Am Montag saß Stephan Osnabrügge in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes und machte einen sehr zufriedenen Eindruck. Der Schatzmeister stellte den Finanzbericht fürs Jahr 2020 vor, und neben der schlichten Präsentation der Zahlen brachte er ein paar allgemeine Botschaften unter. Diese betrafen insbesondere das Thema Fiskus, das den DFB unter anderem in Form von verschiedenen Steuerstrafverfahren seit Jahren ausgiebig beschäftigt. Er sei zuversichtlich, dass diese im Sinne des DFB ausgehen würde, gab er zu verstehen, und außerdem: "Es wird häufig kolportiert, der DFB betreibe ein Steuersparmodell. Das ist blanker Unsinn." Der Verband zahle für die Erlöse Steuern wie jeder andere - "auf den DFB lässt sich nur trefflich einprügeln".
Klare Worte waren das, samt altvertrauter Botschaft: der DFB in der Opferrolle. Doch zwei Tag später herrscht schon wieder Aufregung um das Steuerthema. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung haben am Mittwoch Ermittler den Sportartikelhersteller Adidas aufgesucht. Hintergrund soll ein Verfahren sein, in dem die Staatsanwaltschaft Frankfurt prüft, ob der Verband unter anderem Sachleistungen des langjährigen Großsponsors korrekt versteuert hat. Es könnte dem Vernehmen nach um mehrere Millionen Euro gehen.
Die Staatsanwaltschaft teilte dazu mit, dass am Mittwoch ein Durchsuchungsbeschluss vollstreckt werden sollte. Eine Durchsuchung wurde "aber durch freiwillige Herausgabe der entsprechenden Unterlagen (Vertragsbeziehungen zum DFB betreffend) abgewendet". Adidas bestätigte auf Anfrage, dass das Unternehmen im Rahmen eines Steuerverfahrens, das nicht gegen Adidas selbst, sondern einen Dritten anhängig sei, mit den zuständigen Behörden vollumfänglich kooperiere. "Aufgrund der Zusage zur vollumfänglichen Unterstützung der Ermittlungen" hätten keine Durchsuchungsmaßnahmen stattgefunden.
Es geht um die Frage, ob der DFB Sachleistungen korrekt verbucht hat - und um eine Millionensumme
Das umfassendere Verfahren war nach SZ-Informationen bereits kurz vor Weihnachten 2020 eröffnet worden. Bei den Ermittlern bestand der Verdacht, dass der DFB in Lohnsteuer-Anmeldungen sowie in Körperschaft- und Gewerbesteuerklärungen von 2015 bis November 2020 unkorrekte Angaben gemacht habe. Im Fokus soll dabei auch die Verbuchung von Sachleistungen von Adidas ("Value in kind") stehen. Der Sportartikel-Hersteller unterstützt den Verband und insbesondere die Fußball-Nationalmannschaft seit Jahrzehnten nicht nur mit Millionensummen, sondern auch mit Leistungen wie Trikots, Schuhen oder Bällen. Diese gab der DFB in den Erklärungen offenkundig jedoch anders an, als sich das die Steuerbehörden vorstellten.
Dass sich die Ermittler nun mit Adidas ins Vernehmen setzen, bringt den DFB und die dortigen Verantwortlichen um Schatzmeister Osnabrügge mächtig in die Bredouille. Denn als die Staatsanwaltschaft das Verfahren vor einem Jahr eröffnete und die SZ zu Jahresbeginn den Verband mit dem Thema konfrontiert hatte, tat er so, als sei alles völlig problemlos. Ein neu eingeführtes internes System habe eine mögliche Fehlerquelle aufgezeigt, woraufhin der DFB unverzüglich eine Mitteilung ans zuständige Finanzamt geschickt habe, hieß es damals. Es müsse noch geklärt werden, "ob und in welcher Höhe überhaupt Steuern nachzuzahlen sind", und es bestünden keine "Anhaltspunkte für ein steuerstrafrechtlich vorwerfbares Verhalten".
Der Vorgang ist auch deswegen so pikant, weil der Umgang mit der Adidas-Causa DFB-intern 2020 durchaus umstritten war
Allerdings musste der DFB schon damals einräumen, dass "rein vorsorglich" und "auf Basis einer Maximalbetrachtung" eine Nachzahlung erfolgte. Dem Vernehmen nach betrug diese zirka 3,5 Millionen Euro. Offenkundig konnte der Verdacht bei den Behörden auch im Laufe eines Jahres nicht ausgeräumt werden. Stattdessen deuten die neuerlichen Unternehmungen der Behörde bei Adidas darauf hin, dass sie den Fall intensiviert. Auf eine aktuelle Anfrage zum Thema am Mittwochabend gab es vom DFB zunächst keine Antwort.
Der Vorgang ist auch deswegen so pikant, weil der Umgang mit der Adidas-Causa DFB-intern im vergangenen Jahr durchaus umstritten war. Als das Thema im Kontext einer großen Steuer-Razzia zu einem anderen Vorgang auftauchte, erkundigte sich der damalige DFB-Präsident Fritz Keller sogar intern, ob es eine Selbstanzeige gebe. Ihm soll jedoch entgegnet worden sein, dass eine solche Selbstanzeige nicht nötig sei. Ob sich das noch als Fehleinschätzung erweisen könnte?