Sportpolitik:Olympia ist für DOSB-Finanzen "existenziell"

DOSB-Mitgliederversammlung

Zukunftssorgen: DOSB-Chef Alfons Hörmann fürchtet eine schwindende "wirtschaftliche und emotionale Kraft" des Sports.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Der Präsident des Sport-Dachverbands, Alfons Hörmann, warnt vor den Corona-Folgen für das Jahr 2021. Zugleich wird ein Dissens des DOSB mit seinem wichtigsten Geldgeber deutlich.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Die Verantwortlichen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) sind richtig angetan von dem Tablet-Gerät auf einem ihrer Tische. "Da meldet sich unser Chat zu Wort", heißt es zwischendurch, oder "der Chat brummt". Rege Wortmeldungen aus dem Auditorium gehören nicht zum Standard einer DOSB-Mitgliederversammlung. Aber diesmal läuft die Veranstaltung corona-bedingt ja ein wenig anders. Nur der harte Kern der DOSB-Spitze ist in Frankfurt, das Gros der 509 Delegierten per Video und Chat-Funktion zugeschaltet.

Das wirkt zwar ein bisschen lebendiger, ändert aber letztlich nicht viel am Charakter der Veranstaltung. Denn aus dem brummenden Chat werden vor allem ein paar Nachfragen und Danksagungen vorgelesen - aber keinerlei grundsätzliche Kritik an der Spitze des DOSB um Präsident Alfons Hörmann.

Es ist eine Mitgliederversammlung, die selbstverständlich stark im Zeichen von Corona steht. Das Jahr 2021 werde noch einmal schwieriger als das Jahr 2020, sagt Hörmann; die "wirtschaftliche und emotionale Kraft" gehe nun verloren. Acht bis zehn Prozent Mitgliederschwund prognostiziert er, aktuell gibt es unter dem Dach des DOSB zirka 27 Millionen Mitgliedschaften.

Beim Dachverband spielen die Finanzen eine zentrale Rolle. Einsparungen bei den Personal- und Sachkosten stehen bevor, erstmals seit 2013 muss der DOSB im kommenden Jahr Mittel aus der Rücklage nehmen. Wie tief die Einschnitte werden, ist auch von Olympia abhängig: Ob und wie die Spiele stattfinden, sei für die DOSB-Finanzierung "existenziell", sagte die Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker auf der Pressekonferenz nach der Versammlung.

Das Innenministerium verspricht einen Rekord-Sporthaushalt: Reicht nicht, sagt der DOSB

Aber es ist auch eine Mitgliederversammlung, bei der sich Spannungen zwischen dem organisierten Sport und seinem wichtigsten Geldgeber offenbaren - dem Bundesinnenministerium (BMI). Das eine Thema betrifft die Finanzen. Künftig soll der Sport mehr Mittel erhalten. Das Budget für den Leistungssport soll auf 291 Millionen Euro steigen und damit fast doppelt so groß sein wie vor Beginn der sogenannten Leistungssportreform 2015. Für die Profiklubs stehen in einem speziellen Corona-Hilfstopf noch einmal 200 Millionen Euro parat. Für den im Vorjahr angekündigten "Goldenen Plan" zur umfangreichen Sanierung von Sportstätten sind als erste Charge 150 Millionen Euro vorgesehen, bis 2024 sollen noch weitere 490 Millionen Euro fließen.

Es gibt also einen Rekord-Sporthaushalt, rechnet der BMI-Staatssekretär Stephan Mayer vor. Aber das reicht dem DOSB-Präsidenten Hörmann nicht, wie er ob der Mittelplanung beim Goldenen Plan zu verstehen gibt. "In Anbetracht der vielschichtigen Problemstellungen in Milliarden-Größenordnungen quer durch Deutschland" sei die große Hoffnung, "dass die Mittel noch zusätzlich erhöht werden". Mayer wiederum lässt keinen Zweifel daran, dass die Corona-Hilfe für den Sport endlich ist. Es sei weder haushälterisch möglich noch die Aufgabe des Bundes, alle finanziellen Folgen abzufangen.

Auch an einer anderen Stelle wird ein Dissens zwischen DOSB und seinem Geldgeber BMI deutlich. Denn zu den laufenden Projekten zählt es, eine nationale Strategie für Sportgroßveranstaltungen zu entwickeln - an deren Ende auch eine neue Olympia-Bewerbung stehen könnte. Im ersten Quartal 2021 soll das Konzept fertiggestellt sein. Doch bei der Erarbeitung kam es zuletzt zu kontroversen Debatten. Bei einem Termin zwischen den beteiligten Parteien ging das nach SZ-Informationen sogar so weit, dass der DOSB die Zusammenkunft abbrach. Hörmann bestätigt das am Samstag auf Nachfrage: Es gebe auch mal Besprechungen, bei denen man gemeinsam zum Fazit komme, sich eine "Denk- oder Diskussionspause" zu geben, sagte er. "Genau den Fall hatten wir vor wenigen Wochen. Da ist aber nicht Hörmann raus, sondern wir haben die Besprechung aus Sicht des Sports insgesamt beendet."

In diesem Kontext verblüffte BMI-Staatssekretär Mayer mit einer Bemerkung zu einer möglichen neuen Olympia-Bewerbung. Seit dem Vorjahr gilt eine Privatinitiative an Rhein-Ruhr als einziger denkbarer Kandidat für die nächste Zeit. Doch nun verwies Mayer auf anerkennenswerte Überlegungen in Berlin - obwohl die Hauptstadt im Grunde schon raus aus der Debatte war. Hörmann wiederum wies später darauf hin, dass sich aus DOSB-Sicht keine neue Situation ergeben habe. Wenn man über 2032 nachdenke, gehe es nur um Rhein-Ruhr, "alles andere ist deutschlandweit für den Zeitraum nicht denkbar". Bei der Privatinitiative seien allerdings noch "entscheidende konzeptionelle Fragestellungen offen", unter anderem die Finanzierung.

Zudem verabschiedete die Mitgliederversammlung ein Stufenmodell zur Prävention und zum Schutz vor sexualisierter Gewalt. Die Mitgliedsorganisationen des DOSB sind nun in der Pflicht, das Konzept bis 2024 umzusetzen. Es soll dann eine Voraussetzung dafür sein, dass die Verbände auch künftig Bundesmittel erhalten. Hörmann nannte das Modell einen "Meilenstein" und den Schutz vor sexualisierter und anderer Gewalt eine "Lebensaufgabe".

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