Sportpolitik:Gelöschter Satz bringt DOSB in Bedrängnis

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Auf den DOSB kommen unangenehme Fragen zu. Wurde gegen Good-Governance-Regeln verstoßen? (Foto: Bongarts/Getty Images)

Ein geänderter Report des Deutschen Olympischen Sportbundes wirft Fragen auf: Wurde im Verband möglicherweise gegen die Verhaltensregeln verstoßen?

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Es gab viele wichtige Themen, als die Delegierten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) am 5. Dezember in Hannover zu ihrer jährlichen Mitgliederversammlung zusammenkamen. Die gescheiterte Olympia-Bewerbung von Hamburg, die Zukunft des Spitzensports. Keine große Rolle spielte damals der Tagesordnungspunkt 9.3. - das dürfte sich allerdings noch ändern.

Hinter Punkt 9.3. verbirgt sich der Bericht zum Thema "Good Governance", und dazu stellen sich inzwischen Fragen. Wenige Wochen vor dem Treffen in Hannover verschickte die DOSB-Zentrale mit ihren Tagungsunterlagen auch den Report ihres Good-Governance-Beauftragten Jürgen Thumann. Darin schrieb der frühere Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) unter dem Datum vom 16. Oktober unter anderem den Satz: "Auch Verstöße gegen die Good Governance-Regeln des DOSB sind mir nicht angezeigt oder sonstwie bekannt geworden."

Welcher Verstoß war das genau?

Eine klare Aussage. Doch es drängt sich der Verdacht auf, dass sie in dieser Form nicht korrekt gewesen sein könnte. Denn wer sich Thumanns Bericht heute auf der DOSB-Internetseite liest, findet dort eine an mehreren Punkten aktualisierte Version. Datiert ist sie auf den 3. Dezember, also zwei Tage vor der Mitgliederversammlung - und darin fehlt dieser oben zitierte Satz über keine Verstöße plötzlich.

Für die Diskrepanz zwischen altem und aktualisiertem Bericht an dieser Stelle erscheint eigentlich nur ein Erklärungsansatz plausibel: Dass eben doch ein Verstoß gegen die Verhaltensregeln des DOSB angezeigt wurde oder sonstwie bekannt geworden ist. Und natürlich wüsste man jetzt gerne: Welcher Verstoß war das genau?

Die Verhaltensregeln des DOSB sind in verschiedenen Dokumenten niedergeschrieben. 2008 beschloss der Sportdachverband einen Corporate-Governance- Kodex, 2013 folgte ein Ethik-Code und im vergangenen Oktober ein Good-Governance-Konzept. Benannt werden viele verschiedene Punkte, von der angemessenen Reaktion bei Interessenskonflikten bis zur Mahnung, man möge zwischenmenschlich respektvoll miteinander umgehen.

Die SZ hat sowohl Thumann als auch dem DOSB mehrere Fragen zu den verschiedenen Versionen des Berichts gestellt. Beide antworteten jeweils nur mit kurzen Statements. Sie erklären, dass Thumann den Bericht am 3. Dezember aktualisiert habe. Eine konkrete Begründung dafür gibt es auch auf Nachfrage nicht. Der Verband teilt lediglich mit, dass Thumann die Aktualisierung "offensichtlich für geboten hielt". Thumann beantwortet die Frage, ob aus der Weglassung des Satzes geschlossen werden darf, dass doch Verstöße angezeigt oder bekannt geworden seien, nicht. Warum diese Heimlichtuerei?

Neben der Frage nach dem konkreten Vorgang stellt sich auch die Frage, wie offen der DOSB mit der Aktualisierung des Berichtes umging. Wussten die Delegierten in Hannover von der neuen Fassung - und erhielten so erst die Gelegenheit, sich ihrerseits zu erkundigen, warum der entscheidende Satz weggelassen wurde? Beziehungsweise: Konnten sie überhaupt davon wissen? Thumann sagt, die Mitgliederversammlung habe den aktualisierten Bericht "ohne Rückfragen und Kommentare zur Kenntnis genommen". Der DOSB verweist auf eine Tischvorlage, die es beim Treffen in Hannover gegeben habe.

An dieser Stelle wird es kompliziert - und interessant. Vor der Versammlung verteilte der DOSB an die Delegierten eine aktualisierte Fassung der Tagesordnung. Darin ist gekennzeichnet, welche Tagesordnungspunkte sich auf eine "Vorlage" beziehen, also auf ein Dokument aus den ursprünglich verschickten Unterlagen, und welche auf eine "Tischvorlage". Und hinter dem Punkt 9.3. Good Governance steht: "Vorlage". Mit anderen Worten: Die Delegierten mussten anhand der gültigen Tagesordnung davon ausgehen, dass es keinen aktualisierten Good-Governance-Report gab.

Der DOSB teilt dazu mit, es handele sich bei der Kennzeichnung in der Tagesordnung "um ein Versehen". Der Versammlungsleiter, der Vorstandsvorsitzende Michael Vesper, habe aber mündlich auf die Tischvorlage hingewiesen. So oder so: Die Frage, warum der entscheidende Satz gelöscht wurde, bleibt weiter unbeantwortet.

© SZ vom 28.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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