Sportpolitik:Gebote und Gebotenes

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) feiert seinen zehnten Geburtstag - die Zweifel an der Moral seiner Führung ebben nicht ab.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Ein Festakt zu einem zehnjährigen Bestehen ist immer der Moment für viele Reden, und diese wiederum sind der Moment für viele Zitate. Und manchmal kann es interessant sein, zu sehen, welcher Redner auf welche Zitatgeber zurückgreift. Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), baut etwa Aussagen von Konrad Adenauer und Henry Ford ein. Thomas Bach, Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), greift unter anderem auf Sätze von Papst Franziskus und UN-Generalsekretär Ban Ki-moon zurück. Die einzige Nicht-Sportpolitikerin unter den Rednern, Bundeskanzlerin Angela Merkel, bedient sich auf der Suche nach Ausrissen in der DOSB-Satzung und bei Ringer-Weltmeister Frank Stäbler, der den Ausspruch tätigte, er wisse, dass er mit seiner Sportart nicht reich werde, aber er wolle innerer Millionär werden.

"Manipulation, Doping und Korruption machen Siege zur Farce und zerstören die Glaubwürdigkeit des Sports." Bundeskanzlerin Angela Merkel

Vor zehn Jahren feierte der deutsche Sport in der Frankfurter Paulskirche die Gründung des DOSB - als Zusammenschluss von DSB und NOK. Aber richtig viel Feieranlass gibt es bei der Rückkehr an diesen Ort nicht. Im deutschen Sport sind drei Olympia-Bewerbungen nacheinander gescheitert, zwei davon bereits am Votum des Bürgers. In der angedachten Leistungssportreform gibt es viel Streit und Diskussionen mit dem Geldgeber Bundesinnenministerium. Der Widerstand gegen ein Anti-Doping-Gesetz wurde erst spät aufgegeben und in zwei wichtigen Punkten weiter aufrechterhalten. Und dazu kommen als ständiger Begleiter die internationalen Groß-Themen wie das offenkundig umfangreiche Betrugssystem in Russland oder die immer neuen Korruptionsverdächtigungen, die inzwischen nicht mehr nur den Fußball-Weltverband, sondern auch das IOC betreffen.

Ignorieren kann der Sport das natürlich nicht, aber ihm ist anzumerken, dass er jetzt lieber feiern und sich seiner eigenen Bedeutung versichern würde. DOSB-Boss Hörmann bezeichnet die Doping-Vorwürfe rund um die Winterspiele in Sotschi als "Schlag in die Magengrube" und trägt, durchaus ausgestattet mit der Gabe zum plakativen Wort, als Analyse zehn Thesen vor, von denen einige ganz gut klingen - und die IOC-Chef Bach im Anschluss als die "zehn Gebote, die Alfons Hörmann hier vom Berg der Paulskirche heruntergetragen hat" bezeichnet. Gut, ganz so wirkmächtig wie die von Moses damals vom Sinai mitgebrachten Steintafeln dürften Punkte wie "Wir wollen den Erfolg, aber nicht um jeden Preis" oder ein Hinweis auf die Sportanlagen-Lärmschutzverordnung vielleicht nicht sein. Bach wiederum wiederholt seine Formel von "Null Toleranz gegenüber Dopern" sowie seine unter der Woche getätigte Aussage, dass "die schwierige Entscheidung zwischen kollektiver Verantwortung auf der einen und individueller Gerechtigkeit auf der anderen Seite" zu treffen sei, falls bei den vielen Vorwürfen rund um die Sotschi-Spiele Fakten festgestellt würden. Weiter geht er aber nicht. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel belässt es bei den heiklen Themen bei ein paar allgemeinen Mahnungen.

Festakt 10 Jahre DOSB in Frankfurt

Predigt in der Paulskirche: IOC-Präsident Thomas Bach spricht, die DOSB-Festgemeinde lauscht.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Daneben muss der DOSB ohnehin noch ein anderes Thema moderieren. Wie die SZ am Freitag berichtete, war zuletzt der Good-Governance-Beauftragte Jürgen Thumann wegen Beschwerden über etwaige angebliche Regelverstöße des Vorstandsvorsitzenden Michael Vesper aktiv geworden. Thumann kam laut eines internen Schreiben zu dem Schluss, Vespers Verhalten in den ihm zur Kenntnis gegebenen Fällen stelle "keinen Verstoß gegen Gesetze oder den Ethik-Kodex des DOSB dar. Allerdings wird sein Verhalten, so wie es von den Hinweisgeberinnen geschildert worden ist, dem Amt des Vorstandsvorsitzenden teilweise nicht gerecht. Das Präsidium des DOSB sollte ihn an seine hervorgehobene Stellung und an seine Vorbildfunktion erinnern."

Am Freitag äußerte sich auch DOSB-Boss Hörmann dazu. "Es gab Hinweise. Wir haben das Thema professionell geprüft, wie in den Regelwerken festgelegt", sagte er. "Und es hat sich unmissverständlich gezeigt: Es gibt nichts, was in irgendeiner Weise auf einen Verstoß hinweist." Das Präsidium, das Donnerstag getagt hatte, stünde einstimmig und ohne jede Abstriche hinter Vesper und werde die Zusammenarbeit mit ihm bis 2017 fortsetzen.

Thumanns Schreiben fußt auf dem Bericht eines Ombudsmannes, den der DOSB im Februar eingesetzt hatte. Ob dies ausreicht, um den Fall abzuschließen, stellte die SPD-Bundestagsabgeordnete und Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag infrage. "Wer als Verband eine Null-Toleranz-Haltung im moralisch-ethischen Bereich wie eine Monstranz vor sich her trägt, muss sich auch im eigenen täglichen Verhalten daran messen lassen", sagte sie dem sid: "Die Frage, ob in diesem Sinne die Empfehlungen des Herrn Thumann zur Bewertung der gemachten Vorhaltungen gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden weit genug gehen, muss gestellt werden."

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