Süddeutsche Zeitung

Sportpolitik:Dinner im Élysée

Die Pariser Staatsanwaltschaft prüft die WM-Vergabe 2022 an Katar. Dabei geht es auch um den Verkauf von Neymars neuem Klub an einen katarischen Fonds.

Von Thomas Kistner

Mit dem bizarren Neymar-Transfer stürzt der FC Paris St. Germain die Sportwelt in Aufruhr und das Financial-Fairplay-System der europäischen Fußball-Union Uefa in die Krise. Auch die Profispielergewerkschaft Fifpro lehnt sich gegen den 222-Millionen-Deal auf, sie forderte am Freitag ein Einschreiten der EU-Wettbewerbskommission.

Bedrohlicher für Frankreichs angehenden Superklub PSG dürften jedoch Ermittlungen sein, die seit Mitte 2016 ablaufen - in aller Stille. Die Pariser Sonderstaatsanwaltschaft Parquet National Financier (PNF) untersucht die Vergabe der Fußball-WM 2022 an Katar; sie will wissen, ob damals auf Staatsebene geschachert wurde. Dabei spielt nach SZ-Informationen der Verkauf von PSG an Katars Investmentfonds QSI eine zentrale Rolle.

Platini soll bei dem Treffen überzeugt worden sein, für eine WM am Golf zu votieren

Im Fokus der PNF-Ermittler stehen Vorgänge in der Regierungszeit des von 2007 bis 2012 amtierenden Nicolas Sarkozy. Der Staatschef, enger Freund Katars und glühender PSG-Anhänger, hatte im Herbst 2010 im Élysée-Palast den Kronprinzen Tamim bin Hamad al-Thani mit Michel Platini zum Dinner zusammengebracht. Frankreichs Fußballheros war Uefa-Präsident und einer der 24 Wahlleute im Vorstand des Weltverbands Fifa, die über die WM-Vergabe 2018 (Russland) und 2022 (Katar) abstimmten. Die Kür erfolgte zehn Tage nach dem Festmahl.

Platini soll bei dem Treffen überzeugt worden sein, für eine WM am Golf zu votieren. Diesen Verdacht, erfuhr die SZ aus Kreisen nahe an den Ermittlungen, habe auch der ehemalige Fifa-Chef Sepp Blatter den PNF-Ermittlern bestätigt; Platini soll den späten, doch entscheidenden Umschwung zugunsten Katars bei der Fifa-Kür bewirkt haben. Die französischen Staatsanwälte befragten den früheren Fifa-Boss im April im Zuge einer Amtshilfe in der Schweiz. Sie gehen nun dem Verdacht nach, dass Platini auch drei europäische Kollegen im Fifa-Vorstand auf das Emirat eingestimmt haben soll. Platinis Sohn Laurent erhielt ein Jahr nach der Kür einen Job bei QSI und stieg dort bald zum Europa-Chef auf - also just in der Firma, der auch PSG gehört.

Platini wurde bisher nicht vernommen, wird aber noch heikle Fragen beantworten müssen.

Die Pariser Ermittler glauben, beim Fußball-Dinner 2010 unter Spitzenvertretern Frankreichs und Katars sei der Verkauf von PSG in ein Gesamtpaket eingebunden worden. Der Klub, seit 1994 ohne Meistertitel und stets in Geldnot, gehörte der US-Investmentfirma Colony Capital; nur Monate nach dem Élysée-Treff wurde er an QSI verkauft. Direktor von Colony Capital war ein französischer Freund Sarkozys. Pikant wirkt das Netzwerk überdies, weil Colony Capital Anteile an einer katalanischen Firma hielt, in deren Board der Vizepräsident des FC Barcelona saß. Dieser setzte damals mit Barça-Präsident Sandro Rosell eine Hunderte Millionen Euro teure Sponsoring-Anbindung katarischer Firmen an den FC Barcelona durch.

Sandro Rosell sitzt in Madrid in Untersuchungshaft, auch wegen des unsauberen Neymar-Transfers 2013 aus Brasilien nach Barcelona, den er als Klubchef abgewickelt hatte. Kürzlich offenbarten die Ermittlungen, dass Rosell für Beratungsleistungen für Katars WM-Bewerb 30 Millionen Euro in Rechnung gestellt haben soll.

Nur auf Kaution frei ist überdies Spaniens langjähriger Verbandschef Angel Maria Villar Llona. Er saß wie Platini viele Jahre im Fifa-Vorstand und soll ebenfalls für Katar 2022 votiert haben. Villar Llona hatte mit dem Emirat nach Aktenlage sogar einen Stimmentausch verabredet. Er war zu jener Zeit Chef der Gemeinschaftsbewerbung Spanien/Portugal für 2018, die mit Katar ihr Wählerpotenzial im Fifa-Vorstand austauschen sollte.

Die WM-Vergabe 2022 steht im Fokus von Strafermittlungen, eng begleitet von der US-Bundespolizei FBI. Zugleich versucht das Emirat mit allen Mitteln, Führungsmacht im Weltfußball zu werden. So erscheint der Neymar-Transfer als Teil eines Wettlaufs, der darauf abzielt, in Windeseile systemrelevant im beliebtesten Sport des Planeten zu werden. Und zu groß, um zu fallen?

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Quelle:
SZ vom 05.08.2017/tbr
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