Sportler des Jahres:Die allerbeste Wahl

'Sportler des Jahres' Award 2020

Mit Maske? Ohne Maske? Weitspringerin Malaika Mihambo, in Baden-Baden als "Sportlerin des Jahres" ausgezeichnet, liefert ein zur Lage passendes Bild.

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Wer sind die prägenden Athleten in einem Jahr, wenn Sport über Monate kaum oder gar nicht stattfindet? Die Wahl zum Sportler des Jahres findet darauf Antworten, die jenseits der Punkteränge, Millimeterweiten und Zehntelsekunden liegen.

Von Barbara Klimke

Als Laudatio gab es Beethovens Waldsteinsonate, ein paar Takte nur, vorgetragen von einem Klaviervirtuosen, Igor Levit, für eine Klavierliebhaberin, Malaika Mihambo. Beethoven hatte das Stück einem Freund und Förderer gewidmet. Von dem künstlerischsten Laudator, der wohl jemals hierzulande eine "Sportlerin des Jahres" beglückwünscht hat, war es ohne Zweifel mit Bedacht gewählt. Denn die sprunggewaltige Malaika Mihambo wurde nicht nur für den weltweit weitesten Satz des Jahres in die Sandgrube, 7,03 Meter, geehrt. Sondern auch dafür, dass sie es zu ihrer Herzensangelegenheit erklärt hat, den Bewegungsdrang von Kindern in einer Zeit der massiven Beschränkungen zu fördern.

Wer ist der herausragende Athlet einer Pandemie? Wer ist die prägende Sportlerin, wenn Sport über Monate kaum oder gar nicht stattfindet, weil Wettkämpfe gestrichen werden und Hallen verriegelt sind? Wer hat die größte Mannschaftsleistung vollbracht in Zeiten, in denen ein Virus nicht nur Weltklasseathleten, sondern auch Hobbyläufern und Freizeitpaddlern die Luft zum Atmen nimmt? Auf diese Fragen hat das Sportjahr 2020 Antworten gegeben, die jenseits der Tabellenplätze, Punkteränge, Millimeterweiten und Zehntelsekunden liegen.

Denn als sich der Blick nicht mehr zwangsläufig auf die Medaillenstatistik richtete, sind die Menschen hinter den Erfolgszahlen hervorgetreten: Skispringerinnen, die Stoffmasken nähten; Handballer, die für ihre Nachbarschaft einkauften; Basketballer, die bei der Tafel halfen; Tennisprofis, die im Supermarkt Kartons schichteten oder wildfremde Leute via Video zum Heimtraining motivierten. Sie alle wurden als Kollektiv mit einem Sonderpreis geehrt. "Sport steht auch für Solidarität und Miteinander", so hat es Malaika Mihambo am Sonntag formuliert.

Exemplarisch für diesen Solidaritätsgedanken stand in diesem Jahr auch der Athletensprecher und Fechter Max Hartung, der in einer kritischen Phase der Pandemie die Courage hatte, den größten Machtblock im Sport, das Internationale Olympische Komitee, unter Druck zu setzen. Noch im März, als die Infektionskurven exponentiell stiegen, hielten das IOC und sein Präsident Thomas Bach stur am Plan der Tokio-Sommerspiele fest - zur Verunsicherung der Sportler weltweit. Hartungs frühes, kategorisches, öffentliches Nein im ZDF-Sportstudio zu seiner eigenen Olympiateilnahme fand ein weltweites Echo. Es stärkte den Widerstand gegen die Hängepartie des IOC, bis dieses schließlich einen Beschluss fasste. Wenn man so will, dann war dies der wichtigste Sieg des Jahres: ein Erfolg nicht für den Einzelnen, sondern für die Kollegen, den Hartung sogar ganz ohne Säbel ausgefochten hat.

Diese Haltung wäre eine Auszeichnung für den Sportler des Jahres in einem sportfreien Jahr zweifellos wert gewesen. Aber es fand ja trotz Pandemie noch hinreichend sportive Auseinandersetzung statt, fast ausschließlich in den finanzstarken Mannschaftsligen, die ihren Spielbetrieb fast durchgängig geöffnet hielten, um ihr auf Fernseh- und Sponsorengeld basierendes Geschäftsmodell zu retten. Die Bundesliga zog eine denkwürdige Geistersaison durch, in der es dem FC Bayern München möglich war, Meisterschaft, Pokal- und Champions-League-Sieg zu erringen. Den Titel als "Mannschaft des Jahres" bei der Sportlerwahl gab es obendrauf. Und auch der Eishockeyspieler Leon Draisaitl konnte seine famose Bilanz - 43 Tore, 67 Assists, 110 Punkte - in der NHL nur vollenden, weil die Nordamerikaner ihren Eis-Betrieb nicht einstellten. Den Titel des wertvollsten Liga-Spielers und "Sportler des Jahres" gab es auch hier als Zugabe.

Der Frauensport kann nicht mit derart finanzmächtigen Ligen dagegenhalten, die im Notfall einer Seuche trotzen. "Es gab in der Leichtathletik keine großen, außergewöhnlichen Wettkämpfe", das hat Malaika Mihambo, bereits im Vorjahr die Weltjahresbeste im Weitsprung sowie Sportlerin des Jahres, jetzt betont. Auch deshalb hat sich bei der Suche nach der Würdigsten im Land der Blick auf ihren Förderverein für Kinder gerichtet. Es ist die allerbeste Wahl gewesen.

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