Sportpolitik:Johannes Dürr dopte auch noch 2018

Der Kronzeuge in der Affäre ums Erfurter Doping-Netzwerk schwer belastet.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Im vergangenen Herbst trat Johannes Dürr noch als geläuterter Dopingsünder auf. Der Langläufer, der 2014 wegen eines Epo-Befundes von den Winterspielen in Sotschi ausgeschlossen worden war, versuchte sich an einem Comeback, das ihn nach ausgesessener Sperre und trotz heftigen Streits mit Österreichs Skiverband (ÖSV) noch zur Nordischen Ski-WM nach Seefeld bringen sollte. Und er legte erst gegenüber ARD-Journalisten, dann bei der Staatsanwaltschaft ein Geständnis ab; insbesondere darüber, wie er 2013/14 mithilfe eines Erfurter Netzwerkes Blutdoping betrieben hatte. Das war der Auslöser für die "Operation Aderlass" und die Enttarnung des Zirkels durch die Behörden.

Nun zeigt sich, dass Dürr in dieser Zeit noch etwas anderes tat: nämlich weiter Blutdoping zu betreiben, nach SZ-Informationen mithilfe jenes Erfurter Netzwerkes um den Sportarzt Mark Schmidt. Am Mittwoch teilte die Staatsanwaltschaft Innsbruck mit, dass der Österreicher dies gestanden habe. Weil er für sein Comeback online um Gelder warb, bestehe der Verdacht auf Sportbetrug. Laut ARD soll Dürr Blutdoping für Spätsommer, Oktober und Dezember 2018 in Deutschland (Irschenberg), Österreich (Schladming) und Schweiz (Campra) eingeräumt haben. Dürr war am Dienstag festgesetzt und nach seiner Aussage wieder freigelassen worden.

Daneben ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts, dass Dürr andere Sportler an das Erfurter Netzwerk weitervermittelt habe. Dürr bestreitet dies. Auffallend ist in jedem Fall, wie von manchen Seiten nun der Versuch unternommen wird, dem Kronzeugen Dürr eine besonders schmutzige Rolle zuzuschreiben.

Als Belastungszeugen für den Vorwurf gelten die beiden österreichischen Langläufer Dominik Baldauf und Max Hauke, die vergangene Woche als Blutdoper enttarnt und festgesetzt worden waren. Sie gaben nun der Kronen-Zeitung ein Interview. Das Blatt ist wiederum ein Sponsor des ÖSV, und während Dürr den Verband beim Dopingthema auch belastet hatte, entschuldigten sich Baldauf und Hauke - und fanden, dass sie der ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel völlig zu Recht als "Langlauf-Trottln" bezeichnet habe.

Baldauf sagte auch, dass er Dürr 2016 getroffen und ihm berichtet habe, dass die Leistungen von ihm und seinem Kollegen Hauke stagnierten. Da habe Dürr erklärt, "dass es ohne Doping nicht möglich sei, an die Spitze zu kommen. Und dass uns sein Erfurter Arzt helfen könne." Allerdings fügte Hauke in dem Gespräch an: "Letztlich beschlossen wir, Kontakt zu dem Mediziner aufzunehmen." Solche Darstellungen zumindest dürften den Ermittlern wohl noch nicht ausreichen, um von einer "Vermittlerrolle" Dürrs zu sprechen. Dürr stritt eine derartige Rolle bei seiner Vernehmung ab.

In mancher Reaktion aus dem organisierten Sport war am Mittwoch eine gewisse Schadenfreude über die neuen Erkenntnisse zu vernehmen. Dabei müssen die Protagonisten aufpassen, dass dies nicht zu voreilig geschieht. Denn der Fall Dürr, jener eines offenbar unverbesserlichen Dopers, zeigt, wie tief die Überzeugung wurzelt, dass es ohne illegale Hilfen nicht wirklich vorwärts geht. Und zudem sind zwei Sachverhalte zu unterscheiden. Der eine ist, was Dürr selbst an möglicherweise strafbaren Handlungen tat. Der andere, was er unbestreitbar mit seinem Geständnis angestoßen und ausgelöst hat.

Die Behörden sprechen von einem "weltweit agierenden Netzwerk", das sie deswegen ausgehoben haben wollen. Dürr hatte ihnen die Köpfe der Erfurter Zelle genannt. Durch eigene Observierungen hatten die Behörden fünf verdächtige Langläufer ausfindig gemacht und diese in der vergangenen Woche festgesetzt - ebenso wie den mutmaßlichen Drahtzieher Schmidt und drei seiner Komplizen. Durch Aussagen der Verdächtigen sowie das gestiegene Enttarnungsrisiko für bisher nicht bekannte Kunden gab es weitere Fälle: Acht Sportler aus drei Nationen sind schon identifiziert, sechs Langläufer und zwei Radprofis. Und da die Behörden um die 40 Blutbeutel sicherstellen konnten, dürfte es noch weitere Namen geben.

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