Sportpolitik:Gratulation, Herr Präsident

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IOC-Chef Jacques Rogge sorgt mit seiner Absichtserklärung auf eine zweite Amtszeit für trügerische Ruhe im Ringe-Zirkel. Als ein Verlierer dieses Vorhabens gilt Thomas Bach.

Jens Weinreich

In der wichtigsten Personalfrage des Weltsports sind die Weichen gestellt. Nach Monaten der Sprachlosigkeit hat IOC-Präsident Jacques Rogge beschlossen, beim nächsten Konvent im Oktober 2009 in Kopenhagen für weitere vier Jahre zu kandidieren. Dies teilte er den 110 Kollegen im Internationalen Olympischen Komitee nun mit. Im Brief nennt er die Erfolge seiner Amtszeit, die er 2001 als Nachfolger von Juan Antonio Samaranch begann. Das IOC, sagt Rogge, "ist heute stärker und vereinter denn je".

Der Belgier Jacques Rogge plant eine zweite Amtszeit als IOC-Chef, doch nicht alle Sportfunktionäre scheinen glücklich darüber. (Foto: Foto: dpa)

Es kommt nicht auf den Wahrheitsgehalt dieser Zeilen an, nur auf die Botschaft: Ich mache weiter bis 2013. Rogge hob auch heraus: "Die olympische Bewegung erfreut sich finanziell bester Gesundheit. Die finanziellen Reserven des IOC haben sich verdreifacht." Gut zu wissen in diesen schwierigen Zeiten.

Olympische Jugendspiele als Antrieb

Das stärkste Argument für eine Amtsverlängerung des 66 Jahre alten Belgiers waren stets die Olympischen Jugendspiele. Diese im Detail unausgegorene Veranstaltung, deren Konzept im Frühjahr 2007 flott zusammen geschustert wurde, will Rogge am 14. August 2010 in Singapur eröffnen - und damit sein Vermächtnis hinterlassen. Die Jugendspiele sollen den Olympischen Spielen neuen Schub verleihen: Als Testballon für Sportarten und Disziplinen. Als Marketingtool. Auch sollen dem olympischen Spitzensport frische Kader serviert werden.

Rogge hat mit seinem langen Zögern viele Spekulationen genährt. Er war in den vergangen Tagen viel unterwegs, hat die Lage sondiert und alte Allianzen erneuert. Zum Kurzbesuch war er in Acapulco beim Gipfel der panamerikanischen NOK-Vereinigung Paso, bei den Commonwealth-Jugendspielen in Indien, bei Asiens Beachspielen auf Bali und dem Konvent des Olympischen Asiatischen Councils. Die Unterstützung des einflussreichen Paso-Chefs Marion Vazquez Rana, der auch Chef der NOK-Weltvereinigung Anoc ist, erneuerte Rogge elegant: Er erlaubte Rana, 2010 zur Feier der 200-jährigen Unabhängigkeit Mexikos eine Art Mini-Olympia auszurichten.

Mit seiner Erklärung bestimmt Rogge plötzlich wieder den Lauf der Dinge. Aus dem Kreis jener, die als potenzielle Nachfolger gehandelt wurden, wird kaum einer gegen ihn kandidieren. Der Deutsche Vizepräsident Thomas Bach (54) und der Ukrainer Sergej Bubka (44) würden so ein Risiko, das einem Putsch gleich käme, nie eingehen. Richard Carrion (55), ein Banker aus Puerto Rico, zählt wirklich zu Rogges Freunden - er fällt für eine Gegenkandidatur aus.

Als Verlierer im olympischen Monopoly darf derzeit DOSB-Chef Bach gelten. Der gern im Windschatten Großer Vorsitzender operierende Fechtmeister galt manchen als favorisiert, falls Rogge auf eine zweite Amtszeit verzichten sollte. Bachs Chance auf den Thron wäre 2009 wohl deutlich größer als 2013 - für den Termin arbeitet die von Wladimir Putin geführte Russen-Fraktion gewaltig: Die Sportkameraden und Oligarchen wollen Bubka installieren. Bach nahm Rogges Verkündung professionell zur Kenntnis, klang aber alles andere als zufrieden: "Glückwunsch für die Entscheidung. Er hat meine volle Unterstützung und Loyalität. Gute Entscheidung." Auf die Frage, was das für ihn bedeute, presste er hervor: "Dass ich ihn voll unterstütze, wie ich das vorher auch gesagt habe."

Gern wird nun behauptet, Rogges Wiederwahl sei hundertprozentig sicher. Doch wer vermag die enormen Fliehkräfte in der Welt Olympias einzuschätzen?

Wichtige Entscheidungen beim IOC

Es ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten in unsicheren Zeiten, in denen Olympiaausrichter wie London und Sotschi waghalsige Finanzabenteuer eingehen - nahe am Desaster. Zudem bemüht sich das IOC ausgerechnet in der weltweiten Finanzkrise um milliardenschwere TV-Verträge für den Zyklus 2013 bis 2016. Zeitgleich läuft die Bewerbung um die Sommerspiele 2016 mit den Finalisten Chicago, Tokio, Madrid und Rio de Janeiro, die ebenfalls im Oktober 2009 entschieden wird. Manche werfen Rogge vor, dass er im Juni ohne Not den finanziell potentesten Olympiabewerber Doha aus dem Rennen nahm. Der Verzicht auf die Gas- und Ölmilliarden aus Katar sei ein taktischer Fehler gewesen, heißt es. Dagegen war Bach, Geschäftspartner und Interessenvertreter arabischer Investoren, ein Fürsprecher Dohas.

Um sich abzusichern, muss Rogge seine angestrebte Amtsverlängerung mit Erfolgen unterlegen, etwa mit fulminanten TV-Verträgen in den USA und Europa. Sonst sind jähe Wendungen nicht ausgeschlossen. Die wachsende Unzufriedenheit mit dem Präsidenten hat auf der IOC-Session in Peking der Kanadier Richard Pound verbalisiert, der Rogge vorwarf, das Ruder nicht mehr in der Hand zu haben. Äußerst dürftig ist Rogges Öffentlichkeitsarbeit. In den nächsten Wochen will er einen Nachfolger für die scheidende Kommunikationsdirektorin Giselle Davies präsentieren. Doch mit einer Person allein ist da nichts zu retten.

Im Brief an die Kollegen versprach Rogge auch, Anfang 2009 ein Programm vorzulegen. In seinem Umfeld heißt es, der Präsident sei entschlossen, einige seiner Versprechen, die er 2001 zum Amtsantritt gegeben hat, doch noch umzusetzen. "Er wird wieder energischer auftreten, weniger wie ein Diplomat", sagt ein Vertrauter. Die Frage ist: Kann er das überhaupt noch?

© SZ vom 28.10.2008/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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