Sportpolitik:"Das ist sehr beunruhigend"

Der Verzicht der Welt-Anti-Doping Agentur Wada auf eine Strafe gegen Russland erzeugt viel Kritik. Auch beim Deutschen Olympischen Sportbund fehlt das Verständnis für die Entscheidung.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Die erneute Nachsicht der Welt-Anti-Doping-Agentur mit Russland ruft viel Unverständnis hervor. Der Beschluss, trotz der verspäteten Übergabe wichtiger Labordaten keine Strafe auszusprechen, gebe "Anlass zu ernsthafter Sorge", teilte am Mittwoch die Inado mit, ein Zusammenschluss der wichtigsten nationalen Anti-Doping-Agenturen. Die Gruppe sei besorgt, "wie seit vielen Jahren mit zielgerichtetem, institutionalisiertem Doping umgegangen wird", heißt es weiter. Es sei klar, dass Russland "mehr Chancen und letztlich Nachsicht eingeräumt wurden, als jeder einzelne Athlet oder jedes kleine Land erwarten konnte. Das ist sehr beunruhigend."

Am Dienstag hatte die Wada entschieden, Russlands Anti-Doping-Agentur Rusada nicht erneut zu suspendieren und auch sonst keine Sanktion auszusprechen. Dabei hatte sie im September, als sie die Rusada nach zweieinhalbjähriger Sperre wieder zuließ, eine Auflage formuliert: Bis 31. Dezember sollte sie Zugang zum Original der Lims-Datenbank erhalten. Diese beinhaltet alle Vorgänge im Moskauer Labor zwischen 2012 und 2015 und soll helfen, Doping-Verfahren anzustoßen. Doch Russland händigte die Daten mit 18-tägiger Verspätung aus - und nur unter der Bedingung, dass die Wada für die Sicherung nicht eigenes mitgebrachtes Equipment benutzt, sondern in Russland gekauftes.

Noch im September hatte Wada-Boss Carig Reedie erklärt, dass die Rusada bei einer Fristverletzung erneut suspendiert würde. Nun blieb der Verstoß folgenlos. Der amerikanische Anti-Doping-Chef Travis Tygart bezeichnete das Votum als "leider erwartbar". Auch Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, gab sich kritisch. "Selbst unter Berücksichtigung, dass es eine hochkomplexe Thematik ist, fällt es schwer, die aktuelle Entscheidung gegenüber Athletinnen und Athleten, aber auch der gesamten Öffentlichkeit zu vertreten und ein solches Vorgehen der Wada für Sportdeutschland zu akzeptieren", sagte er. Rusada-Generaldirektor Jurij Ganus wiederum sagte, "dass wir damit einen Schritt vom Rand des Abgrunds weggemacht haben", aber dass die folgende Etappe schwieriger sei.

Formal erfolgte der Freispruch für Russland, indem die Wada-Exekutive und die vorgeschaltete Prüfkommission Paragraph neun des Regelwerkes ISCCS auspackten, das seit April in Kraft ist. Darin ist das Verfahren geregelt für Organisationen, die gegen den Code verstoßen, und demnach haben diese drei Monate Zeit, um einen Missstand zu korrigieren. Kenner des Codes verweisen darauf, dass dieser Passus eigentlich für eine andere Situation gemacht ist; nämlich wenn die Wada bei einem Prüfprozess erstmals Mängel feststellt. Die Rusada war aber schon im November 2015 gesperrt worden und ihre Wiederzulassung im September 2018 nur unter Bedingungen erfolgt. Die Wada beteuert nun trotzdem, man habe halt die Rusada "gleich behandeln wollen".

Bei diesem Ablauf dürfte es viele Kritiker nicht beruhigen, wenn die Prüfkommission nun sagt, dass es bei einer möglichen Manipulation der Daten oder einer mangelnden Kooperation im weiteren Verfahren "die härtestmögliche Sanktion" gebe. Zuletzt folgten bei der Wada auf solch harte Worte nie harte Taten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: