Sportpolitik:Die neuen Chefs machen so weiter wie die alten

MONTEVIDEO March 29 2016 FIFA s President Gianni Infantino L greets Wilmar Valdez President; Wilmar

Brauchen einander dringend: Fifa-Präsident Gianni Infantino (links) und Wilmar Valdez, der Chef von Uruguays Fußball-Verband.

(Foto: Xinhua/imago)

Affären in Südamerikas Fußball bedrohen die Machtbasis von Fifa-Präsident Infantino.

Von Thomas Kistner

Ein Höhepunkt der Weltfußball-Geschichte: 27. Mai 2015, Zürich, Nobelhotel Baur au Lac, 6.45 Uhr in der Früh. Kriminalbeamte führen sieben Fifa-Vorstandsmitglieder ab, mitfühlende Angestellte erleichtern ihren langjährigen Kostgängern den jähen Abschied aus dem Luxusressort, indem sie diese auf dem Weg zu den Polizeiautos mit Bettlaken vor den Fotografen abschirmen. Ein Vorgang, das sich im Dezember 2015 wiederholte.

So begann Fifa-Gate: Die globale Korruptionsaffäre rund um den Weltverband Fifa (der in den Untersuchungen des FBI auf Basis des US-Anti-Mafia-Gesetzes Rico bislang noch als Opfer gilt - als Opfer korrupter Funktionsträger). Damals waren es fast ausschließlich Funktionäre aus Südamerikas Erdteilverband Conmebol, die in drei Schweizer Karzer ein- und später in die USA ausgeliefert wurden.

Beim Fifa-Gate-Auftaktprozess im Herbst 2017 in New York wurden die enthüllten Wirtschaftsverbrechen martialisch von zwei (bislang unaufgeklärten) plötzlichen Todesfällen in Argentinien und Mexiko flankiert. Zur Auflockerung der Anspannung tragen seither die Übriggebliebenen bei: Sie beteuern, dass die kriminellen Zeiten vorbei, alle Bösewichte ausgetauscht und großartige Reformen vollzogen seien. Dabei rückten fast überall die Hintersassen der überführten Sünder nach. Weshalb Conmebol drei Jahre danach unter neuer Führung das alte Bild abgibt: Topleute unter schwerem Verdacht, Vetternwirtschaft und Korruptionsermittlungen zuhauf.

Auch in der Fifa rückte Personal nach, das in der Wolle gefärbt erscheint: Der neue Boss Gianni Infantino, Walliser Dorfnachbar des Amtsvorgängers Sepp Blatter, ist nach kürzester Zeit höchst umstritten. Seine Machtbasis hat er just in Südamerika - und als er 2017 die allzu hartnäckigen Fifa-Ermittler Hans-Joachim Eckert (München) und Cornel Borbely (Schweiz) ausschaltete, die Blatter suspendiert und auch Infantino immer heftiger zugesetzt hatten, installierte der eine Kolumbianerin namens Maria Claudia Rojas. Eine Verwaltungsjuristin, die bisher kein Gespür für Ermittlungsarbeit offenbarte, dafür aber gute Drähte zu Kolumbiens Verbandschefs besaß. Der eine, Luis Bedoya, wartet in den USA auf sein Urteil, der andere, Ramon Jesurun, hat nun ebenfalls Ärger am Hals. Zuhause wird gegen ihn und andere wegen des Verdachts auf Unterschlagung und Weiterverkauf von Tickets ermittelt.

Karten für acht WM-Qualifikationsspiele Kolumbiens sollen zu weit überhöhten Preisen verhökert worden sein; der Gewinn aus 42 221 veruntreuten Tickets soll 3,8 Millionen Euro betragen. Der Landesverband FCF soll bei diesem Coup kräftig mitgewirkt haben; was er offiziell bestreitet. Doch die Vorwürfe sind über Audio-Mitschnitte gut belegt, auch koopieriert eine involvierte Agentur namens "Ticketshop" mit den Ermittlern; und schlimmer: Auch Bedoya steht auf der Verdachtsliste. Jesuruns Amtsvorgänger kooperiert mit dem FBI, seine Aussage dürfte entscheidend sein. Er verliert, falls er lügt, alle Vorteile, die er in seinem Verfahren zur Conmebol-Korruption ausgehandelt hatte.

Der Vorgang ist also pikant und bedarf dringender Klärung. Zumal FCF-Chef Jesurun nicht nur im Fifa-Rat sitzt - er war es, der Infantino die Fifa-Chefermittlerin Rojas empfahl. Preisfrage: Wird deren Ethikkammer nun den Wegbereiter und Landsmann durchleuchten?

Nach Lage der Dinge benötigen die aus Zürich dirigierten Fifa-Ethiker allmählich eine Zweigstelle in Südamerika. Wo jetzt ein weiterer Fifa-Rat in der Klemme steckt: Wilmar Valdez, Verbandschef von Uruguay, soll bei der Stadionrenovierung in Montevideo einen Anteil für sich verlangt haben. Dabei soll es angeblich auch um Fifa-Gelder gehen. Und auch dieser Vorwurf erscheint bestens dokumentiert über Audiomitschnitte, die der Auftragnehmer diskret mit seinem Handy angefertigt hatte. Valdez bestreitet in nationalen Medien die Vorwürfe, seine Wiederkandidatur für den Thron im Landesverband AUF aber zog der Fifa-Rat kurz vor der Wahl zurück.

Noch mehr Ärger droht in Peru. Dort ist der größte Fußballheld des Landes in einen Justizskandal verwickelt: Teofilo Cubillas soll, das legen auch hier geheime Mitschnitte nahe, bei einem korrupten Bundesrichter massiv Fürbitte für den Ex-Bürgermeister von San Juan de Lurigancho gehalten haben. Letzter, Carlos Burgos, wist wegen Geldwäsche und anderer Delikte zu 16 Jahren Haft verurteilt und ist auf der Flucht. Zudem soll Cubillas, gemeinsam mit Verbandschef Edwin Oviedo, einem konspirativen Treffen korrupter Juristen und Geschäftsleute beigewohnt haben.

Fußballchef Oviedo soll dem Bundesrichter überdies WM-Tickets zugeschanzt haben, als Dank für die Verschonung in einem Mordprozess, in den er verwickelt ist. Der Richter erklärt, er sei auf eigene Kosten in Russland gewesen. Auch FPF-Boss Oviedo bestreitet die Vorwürfe und trotzt allen Rücktrittsforderungen. Cubillas ist auf Tauchstation; der Held der Siebziger ist als Fifa-Instruktor in Miami tätig.

Nichts Neues also in Amerikas Süden, bei Infantinos Getreuesten. Conmebol-Chef Alejandro Dominguez hilft dem Fifa-Chef gerade dabei, die WM 2022 in Katar von 32 auf 48 Teilnehmer aufzupumpen. Der Paraguayer hat 2016 seinen Landsmann und Förderer Juan Angel Napout, den das FBI aus dem Verkehr zog, auf dem Thron beerbt. Napout wiederum war nur zwei Jahre Conmebol-Chef, nachdem 2014 sein Landsmann und Förderer Nicolas Leoz ins FBI-Visier geraten war. Insofern wundern sich Branchenkenner eher nicht, dass im Fifa-Gate-Prozess 2017 auch Dominguez' Name fiel. Bei der Conmebol hinterließ das keinen Eindruck: Im Mai wurde Infantinos Paladin hastig im Amt bestätigt. Die nächste Wahl wäre erst 2019 gewesen - aber man weiß ja nie. Und die alten Zeiten sind doch eh vorbei.

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