Sporthistorie:Wunderboot

Wie der US-Achter 1936 in Berlin die Welt verblüffte.

Von Johannes Knuth

Das Rennen hat noch nicht begonnen, da scheint es schon, Pardon, aus dem Ruder zu laufen. Berlin 1936, Hitlers Propagandaspiele, das Finale der Ruder-Achter. Kaum jemand glaubt, dass das US-Boot mit neun jungen Männern aus der bettelarmen Provinz dem favorisierten Nazi-Boot die Show stehlen könnte. Und dann verschlafen die Amis auch noch das Startkommando. Was folgt, ist der Höhepunkt einer historischen Nacherzählung, für die der Autor Daniel James Brown nicht weniger als "Das Wunder von Berlin" als Titel gewählt hat. Aber diese Überhöhung verzeiht man ihm, wie manch literarische Verzierung. Man will schließlich wissen, wie die Außenseiter ihre Tat vollbringen, auch wenn man den Ausgang kennt. Dafür schafft es Brown meisterhaft, eine Epoche in all ihren Schattierungen auszuleuchten: von der Weltwirtschaftskrise, die Amerika damals derart fest durchschüttelt, dass der Hauptprotagonist Joe Rantz von seiner hungerleidenden Familie zurückgelassen wird, bis zur Kunst des Bootbauens. So hat Brown auch eine Hommage ans Rudern erschaffen, das einen der schönsten Gegensätze des Sports vereint: "Worin besteht der geistige Wert des Ruderns?", zitiert der Autor den Bootsbauer George Yeoman Pocock: "Selbst ganz in der gemeinsamen Anstrengung der Mannschaft aufzugehen."

Daniel James Brown: Das Wunder von Berlin. Goldmann. 2017. 14 Euro.

© SZ vom 12.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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