Sportpolitik:Verstoßen aus dem Fußball-Olymp

Official World Cup 2018 Mascot Unveiled

Darf nicht mehr fürs Fifa-Council kandidieren: Waldimir Mutko (3.v.r.), Russlands Vize-Premier und Cheforganisator der Fußball-WM 2018.

(Foto: Getty Images)
  • Die Fifa verbietet Witali Mutko, Cheforganisator der WM 2018 in Russland, den Wieder-Einzug in ihr mächtiges Führungsgremium, das Council.
  • Der Grund: Mutkos Rolle als russischer Vize-Premier vertrage sich nicht mit den Grundsätzen der politischen Neutralität und der Verhinderung jeder Regierungseinmischung in Fifa-Belange.
  • Nun ist mit massiven internen Turbulenzen zu rechnen - denn Mutko besitzt großen Einfluss im europäischen Verband Uefa.

Von Thomas Kistner

Der Coup erfolgte über Nacht, in Moskau dürfte er als Schlag ins Gesicht empfunden werden: Die Fifa verbietet Witali Mutko, Cheforganisator der WM 2018 in Russland, den Wieder-Einzug in ihr mächtiges Führungsgremium, das Council. Dies beschloss das für die Integritätschecks der Funktionäre zuständige Governance-und-Review-Komitee des Fußball-Weltverbandes. Der Stab um den Portugiesen Miguel Poiares Maduro brüskiert damit den russischen Vize-Premier und Vertrauten von Staatschef Wladimir Putin: Drei Monate vor Anpfiff des Confederation Cups in der Heimat wird Mutko aus dem Fußball-Olymp gejagt, in dem er acht Jahre saß - mit massiven internen Turbulenzen ist zu rechnen.

Nach außen gab sich Mutko gelassen. Das Verdikt belaste ja nicht die WM-Vorbereitungen, die er weiter führen darf, der Fifa-Spruch werde auch nicht angefochten, sagte er der Agentur Tass. Die Fifa legte den sportdiplomatischen Zwischenfall so dar: Ihre Integritätsprüfer hätten festgestellt, dass sich Mutkos Rolle als russischer Vize-Premier nicht mit den Grundsätzen der politischen Neutralität und der Verhinderung jeder Regierungseinmischung in Fifa-Belange vertrage. Mitglieder einer Regierung könnten nicht neutral gegenüber ihrer Landespolitik bleiben.

Nur zwei Verbände stehen noch fest zu Fifa-Chef Infantino

So weit das Offizielle. Insider berichteten bereits von einem intensiven Telefonat zwischen Mutko und Aleksander Ceferin, den Chef des europäischen Verbandes Uefa. Was immer zu besprechen war - für Gianni Infantino, den Fifa-Chef, kann es kaum Gutes bedeuten. Zwar dürfte der Schweizer das Verdikt der Governance-Leute um Maduro, einst Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof, selbst verfluchen; auch soll er Mutko schon im Herbst mit Blick auf dessen Interessensverfilzungen abgeraten haben, erneut für das Amt des russischen Verbandschefs zu kandidieren (was Infantino bestreitet). Aber den erhofften Einfluss auf Maduros Gremium hatte er nicht. Das dürften ihm Europas Verbände ankreiden.

Just in der Uefa besitzt Mutko enormen Einfluss, das zeigte die Kür des neuen Präsidenten Ceferin im Herbst 2016. Dazu verriet Italiens Verbandschef Carlo Tavecchio kürzlich per Interview: Der Senkrechtstart des im Fußball unbekannten Ceferin sei unter Mutkos generalstabmäßiger Regie erfolgt. "Als noch niemand eine Ahnung von Ceferin" hatte, habe ihn ein türkischer Funktionär nach Istanbul gebeten, berichtete Tavecchio. Er sei hingeflogen, "und auf einmal war ich mit den Russen zusammen". Mutko, Kollegen aus Armenien und Schattenkandidat Ceferin hätten ihn ermuntert, auf die Linie der Verbände des Ostens einzuschwenken. Das habe er getan und fortan mitgeholfen: "Ich habe Frankreich und Deutschland bei einem Treffen in Coverciano überzeugt. Jetzt stehen wir aus Uefa-Sicht in der allerersten Reihe."

