden.

Die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) hat die russische Anti-Doping-Agentur Rusada wie erwartet wieder aufgenommen. Den entsprechenden und weltweit kritisierten Beschluss der Exekutive gab die Wada am Donnerstag nach ihrer Sitzung auf den Seychellen bekannt. "Heute hat das Exekutivkomitee der Wada mit großer Mehrheit entschieden, die Rusada unter strikten Voraussetzungen wieder aufzunehmen", teilte Wada-Chef Craig Reedie nach der Sitzung mit. Die Exekutive soll mit 9:2 Stimmen für eine Wiederaufnahme gestimmt haben. Mit einer Bedingung: Wenn der Zugang zum Moskauer Analyselabor und den dortigen Doping-Daten und -Proben bis zum 30. Juni 2019 nicht gewährt wird, wird die Entscheidung revidiert.

Vorausgegangen war ein Vorschlag des unabhängigen Compliance-Prüfungskomitees CRC, das für die Aufhebung der seit November 2015 geltenden Sanktionen plädiert hatte. Wegen der Suspendierung waren russische Leichtathleten und Behindertensportler aus ihren Weltverbänden IAAF beziehungsweise IPC ausgeschlossen. Sie durften 2016 nicht an den Olympischen und Paralympischen Spielen in Rio de Janeiro teilnehmen.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte Russland, das bei den Winterspielen 2018 wegen des Staatsdopingskandals nicht unter eigener Flagge starten durfte, unmittelbar nach den Wettkämpfen in Pyeongchang ohne Auflagen wieder mit allen Rechten ausgestattet.

Die deutsche Nationale Anti-Doping-Agentur Nada hält die Wiederzulassung für falsch. "Die Entscheidung der Wada, die russische Anti-Doping Agentur zum jetzigen Zeitpunkt als compliant, also regelkonform arbeitend, einzustufen, ist ein herber Rückschlag für uns", sagte die Nada-Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann am Donnerstag. "Die Entscheidung setzt ein falsches Signal. Die wichtigsten Forderungen der Roadmap, Übergabe des Labordatensystems sowie freier Zugang der Wada-Experten zu gelagerten Proben im Labor in Moskau, wurden fahrlässig über Bord geworfen", meinte Gotzmann.

"Das Vertrauen in die Wada ist massiv erschüttert." Die Vision von einem unabhängigen Regelungsgeber sei mit der heutigen Entscheidung des Wada-Exekutivkomitees zerstört worden. "Es wird schwer, zukünftig zu vermitteln, dass die Wada die Leitlinien der Anti-Doping-Arbeit weltweit vorgibt und überwacht", sagte Gotzmann.

Auch Wada-Vizepräsidentin Linda Helleland kritisierte ihre Kollegen hart. "Die Entscheidung wirft einen Schatten auf die Glaubwürdigkeit der Anti-Doping-Bewegung", sagte die Norwegerin: "Heute haben wir für die ehrlichen Sportler auf der ganzen Welt versagt." Helleland war mutmaßlich für eine Gegenstimme verantwortlich. Bei den Wahlen 2019 will die 41-Jährige als Gegenkandidatin von Reedie antreten.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) nahm die Entscheidung zur Kenntnis, ohne sie zu kommentieren. In einem IOC-Statement heißt es wörtlich: "Wir nehmen das Votum der Wada-Exekutive, das gleichermaßen von Regierungsmitgliedern und Sportfunktionären getroffen wurde, zur Kenntnis. Es folgt der Empfehlung des unabhängigen Compliance-Prüfungsausschusses." Zuletzt wurde der Wada eine zu große Nähe zum IOC und seinem Präsidenten Thomas Bach nachgesagt.

Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Warum wurde die Rusada 2015 von der WADA überhaupt gesperrt?

