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"Asymmetrische Linien", "ausgeprägte Farbkontrast": So bewunderte das IOC in den sozialen Medien einen Skifahrer mit Hitlergruß, der das Poster der Olympischen Winterspiele 1936 prägte.

(Foto: Photo 12/imago)

Das Internationale Olympische Komitee setzt weiter Bestmarken in Sachen Zynismus: Es bewirbt Plakate von Hitlers Propagandaspielen ohne Einordnung - und betont gleichzeitig seine "politische Neutralität".

Von Johannes Knuth, München

Lust auf einen kleinen olympischen Kulturwettbewerb? Ganz im Sinne von Baron Pierre de Coubertin, dem Schöpfer der Neuzeitspiele, der nicht nur die Körper der Olympioniken fordern wollte, sondern auch deren Geist? In der Medienabteilung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) fanden sie es vor kurzem jedenfalls ganz originell, ihre Gefolgschaft in den sozialen Medien historische Plakate der Olympischen Neuzeitspiele bewerten zu lassen. Da war das Poster der Winterspiele von St. Moritz 1928, Schweizer Flagge, die fünf IOC-Ringe, verschneite Berge - eine Hommage an die Touristenwerbung der damaligen Zeit, wie das IOC im Stile eines Museumsführers bemerkte. Auch hübsch: Das Plakat der Winterspiele 1932 in Lake Placid, die dünne Silhouette eines Skispringers vor der sehr dicken Landkarte der Vereinigten Staaten.

Und dann erst der Skifahrer, den Ludwig Hohlwein auf das Plakat der Spiele 1936 in Garmisch-Partenkirchen pinselte. Der gefiel den Kunstkritikern des IOC richtig gut, die heroische Pose, das erhobene Kinn und überhaupt: diese "asymmetrischen Linien" und der "ausgeprägte Farbkontrast"!

"Gefällt es Euch?", fragten die IOC-Macher in die digitale Runde?

Ein paar klitzekleine Aspekte, die ihnen bei dem (mittlerweile gelöschten) Beitrag leider entgangen waren: Der Skifahrer auf dem Plakat reckt den rechten Arm zum Hitlergruß. Das Poster ist überhaupt eines der bekannteren Werke des Künstlers Hohlwein, der wie kaum ein Zweiter das Erscheinungsbild des Terrorstaats prägte; der so auch Rassentheorien und Massenverführung lancierte. Und damit herzlich willkommen zur nächsten Episode aus der beliebten Reihe, was das IOC unter politischer Neutralität versteht. Hitlers Propagandaspiele für Werbezwecke auszuschlachten, die historischen Werke dabei ihres Kontexts zu entkleiden und zu verharmlosen - das ist natürlich völlig unpolitisch.

Das IOC-Mitglied Richard Pound gibt ein bemerkenswertes Interview - in negativer Hinsicht

Sehr wohl politisch wird es, wenn Menschenrechtler und Aktivisten vom IOC verlangen, dass die Gastgeber der Olympischen Spiele Menschenrechtsstandards respektieren mögen. Wie zum Beispiel demnächst in China. Solche Wortmeldungen verbieten sich selbstredend, das unterstrich der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach jetzt noch einmal auf dem Olympic Summit, einem Gipfeltreffen ohne jedes Beschlussrecht (dafür mit reichlich Pathos): "Der Olympische Gipfel stellt sich gegen jede Form der Politisierung der Spiele und betont die politische Neutralität der gesamten olympischen Bewegung", hieß es da.

Bach lag damit auf Kurs, die Zynismus-Wertung mal wieder routiniert auf seine Seite zu ziehen. Allerdings hatte er nicht mit Richard Pound gerechnet. Das IOC-Mitglied aus Kanada, über viele Jahre ein für olympische Maßstäbe unbequemer Geist der Bewegung, war zuletzt wieder stramm im Dienst des Ringe-Clans unterwegs. Jetzt fragte ihn ein Reporter des Deutschlandfunks unter anderem, was mit Athleten passieren könnte, die während der nahenden Peking-Spiele darauf hinweisen, dass China einen Völkermord an den Uiguren begeht. Pound säte zunächst einmal Zweifel an den Vergehen der Chinesen ("Das, was als Fakt behauptet wird, muss nicht unbedingt stimmen"). Dann schlug er vor, dass die Vorwürfe unabhängig geprüft werden müssten - gute Idee in einem Land, das wie kaum ein anderes jede Form der externen Aufsicht zerquetscht hat. Vielleicht, sinnierte Pound, könnten die Chinesen das aber zumindest mal in Betracht ziehen?

Endgültig kabarettreif wurde es, als der Moderator Pound fragte, ob dieser etwa die gut dokumentierten Informationen anzweifele, dass Uiguren in China in Lagern interniert sind, unter schlimmsten Bedingungen. "Gibt es die wirklich?", fragte Pound mit Blick auf die Informationen. Und dann: "Sie können mich für mein Unwissen beschimpfen, aber ich weiß es nicht."

Das war unter künstlerischen Gesichtspunkten zwar nicht ganz so wertvoll wie die Plakate aus St. Moritz und Lake Placid, aber immerhin eine Hommage an das berühmte Werk der drei Affen, die über alles Schlechte hinwegsehen. Indem sie nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.

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