Was sich schon auszahlte. "Falls ich wiedergewählt werde", lockte Tavecchio vergangene Woche, "schiebe ich eine EM-Bewerbung für 2028 an." Tage später kehrte der 73-jährige Skandalfunktionär, der wegen rassistischer und homophober Aussagen viel Kritik auf sich zog, nach einer Stichwahl ins Präsidentenamt zurück.

Dass Ceferin aus Mutkos Lager kommt, könnte Infantino noch spüren

So läuft Fußballpolitik, alle spielen mit. Dass der Slowene Ceferin aus Mutkos Lager kommt, könnte Infantino noch zu spüren bekommen. Ihm, dem selbst schon mit Affären belasteten Nachfolger des gesperrten Sepp Blatter, laufen ein Jahr nach der Thronbesteigung die Verbündeten davon. Asiens Verband AFC ist offen auf Konfrontationskurs; dessen Föderationschef Salman al-Khalifa (Bahrain) hatte Infantino bei der Fifa-Kür 2016 mit Versprechen vor allem an Afrikas Verbände ausgestochen.

Aber jetzt steht auch Afrika auf der Kippe: Issa Hayatou, Chef des Erdteilverbandes Caf, ist völlig über Kreuz mit Infantino. Letzterer muss daher hoffen, dass sich bei der anstehenden Caf-Wahl sein Vertrauter Ahmad Ahmad durchsetzt, doch auch diese Chance schwindet. Ahmad, der Verbandschef Madagaskar, gerät im Duell mit Hayatou ins Hintertreffen. Auch, weil ihm die Fifa-Integritätsprüfer soeben einen zentralen Kombattanten weggeschossen haben: Danny Joordan.

Südafrikas Spitzenfunktionär hatte einen der sieben Sitze Afrikas im Fifa-Council sicher, aber dann überstand auch er den Integritätscheck nicht. Eine Erklärung hierzu gab die Fifa nicht. Doch Joordan zog seine Kandidatur Anfang der Woche eilig zurück, obwohl er zuvor alles perfekt eingefädelt hatte. Verdacht, warum Joordan beim Check durchfiel: Das FBI ermittelt auch zu einer Zehn-Millionen-Dollar-Spende, die Südafrikas WM-2010-Veranstalter anno 2008 über die Fifa an Skandalfunktionär Jack Warner in die Karibik fließen ließ. Asien ist weg, Afrika wohl bald auch; dazu der Stresstest mit Europa: Nur Amerikas Verbände Concacaf und Conmebol stehen noch zu Infantino. Dessen Nähe zu dem einflussreichen US-Spitzenfunktionär Sunil Gulati die Stimmungslage in Moskau aber auch nicht aufhellen wird.

Eng wird es auch für Mutko. Zwar darf er seine übrigen Fußballämter behalten, eine komplette Verbannung könnte nur das Fifa-Ethikkomitee verfügen. Aber auch die Ethiker sind ihm auf der Spur: Sie wollen Mutkos Rolle im mit staatlicher Hilfe orchestrierten Doping in Russland aufklären und warten noch immer auf Amtshilfe des Sonderermittlers Richard McLaren. Der hat in seinem Report 33 Verdachtsfälle im russischen Fußball aufgelistet. Beim Bannspruch gegen Mutko hat das Dopingthema gar keine Rolle gespielt. Doch über die neue Linie, die Verquickung hoher Ämter in Politik und Sport nicht mehr zu dulden, kriegen die Prüfer sowieso viel mehr Funktionäre zu fassen als auf der gut abgeschirmten Pharma-Schiene.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: