Sportpolitik:Ohne Haltung zu IM Paul Grün

Sportpolitik: Rolf Beilschmidt.

Rolf Beilschmidt.

(Foto: imago)

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) drückt sich vor dem Stasi-Problem Beilschmidt.

Von Johannes Aumüller

Es ist nun schon mehr als 20 Jahre her, dass die nationale Sportwelt von der Existenz von IM Paul Grün erfuhr. IM Paul Grün, das war der Deckname des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) für seinen Zuträger Rolf Beilschmidt - zu Zeiten der DDR ein starker Hochspringer und später ein einflussreicher Sportfunktionär. Doch die Stasi-Enthüllungen Anfang der Neunziger hatten für Beilschmidt keine nachdrücklichen Folgen. Er etablierte sich in Thüringens Sport, seit 2001 ist er sogar Hauptgeschäftsführer des dortigen Landessportbundes (LSB). Aber im Herbst präsentierte der Spiegel neue Dokumente: Aus denen ging hervor, dass Beilschmidts Spitzeltätigkeit nicht wie bis dahin dargestellt nach seiner Athletenzeit endete, sondern sich auch in den Achtzigerjahren als Funktionär beim SC Motor Jena fortsetzte.

Ist so ein Mann auf einem wichtigen Posten des deutschen Sports tragbar?

Es gibt kaum Beobachter, die diese Frage mit Ja beantworten. "Seine gesamte Biografie und sein ganzes Auftreten machen ihn untragbar", sagt Ines Geipel, Vorsitzende des Doping-Opfer-Hilfevereins, die in der DDR unter Beilschmidts Wirken selbst zu leiden hatte. "Es deutet bei ihm auch nichts auf einen Erkenntnisgewinn hin." Der LSB Thüringen aber, wo Beilschmidts Seilschaften funktionieren, stellt sich treu an seine Seite - und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) druckst an entscheidender Stelle herum.

Als die neuen Fakten im Herbst an die Öffentlichkeit kamen, rief der LSB die sogenannte Geiger-Kommission an, die der frühere Direktor der Stasi-Unterlagen-Behörde Hansjörg Geiger leitet und die für den deutschen Sport regelmäßig Stasi-Fragen bewertet. Oft genug dienen dem Sport solche Gremien lediglich, um seine Sichtweise reinzuwaschen und ein opportunes politisches Ergebnis zu erhalten. Aber diesmal liegt der Fall ein bisschen differenzierter.

Die Geiger-Kommission schrieb dem LSB vor einer Woche zwar, dass Beilschmidts Belastungen nicht ausreichten, die Abberufung "ausdrücklich" zu empfehlen. Aber das Wörtchen ausdrücklich notierte sie extra auffällig in Klammern. Und dann führte sie in teils verklausulierter Form einige Punkte auf, aus denen hervorgeht, dass die Kommission nicht-ausdrücklich eben doch anderer Meinung ist: Beilschmidt sei auf einem Posten als Hauptgeschäftsführer des LSB Thüringen fehl am Platz. Die Kommission spricht von einem "Makel", der bleibe; sie rügt, dass sich Beilschmidt nicht früher geäußert habe; sie erwartet, dass er zeigt, "wie eine angemessene Vergangenheitsbewältigung funktioniert".

Mit anderen, nicht verklausulierten Worten: Die Kommission legt Beilschmidt nahe, zurückzutreten.

Nun muss sich das Gremium die Frage gefallen lassen, warum es nicht den Schritt geht, Abberufung oder Rücktritt ausdrücklich zu empfehlen. Kommissionschef Hansjörg Geiger möchte sich auf Anfrage nicht zu Details äußern. Er sagt nur allgemein: "Nach meiner Auffassung ist der Text klar und deutlich."

Der LSB und Beilschmidt, der sagt, dass ihm leid tue, was damals geschehen sei, aber sehen die Sache anders. In einer Pressemitteilung geht es nur um die für Beilschmidt positiven Teile des Reports und seine Verdienste im Thüringer Sport. "Die Konsequenz zu einem Rücktritt" hätten Präsidium und Beilschmidt dem Schreiben der Kommission nicht entnommen, heißt es auf Nachfrage. Es habe bisher auch keine Rücktrittsforderungen aus dem Thüringer Sport gegeben. LSB-Vize Dirk Eisenberg aber schert aus und rät Beilschmidt öffentlich zum Rücktritt.

Das ist nun der Punkt, an dem der DOSB ins Spiel kommt. Beziehungsweise: kommen sollte. Denn immerhin geht es auch um die Frage, wie nötig eine von ihm einstmals gegründete Kommission ist, wenn aus deren Ergebnissen jeder das rauslesen darf, was er will. Doch der DOSB möchte sich in diese Causa nicht einmischen. Die Zentrale des deutschen Sportes, die ansonsten in der Lage zu sein scheint, überall hineinzuregieren, beruft sich darauf, dass der Landessportbund autonom sei. Die Kommission gebe in ihrer Stellungnahme Hinweise, "wie eine angemessene Reaktion aussehen kann. Es war und ist Aufgabe des LSB Thüringen und seiner Führung sowie von Rolf Beilschmidt, auf dieser Grundlage die für sie richtige Entscheidung zu treffen", sagt Vorstandschef Michael Vesper.

Aber auf die zentrale Frage, ob er durch das Verhalten des LSB und von Beilschmidt die Empfehlungen der Kommission umgesetzt sieht, antwortet der DOSB nicht.

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