Sportpolitik:Unterweltgrößen im Trump Tower

Chuck Blazer und Sepp Blatter

Chuck Blazer, langjähriger Generalsekretär des Verbands Concacaf, wirtschaftete vor allem in die eigene Tasche. Später wurde er Kronzeuge für das FBI.

(Foto: Frank May/dpa)

Im New Yorker Hochhaus des künftigen US-Präsidenten spielen auch Teile der Affäre um den Fußball-Weltverband Fifa. Mit zwei Schlüsselfiguren pflegte der Hausherr freundlichen Umgang.

Von Thomas Kistner

Christopher Steele ist abgetaucht. Steele, das ist jener britische Privatermittler, der 2009 von Englands Bewerbern um die Fußball-WM zur diskreten Informationsbeschaffung über das Treiben der Konkurrenz angeheuert wurde, der also die Unterweltgrößen des Weltfußballs durchleuchtete und der im Zuge späterer Recherchen auch mit dem FBI kooperierte. Und Steele, das ist auch jener Ex-Agent, dessen Geheimdossier in den vergangenen Tagen hohen Wellengang um Donald Trump ausgelöst hat. Der künftige US-Präsident und der Fifa-Skandal: Gibt es da Verbindungen - und falls ja, welche?

Christopher Steele war einst beim britischen Geheimdienst MI6 für Russland zuständig. Das gibt die Stoßrichtung seiner Arbeit für Englands WM-Bewerbung um die Turniere 2018/2022 vor. Auch Russland stand im Ring, dazu die USA und zehn weitere Länder. Russland erhielt den Zuschlag für 2018. Als Steele später zunächst für Trump-skeptische US- Republikaner, später für die Demokraten Trumps Beziehungen zu Moskau eruieren sollte, hatte er bereits viel Material beieinander über die zwei Schlüsselfiguren der Fifa-Affäre in Russland und den USA, mit denen Trump einen freundlichen Umgang pflegte. Und er kannte eine Wohnadresse, die in der Fifa-Ermittlung eine große Rolle spielt: Fifth Avenue, Ecke 56th Street. Trump Tower.

Seit 2009 ermittelt die US-Bundespolizei FBI rund um die Fifa, seit 2015 wurden Dutzende Funktionäre verhaftet, erste bereits verurteilt. Spitzenleute mussten abdanken, vorneweg Fifa-Boss Sepp Blatter, dessen Generalsekretär Jérôme Valcke sowie Uefa-Präsident Michel Platini.

Die Ermittlungen ins Rollen gebracht haben zwei Schlüsselfiguren in Moskau und New York. Als das FBI begann, hatte es zunächst den Mann in Moskau im Visier: Alimsan Tochtachunow. Der gebürtige Usbeke, Spitzname "Taiwanchik", hatte bei den Winterspielen 2002 für Olympia-Gate gesorgt: die Manipulation des Eispaarlauf-Finales in Salt Lake City zugunsten des Duos aus Russland. Telefonmitschnitte des FBI und der italienischen Polizei und Geständnisse belegen, dass Russland dank einer korrupten französischen Preisrichterin Gold gewann, das IOC korrigierte dies später, indem es auch Kanada Gold gab.

Organisiert hatte Taiwanchik den Coup aus seinem Haus in Italien. Dort wurde er auch inhaftiert. Doch das Auslieferungsgesuch der USA, die ihm Betrug, Korruption und Geldwäsche via Karibik bis nach New York vorwerfen, wies die Regierung in Rom ab. Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi konnte gut mit Wladimir Putin. So durfte Taiwanchik 2003 nach Moskau heimkehren; dort wurde er zu einer wichtigen Fußballfigur. Er beriet Spieler, er soll bei Bauprojekten für die EM 2012 in der Ukraine aktiv gewesen sein. Und als Chef der Stiftung des russischen Fußballverbandes hatte er mit Blatter und Platini zu tun.

