Sportpolitik:Ein fünftes Gutachten

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Der Umgang mit der Freiburger Doping-Causa zeigt neue Probleme in der deutschen Sportpolitik auf. Demnächst könnte auch die Affäre um das berüchtigte Team Telekom noch ein Thema werden.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, München

Die Trennung ist geräuschvoll erfolgt, es beginnt die Schlammschlacht in der Freiburger Dopingcausa. Am Dienstag war die Kommission, die sich seit 2007 um die Aufhellung der Sportbetrugs-Vergangenheit an der Breisgau-Universität bemüht hatte, zurückgetreten. Entnervt von teils gut dokumentierten Widerständen in der Uni - und aus Sorge, ihr Abschlussbericht könne zensiert werden. Diese Befürchtung erhielt Mittwoch konkrete Nahrung, indem das frühere Kommissionsmitglied Andreas Singler einem offenbar zentralen juristischen Gutachter der Uni in der Doping-Causa Befangenheit vorhielt. Der Vorgang bringt die Uni in Erklärungsnot.

Daneben fragt sich, ob und in welcher Form die Erkenntnisse aus der langjährigen Forschungsarbeit an die Öffentlichkeit gelangen können. Dies wünscht auch das Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg. Die Kommissionäre planen eine Publikation, doch könnte die von interessierter Seite verhindert werden? Zudem liegt der SZ ein Schreiben des Dopingexperten und Ex-Kommissionsmitglieds Werner Franke vor. Der stellt klar, dass er Erkenntnisse aus der bisherigen Kommissionsarbeit zur Strafanzeige bringen wolle. Furcht vor unbotmäßiger Einflussnahme hatte die Wissenschaftler stets begleitet. Wie berechtigt die Sorge offenbar war, macht nun Singler in einem Pressetext deutlich, der alle übrigen Kommissionäre überrascht hat; der Heidelberger Gerhard Treutlein spricht von "einem Hammer". Singler, der 2015 das Gremium im Streit verließ, übergab einige Studien ohne Absprache mit der Kommissionsleitung dem Uni-Rektorat zur juristischen Prüfung. Dabei ging es auch um die Rolle der drei Freiburger Mediziner Joseph Keul, Armin Klümper und Herbert Reindell. Kürzlich erhielt Singler die Manuskripte zurück - dabei, erklärt er, seien ihm "seltsame" Anmerkungen des Rechtsberaters der Uni aufgefallen. Im Zuge weiterer Recherche fand er heraus, dass dieser Berater, der Freiburger Wolfgang Schmid, früher anwaltlich just einen Hauptakteur der Untersuchung vertreten habe: Armin Klümper. Auf Anfrage, ob dem Rektorat die Vergangenheit des Juristen als Klümpers Anwalt bekannt war, bestätigte die Universität am Mittwoch, die "Vorprüfung der Gutachten" Singlers sei durch Schmid erfolgt. Dieser vertrete die Uni seit Jahren medien- und datenschutzrechtlich. Dass er in den Neunzigerjahren für Klümper tätig gewesen war, war der Uni "bei Mandatierung von Dr. Schmid nicht bekannt, wurde von ihm jedoch nach Vorlage der ersten vorläufigen Prüfungsergebnisse mitgeteilt. Die Universität setzte daraufhin das ohnehin vereinbarte mehrstufige Prüfungsverfahren fort". Schmid erklärt, er habe Klümper "vor nahezu 20 Jahren" in zwei Fällen äußerungs- und zivilrechtlich vertreten. Von Befangenheit könne "keine Rede" sein. In ihrer Erklärung legt die Uni das juristische Prozedere dar, auf die Befangenheitsfrage geht sie nicht konkret ein. Das zerstreut nicht die Bedenken der Wissenschaftler. Schmid hat auch Singlers Klümper-Gutachten juristisch mitgeprüft, der Uni soll er laut Singler die Zurückweisung der Fassung empfohlen haben. Just in der Hinsicht sehen die Wissenschaftler ihre Unabhängigkeit gefährdet: Was nütze inhaltliche Freiheit, "wenn eingereichte Arbeiten von Juristen der Uni geschwärzt oder entschärft werden können?", fragt Treutlein. Noch ein Thema rückt in den Fokus. Vier Gutachten Singlers sind bisher bekannt: zu Keul, Klümper, Reindell sowie über "Systematische Manipulationen im Radsport und Fußball". Das sorgte für Wirbel im Fußball, der sich gern als sauber darstellt. Nun zeigt sich, dass der Uni noch eine fünfte Singler-Studie zuging: "Doping bei Team Telekom/T-Mobile: Wissenschaftliches Gutachten zu systematischen Manipulationen im Profiradsport mit Unterstützung Freiburger Sportmediziner".

Das ist bemerkenswert. Es gab hierzu ja bereits ein Gutachten: Zu Beginn der Freiburg-Affäre. Damals räumten Profis des Radrennstalls Doping ein, die Uni setzte ihre kleine Dopingkommission ein. 2009 legte ein Untersuchungstrio unter Vorsitz des Juristen Hans-Joachim Schäfer seinen Schlussreport vor: Es habe systematisches Doping gegeben, aber nur die langjährigen Telekom-Ärzte Lothar Heinrich und Andreas Schmid sowie ein weiterer Mediziner hätten gegen Dopingregeln verstoßen.

Damals hagelte es Kritik, die Publikation wurde als oberflächlich empfunden. Auch Singler glaubt, dass die damalige Reduktion auf Einzeltäter nicht korrekt sei: "Das kann nicht alles gewesen sein." Nun fragt sich, wie konkret sein Gutachten ausfiel. Es ist die Studie, die am weitesten in die Gegenwart reicht - und die schon deshalb besondere Sprengkraft haben könnte.

© SZ vom 03.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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