Sportpolitik:"Die Fifa hat nichts begriffen"

Nach einem vernichtenden Bericht über den Fußball-Weltverband fordert der Europarat eine unabhängige Aufsicht über den Präsidenten Gianni Infantino und seine Kollegen. Ziel ist auch ein Stop der Finanzexzesse.

Von Thomas Kistner

Wochenlang legte sich die Fifa ins Geschirr, um den massiv kritischen Bericht des Europarats zu ihrer inneren Verfassung zu torpedieren, den die Abgeordnete Anne Brasseur (Luxemburg) erstellt hatte. Sogar persönliche Angriffe enthielt die PR-Offensive, die die Fußballfunktionäre bei allen nationalen Delegationen lancierten, Brasseurs Fraktion ausgenommen. Nun das: Die Parlamentarier-Versammlung des Europarats forderte am Mittwoch in Straßburg von der EU die Einrichtung einer "unabhängigen Aufsichtsstelle", zur Überwachung der Geschäftsführung von Fußballverbänden. Das Augenmerk sei explizit auf "Ethik und integre Wahlen" zu richten; also auf die chronischen Schwachstellen des Fußball-Weltverbandes.

Dass die Fifa unter ihrem Boss Gianni Infantino Intransparenz und autokratische Strukturen aus der Vorgängerzeit beibehielt, wurde in Brasseurs Anfang Dezember vorgestelltem Bericht herausgearbeitet. So deutlich, dass die Fifa nicht nur mit Brandbriefen gegen Brasseur an die Abgeordneten agierte, sondern seit Montag mit einem Lobbyisten-Stab in Straßburg zugange war. Viele Delegationen wurden bearbeitet; gefruchtet aber, so Anne Brasseur am Mittwoch zur SZ, "hat der Aufwand offenbar nicht. Eher im Gegenteil!"

Auch die Finanzexzesse bei Spielertransfers und -gehältern sollen gestoppt werden

Ein vom Sport unabhängiges Aufsichtsorgan, wie nun gefordert, träfe die Funktionäre ins Mark. Das zeigt nicht zuletzt die wachsende Zahl internationaler Strafermittlungen rund um Vertreter des Fußballs und des Internationalen Olympischen Komitees. An die EU richtete die Versammlung außerdem die Aufforderung, die sinnfreien Finanzexzesse bei Spielertransfers und -salären zu stoppen. "Zu viel Geld", so der Bericht, "tötet den Fußball."

Weil aber gerade Fifa und IOC in alten Machtstrukturen verharren, ist es hilfreich, dass das Straßburger Votum so klar ausfiel. Bei der Debatte des Brasseur-Berichts, der die undurchsichtige Geschäftsführung der Fifa und die Führungsrolle des fürs Repräsentative zuständigen Infantino herausstellte, meldeten sich 26 Abgeordnete zu Wort. 25 unterstützten den Report, nur der Schweizer Thomas Müller wandte sich in bester Fifa-Diktion dagegen. Der SVP-Politiker gab auch eines von nur fünf Voten gegen die Entschließung ab; die übrigen vier Gegenstimmen kamen aus Aserbaidschan. Ein autoritäres Kaukasus-Regime und die Schweiz, wo korruptionsgeplagte Verbände heimisch sind, die die politische Hoheit zurückzuerobern versuchen: Diese Art Gegenwind in Straßburg ließ Europas Volksvertreter unbeeindruckt - 131 votierten für eine Kontrolle über den Sport. Akzeptieren muss die Fifa damit auch, dass ihr Reformwille in Zweifel steht. Brasseur, die am Monatsende ihr Mandat niederlegt, sagte, sie habe "noch nie so große Unterstützung" erfahren. Die Uefa habe das Problem begriffen und kooperiere, die Fifa nicht. "Das ist bedenklich. Mir wurde vorgeworfen, ich würde nicht zwischen alter und neuer Fifa unterscheiden. Aber ihre fehlende Einsicht zeigt, dass die neue Fifa wie die alte ist."

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