Dass so ein Dunkelmann beste Drähte zur Fifa-Spitze hat, beunruhigte die Amerikaner. Auch sie standen bei der WM-Bewerbung gegen Russland im Ring. Der Moskauer Patron blieb fest im Visier der FBI-Abteilung "Organisierte Kriminalität in Eurasien". Sie ist auch für den Fifa-Skandal zuständig - obwohl der sich bisher vor allem um Vorgänge in Lateinamerika dreht.

2013 hatte das FBI den nächsten Taiwanchik-Fall. Es erhob Anklage gegen 34 Verdächtige aus "zwei verwandten russisch-amerikanischen Betrieben der organisierten Kriminalität", für Straftaten wie den Betrieb von "Sportwetten-Organisationen" für Superreiche in den USA, Russland und der Ukraine. Eine, die "Taiwanchik-Trincher-Organisation", soll Millionen aus Russland und der Ukraine über Zypern gewaschen und in die USA geschleust haben. Der Ring, hieß es, operiere "unter dem Schutz von Alimsan Tochtachunow". Wenn es Probleme gebe, drohe der Betroffenen mit Gewalt und finanziellem Schaden. Die Organisation habe binnen zwei Monaten "zehn Millionen Dollar für seine Dienste" bezahlt, heißt es im FBI-Text von April 2013.

Doch wieder war Tochtachunow nicht greifbar, er verlässt Russland nicht. Das FBI schnappte dafür seine Mitspieler: Im Trump Tower, wo sie, nur eine Etage unter Eigentümer Donald, ihre Internetseiten betrieben. Die Ankläger nannten es das "weltgrößte Sportwettportal", es habe "fast nur Oligarchen aus der Ukraine und der russischen Föderation" offengestanden.

Alimsan Tochtachunow stand 2013 in Moskau auf der Gästeliste

Interesse am Sportwettgeschäft beseelte auch einen Mann, der einige Stockwerke tiefer, in der 49. Etage, residierte. Chuck Blazer, langjähriger Fifa-Vorstand. Der Amerikaner hatte mit dem karibischen Skandalfunktionär Jack Warner viele Jahrzehnte lang den Nord- und Mittelamerikaverband Concacaf ausgeplündert. Die Zentrale des Affären-Verbandes hatten sie im 17. Stockwerk des Trump Towers.

Warner war Präsident, Blazer der Generalsekretär, der Marketingdeals mit eigenen Firmen in Steueroasen machte. Er galt als Mister zehn Prozent - in Bezug auf die Marge aus den Concacaf-Einkünften, die er für private Zwecke abzweigte. Als die Millionen-Exzesse aufflogen, stand daher auch die Steuerfahndung IRS vor der Tür.

Der schwer kranke Blazer ersparte sich die Haft, indem er FBI-Kronzeuge wurde - und alte Kollegen bespitzelte. Bei Olympia 2012 in London, unter strikter Überwachung, platzierte er einen Schlüsselanhänger mit Mikrofon auf dem Tisch, an den er Funktionäre unter anderem aus Russland und den USA geladen hatte. Auf Blazers Aussagen beruht eine Reihe von Haftbefehlen gegen hohe Fifa-Leute.

Blazer, Taiwanchik und das schillernde Geschäftsleben im Tower: Es gibt keine Hinweise, dass Donald Trump Kenntnis davon hatte. Mit Blazer war er jedoch so vertraut, dass er sogar dessen Wohnung für einen Werbespot anmietete, heißt es in Blazers Biografie American Huckster. Auch brachte er Blazer die Welt der Schönheitswettbewerbe nahe, die Teil seiner Geschäfte war. Blazer kam bald regelmäßig, gern mit Größen der Fußballwelt. Bei Trumps Moskauer Beauty-Event im Herbst 2013, das nun für Furore sorgt, war er aber nicht mehr dabei. Damals schritt ein anderer Ehrengast über Trumps roten Teppich: Alimsan Tochtachunow. Der mischt auch im Beauty-Gewerbe mit; dazu ist er Fußball-Topfunktionär. Und Kopf der Taiwanchik-Gang, die das FBI gerade im Trump Tower ausgehoben hatte.

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