Süddeutsche Zeitung

Sportpolitik:Politischer Türenöffner

Lesezeit: 3 min

Michael Vesper, der langjährige Vorsitzende des DOSB, soll den deutschen Galoppsport wiederbeleben.

Von Ulrich Hartmann, Köln

Der Rasen im Konferenzraum des Galoppverbands ist immer akkurat gemäht. Eigentlich ist das nämlich ein grasgrüner Teppich mit längerem Flor, angelehnt an den Turf der Rennbahnen. Für den deutschen Galoppsport ist der Rasen schon lange nicht mehr so grün wie hier. Die Branche steckt seit Jahren in der Krise. "Wir brauchen frische, neue Ideen", sagt der Geschäftsführer Jan Antony Vogel und präsentierte zu diesem Zweck am Montag den neuen Präsidenten jenes Verbands, der offiziell Direktorium für Vollblutzucht und Rennen (DVR) heißt.

Der vormalige Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), Michael Vesper, soll den deutschen Galoppsport wiederbeleben. Dazu nimmt der Verband eine nicht unerhebliche Summe Geld in die Hand, denn im Gegensatz zu seinem Vorgänger Albrecht Woeste wird Vesper, 65, das Amt nicht ehrenamtlich ausüben, sondern dem Vernehmen nach für ein sechsstelliges Jahressalär. "Wir wollten jemanden, der uns im politischen Bereich Türen öffnet, und so etwas ist natürlich mit viel Arbeit verbunden", rechtfertigt Vogel diese Maßnahme. Vesper sagt, er habe das Gehalt nicht gefordert: "Es ist mir angeboten worden."

Ende vergangenen Jahres ist Vesper nach gut elf Jahren als Chef beim DOSB ausgeschieden, dadurch ist man bei den Galoppern unter Mithilfe einer Headhunter-Agentur auf die Idee gekommen, ihn zu fragen, ob er als Präsident zur Verfügung stünde. Vesper hat keinerlei Erfahrung im Galoppsport, weshalb er in den kommenden Monaten zunächst einmal durch Deutschland reisen und Rennbahnen sowie Gestüte besuchen will. "Für mich heißt es jetzt erst einmal: lernen, lernen, lernen." Mit den drei Themenbereichen "Strukturreform, Wetten und Öffentlichkeitsarbeit" hat er schon eine grobe Agenda aufgestellt. Die Themen sind vielfältig und komplex, denn: "Die Struktur im deutschen Galoppsport ist im Umbruch."

Mit Vesper hofft man in Köln, vor allem so eine Art Cheflobbyisten im Hause zu haben. "Viele Aufgaben für dieses Jahr sind im politischen Bereich verortet", sagt Vogel. Dafür hält man den früheren stellvertretenden Ministerpräsidenten von NRW für besonders gut geeignet. In einer Pressemitteilung nennt der Verband Vesper eine "Topführungsperson im deutschen Sport" und einen "Enthusiasten" mit einem "umfangreichen Netzwerk". Vesper selbst hält seine "Nervenkraft" und seine "Liebe zum Sport" für Schlüsselqualifikationen.

Nerven und viel Liebe wird Vesper auch brauchen. Wenn Vogel die akuten Probleme des deutschen Galoppsports aufzählt, dann benötigt er dafür viel Zeit. Es geht um teils sperrige Schlagwörter wie etwa die "Rennwettsteuer-Rückvergütung", die für die Wirtschaftlichkeit der Vereine maßgeblich ist. "Die Situation bei den Vereinen ist sehr angespannt", sagt Vogel, "deshalb ist es dringend notwendig, dass wir die ergänzenden Mittel aus der Rennwettsteuer-Rückvergütung bekommen." Das Problem: Steuern auf Buchmacherwetten fließen bislang nicht in vollem Umfang zurück in den Galoppsport und damit in die Vereine. "Um unseren Sport zu halten und das Rennprogramm in der von uns gewünschten Form durchzuführen", sagt Vogel mit drohender Stimme, "müssen wir den Vereinen die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen." So idyllisch wie auf den Pferde-Radierungen an den Wänden des Konferenzraums ist die Galoppwelt schon lange nicht mehr.

Vesper mit seinen Kontakten in die Politik steht vor einer besonderen Herausforderung. Denn letztlich geht es im Galoppsport ausschließlich um die künftige Finanzierbarkeit. Die Zeiten massiver Einbrüche bei den Statistiken zu Zuchtstuten, Züchtern, Rennen und Wettumsätzen ist zwar vorbei, aber die Stabilisierung in allen Bereichen geht nur langsam vonstatten. Die Zahl der Züchter (520) hat sich seit 1990 halbiert, die Zahl der Galopprennen (1196) ist seit Anfang des Jahrtausends nahezu auf ein Drittel gesunken, und der Gesamtumsatz bei den Wetten auf Rennen (25,2 Millionen Euro) beträgt, verglichen mit dem von 1995, fast nur noch ein Sechstel.

Die besseren Zeiten des deutschen Galoppsports hat der in Köln geborene und in Düsseldorf aufgewachsene Vesper noch selbst miterlebt, wenn er "als Pänz" (rheinisch für: Kind) mit seinem Vater auf der Rennbahn im Grafenberger Wald war und ein paar Mark hat setzen dürfen. Nun soll der Junge von damals die deutsche Galoppszene retten, das ist ein noch schwierigeres Unterfangen als nur aufs richtige Pferd zu setzen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3912675
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.03.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.