Süddeutsche Zeitung

Sportpolitik:Thomas Bach hat gleich drei Diplomatenpässe

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Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Frankfurt/München

Mitte März steht für Thomas Bach eine Entscheidung an. Dann läuft, wie die SZ jetzt erfuhr, der von der Bundesrepublik Deutschland auf seinen Namen ausgestellte Diplomatenpass aus. Dem Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) bleiben zwei Optionen. Entweder beantragt er einen neuen, wobei eingedenk gewisser öffentlicher Irritationen darüber, dass Bach so einen Pass überhaupt erhielt, das zuständige Auswärtige Amt dies dem Sportfunktionär wohl nur mit Bauchgrimmen genehmigen könnte. Oder Bach beantragt keinen neuen - und kann doch weiter mit deutschem Diplomatenpass um die Welt jetten.

Denn wie sich nun herausstellt, besitzt Bach nicht nur eines dieser begehrten Ausweisdokumente. Sondern gleich drei. Gültig bis März 2017, März 2018 sowie August 2021. So steht es in einer Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage des Grünen- Abgeordneten Özcan Mutlu.

Das IOC will sich zu dem Thema nicht äußern. Das Ministerium begründet die Passhäufung so: Gemäß Passgesetz sei bei einem "berechtigten Interesse" die Ausstellung mehrerer Pässe möglich. Ein solches Interesse läge unter anderem vor, "wenn bei Vielreisenden aus zeitlichen Gründen die Visaeinholung für die Zielstaaten parallel erfolgen muss. Dies ist nach Darlegung von Herrn Thomas Bach der Fall."

Drei Pässe sind ungewöhnlich

In der Tat gibt es im Passgesetz in Paragraf eins einen entsprechenden Passus. Dieser gilt gleichlautend sowohl für Bürger mit einem normalen Reisepass wie für diejenigen, die wie Bach in den Genuss eines Diplomatenpasses kommen. Gemäß dieser Regelung darf jeder normalerweise nur einen Pass besitzen, es sind aber Ausnahmen möglich. Davon können etwa Vielreisende profitieren. Ein Pass kann zum Reisen genutzt werden, während der andere bei der Botschaft eines anderen Landes vorliegt, um ein Visum zu erhalten. Auch manche Journalisten nutzen das. Ein zweiter Pass ergibt auch Sinn, wenn ein Vermerk über bestimmte besuchte Länder im nächsten Zielland Probleme bereiten könnte - etwa bei Reisenden, die ein Israel-Visum im Pass haben und nach Iran wollen. Ungewöhnlich ist aber, über gleich drei gültige Diplomatenpässe zu verfügen.

Im Oktober hatte die SZ Recherchen publiziert, nach denen Bach schon seit 1994 über einen Diplomatenpass verfügt. Der blaue Ausweis kann unter anderem helfen, Kontroll- und Warteschlange an Flughäfen abzukürzen oder in manche Länder visafrei einzureisen. Normalerweise ist er nur für echte Diplomaten und deren Familienangehörigen sowie für hohe politische Amts- und Mandatsträger gedacht. Daneben können aber auch andere Personen "für Reisen, die sie im amtlichen Auftrag oder im besonderen deutschen Interesse ausführen" den Ausweis erhalten.

Bei Bach bestand dieses "besondere deutsche Interesse" nach Angaben des Auswärtigen Amtes zunächst darin, dass er den Vorsitz der Evaluierungskommission für die Winterspiele 2002 innehatte. Danach habe er als Mitglied bzw. Vizepräsident bzw. Präsident des IOC "vor dem Hintergrund des besonderen deutschen Interesses an der Förderung der olympischen Bewegung" einen Pass erhalten.

Diese Argumentation ist jedoch problematisch - nicht nur, weil ein IOC-Chef wohl überall ohne Probleme einreisen dürfte. Das IOC ist ein privater Verein, seine Charta hält explizit fest, dass sich seine Mitglieder nicht nach Weisungen oder Interessen des Heimatlandes richten dürfen. Sondern allein nach Interessenslage des IOC. Als der Sachverhalt bekannt wurde, teilte das Ministerium mit, Bach den Pass trotzdem nicht zu entziehen. "Ich frage mich, welche deutschen Interessen er konkret vertritt, für die er gleich drei Diplomatenpässe braucht", sagt Grünen-Politiker Mutlu.

Insofern wird es interessant sein zu sehen, wie Bach und das Auswärtige Amt im März handeln. Das IOC will die Frage, ob Bach einen neuen Pass beantragt, nicht beantworten.

Mutlu fordert Konsequenzen: "Die Vergabe von Diplomatenpässen muss genauestens unter die Lupe genommen werden. Anscheinend gibt es eine Praxis der Vergabe von Diplomatenpässen aus Gefälligkeit." Auch die Vergabe bei Ausnahmen "im besonderen deutschen Interesse" müsse auf den Prüfstand. Dies sei unbedingt nachvollziehbar darzustellen, "um zukünftig den Verdacht von Freundschaftsdiensten oder Ähnlichem zu vermeiden".

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Quelle:
SZ vom 31.01.2017
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