Die russische Anti-Doping-Agentur Rusada wurde nach Aufdeckung des Dopingskandals in der russischen Leichtathletik durch Wada-Ermittler Richard Pound am 18. November 2015 als "nicht regelkonform" gesperrt. Eine weitere Untersuchung von Richard McLaren enthüllte, dass es einen staatlich orchestrierten Betrug im gesamten Sport und Manipulationen von Dopingproben eigener Athleten bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi gab. Der Leichtathletik-Weltverband IAAF schloss Russland 2015 von internationalen Wettkämpfen bis heute aus. Dagegen verhängte das Internationale Olympische Komitee für die Sommerspiele 2016 in Rio und den Winterspielen 2018 in Pyeongchang keinen Bann über die ganze Sportgroßmacht.

Was waren die Folgen?

Russland durfte bei den Rio-Spielen mit rund 270 Athleten unter neutraler Flagge antreten. Die IAAF genehmigte nur den Start der damals in den USA lebenden Weitspringerin Darja Klischina. 168 Russen traten als neutrale Sportler Anfang des Jahres in Pyeongchang an. Ein nachträglicher (Doping)-Schatten lag über dem Medaillenregen der Gastgeber bei den Winterspielen 2014 in Sotschi. Es folgten geplatzte Titelträume und Absagen internationaler Wettbewerbe in Russland. Die IAAF lässt bis heute nur ausgewählte Sportler unter neutraler Flagge zu.

Woher kam jetzt der Vorschlag, die Sperre aufzuheben?

Die Zulassungskommission der Wada hatte empfohlen, den Bann der Rusada aufzuheben, obwohl zwei wichtige Kriterien dafür von Russland bislang nicht erfüllt wurden: Die volle Anerkennung des Reports von Richard McLaren und der Zugang zum Moskauer Analyselabor und zu den dort vorhandenen Daten und Dopingproben. In einer vagen Wada-Mitteilung fünf Tage vor der Sitzung auf den Seychellen wurde der Vorschlag des Prüfgremiums verteidigt: "Führung erfordert Flexibilität" und eine "nuancierte Interpretation der Roadmap", um die Sache zu einem Ende zu bringen, hieß es.

Wie reagierten die nationalen Anti-Doping-Agenturen?

Das Institut der Nationalen Anti-Doping-Agenturen (iNADO) ist über den Kompromiss zu einer Wiederzulassung der Rusada bestürzt. "Jede vernünftige Person" würde zu dem Schluss kommen, "dass Russland seinen Verpflichtungen gegenüber der globalen Sportgemeinschaft noch nicht nachgekommen ist." Die Wada müsse ihre Entscheidungen "auf der Basis der konsequenten Anwendung von Prinzipien treffen und nicht aus Zweckmäßigkeit, die dem Willen einer mächtigen Nation dient".

Wie ist die Position des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF?

Die Haltung ist ganz klar: Auch wenn die Wada am Donnerstag die Suspendierung der Rusada aufheben würde, wäre damit nicht automatisch auch die Aufhebung des IAAF-Banns verbunden. "Wenn die Rusada ihre Arbeit wieder aufnehmen darf, werden wir den Bericht darüber abwarten und dann im IAAF-Council beraten", sagte Präsident Sebastian Coe kürzlich. "Wir werden sehen, was vorgeschlagen wird" und "unsere Task Force ihre Arbeit beenden lassen".

Was sagt das Internationale Paralympische Komitee?

Das IPC hatte russische Sportler wegen Staatsdopings von den Sommerspielen in Rio komplett ausgeschlossen. Zwei Jahre später durften 30 ausgewählte russische Athleten bei den Winter-Paralympics in Pyeongchang als Neutrale Paralympische Athleten antreten. IPC-Präsident Andrew Parsons hofft auf eine Wiedereingliederung des derzeit ausgeschlossenen Paralympischen Komitees Russlands. Er sieht dieses auf dem Weg dahin aber in der Pflicht. "Ich hoffe sehr, dass wir sie bis zu den Sommerspielen 2020 in Tokio zurück in der paralympischen Familie haben werden", sagte Parsons. "Aber dafür müssten sie noch einige Schritte gehen. Der Ball liegt bei ihnen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4138330
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Sz.de/dpa/schm
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.