Sportpolitik:Die Geld-Spur zu Frankie Fredericks

Frankie

Frankie Fredericks zu aktiven Zeiten.

(Foto: getty)
  • Die Spiele in Rio stehen unter Korruptionsverdacht. Kurz vor der Kür wechselten große Geldbeträge die Besitzer.
  • Eine Spur führt zum ehemaligen Sprinter Frankie Fredericks.
  • Die französische Zeitung Le Monde fand anhand der Panama Papers heraus, dass genau am Tag der Verkündung fast 300 000 Euro auf ein Konto einer Offshore-Firma des Namibiers flossen.

Von Thomas Kistner

Vergangene Woche erst wies Thomas Bach in Interviews mit den Stuttgarter Nachrichten und dem Münchner Merkur jegliche Mitschuld des Internationalen Olympischen Komitees an der großen Branchenkrise von sich. Die Welt sei im Umbruch, dozierte der IOC-Präsident, und Olympiabewerbungen seien zum "Ziel von Anti-Establishment-Bewegungen" geworden. Und die Bürgervoten gegen die Spiele? "Die Gründe für die Rückzüge haben überwiegend nichts mit Olympia zu tun. Es sind politische Themen, die in dem jeweiligen Land eine Rolle spielen."

Dass es keine olympische Krise gibt, sondern Bürger im Westen nur Sündenböcke suchen, ist eine originelle Sichtweise. Zumal Bürger von München bis Oslo ja betont hatten, dass sie gerade mit dem IOC keine Verträge machen wollten. Das Unbehagen gegenüber dem IOC steht der öffentlichen Skepsis in Hinblick auf den Fußball-Affärenverband Fifa kaum mehr nach. Stichwort Russland-Doping, Olympia-Ruinen in Rio de Janeiro - oder Strafermittlungen auf diversen Kontinenten um Olympiafunktionäre. Mal geht es um Ticketdeals, mal um den Verdacht auf Stimmenkäufe.

Wie im jüngsten, schwerwiegende Fall - der perfekt ins Raster der Fahnder zu passen scheint. Unter Korruptionsverdacht ist nun auch die Spiele-Vergabe an Rio; einen Bericht der französischen Zeitung Le Monde bestätigten Ermittler in Paris am Freitag gegenüber der SZ. Die Finanzstaatsanwaltschaft untersucht die damaligen Vorgänge: Drei Tage vor Rios Kür bei der IOC-Session am 2. Oktober 2009 in Kopenhagen sollen rund 1,5 Millionen Dollar eines (seit kurzem inhaftierten) brasilianischen Milliardärs via Karibik an eine einschlägig bekannte Agentur namens Pamodzi geflossen sein. Die gehörte damals Papa Massata Diack, Sohn des langjährigen Chefs im Leichtathletik-Weltverband IAAF und IOC-Mitglied Lamine Diack.

Fredericks Firma erhielt an Rios Jubeltag 300 000 Dollar - reiner Zufall, sagt der Inhaber

Während Diack Senior wegen Korruptionsermittlungen 2015 seine IOC-Ehrenmitgliedschaft verlor und in Frankreich unter Hausarrest steht, wird der Sohn per Interpol-Haftbefehl gesucht; bisher lehnt der Senegal eine Auslieferung ab. Lamine Diack war, als Boss der olympische Kernsportart Leichtathletik, die graue Eminenz unter afrikanischen IOC-Leuten. Die Ermittler vermuten, Diack habe blockweise die Delegierten Afrikas bei Wahlen auf bestimmte Kandidaten eingeschworen. Dafür soll der Sohn, der bizarrerweise viele Jahre lang als IAAF-Marketingberater fungierte, über seine Firmen die Schmiergelder eingetrieben haben. Beide Diacks wiesen stets alle Verdächtigungen von sich; die jüngsten kommentierten sie nicht.

Nun zeigt die Rio-Affäre ein vertrautes Muster. Kurz vor der Kür ging eine Millionensumme aus dem Land des Wahlsiegers an Diack Junior. Dasselbe geschah im Herbst 2013: Zeitnah zur Kür des Sommerspielveranstalters 2020, Tokio, flossen 1,8 Millionen Euro aus Japan auf ein Konto des Diack-Sohnes. Hierzu ermitteln die Franzosen seit 2015, es geht um den Verdacht auf Bestechung und Geldwäsche.

Im Fall Rio rückt nun ein Olympier in den Fokus: Frankie Fredericks, IOC-Mitglied seit 2012. Zuvor gehörte der Ex-Sprinter aus Namibia acht Jahre der IOC-Athletenkommission an. Bei Rios Kür 2009 agierte Fredericks als Wahlprüfer. Danach gehörte er der Evaluierungskommission für die (Tokio-)Spiele 2020 ebenso an wie dem Prüferstab für die Spiele 2024 - dessen Chef er heute ist.

Nun fand Le Monde via den Panama Papers heraus, dass just an Rios Jubeltag in Kopenhagen 299 300 Dollar von Diack an die Offshore-Firma Yemi Limited auf den Seychellen flossen. Die gehört Fredericks. Der Mann, der die Rio-Kür überwachte, weist jeden Kontext von IOC-Wahl und Pamodzi-Zahlung zurück. Das Geld sei für einen Vertrag von 2007 geflossen. Auch sei er 2009 ja gar nicht IOC-Mitglied gewesen.

Fredericks weist jeden Verdacht strikt von sich

Es gibt spannende Fragen um Fredericks. Wahlprüfer war er auch 2015 in Kuala Lumpur, als Peking die Winterspiele 2022 holte: mit vier Voten mehr als die kasachische Kapitale Almaty. Damals geschah Seltsames: Plötzlich funktionierte die elektronische Abstimmung nicht. Die Kür musste handschriftlich erfolgen.

Und dass Fredericks als langjähriger Markenbotschafter für eine japanische Sportfirma dem Prüfstab der Tokio-Bewerbung angehörte? Stellte aus IOC-Sicht offenbar kein Interessenskonflikt dar. Er habe, sagte Fredericks Le Monde, die Geschäftsbeziehung bei der IOC-Ethikkommission offengelegt. Der hauseigene Stab war vor den Spielen 2016 in die Schlagzeilen geraten: Als er der russischen Doping-Whistleblowerin Julia Stepanowa die ethische Eignung absprach, in Rio zu starten.

Fredericks weist jeden Verdacht strikt von sich. Und das IOC? Sagte, es wolle mit den Ermittler kooperieren. Fredericks habe schon "seine Unschuld beteuert, unmittelbar nach Kontaktaufnahme durch den Journalisten". Und er habe ja die IOC-Ethiker zur vollständigen Klärung angerufen.

Das wollen nun auch die Pariser Ermittler tun; Fredericks soll befragt werden. Im Mai hat der Fachmann für Städtewahlen einen Termin an der Seine - mit seinen Prüfern bei Paris 2024. Wetten sollte man nicht darauf, dass es dazu noch kommt.

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