Sporthilfe-Chef Ilgner im Interview:"Der Sport kommt nicht mehr durch den TÜV"

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Michael Ilgner war früher Wasserballer, jetzt will der dem deutschen Sport strukturelle Impulse geben.

(Foto: dpa)

Der deutsche Sport muss sich verändern, findet Michael Ilgner, Vorstandschef der Sporthilfe-Stiftung. Im Gespräch mit der SZ äußert er sich über Risiken des Leistungssports, Medaillenansprüche und die Chancen einer deutschen Olympiabewerbung.

Von Johannes Aumüller und Claudio Catuogno

Im Würzburger Bad hängen bronzene Tafeln, auf jeder Tafel stehen die Namen von Wasserballern, die der örtliche Klub in bislang zu Olympischen Spielen entsandt hat. Auf einer Plakette steht auch der Name von Michael Ilgner. Der 43-Jährige fuhr mit der deutschen Auswahl zu den Sommerspielen 1996 in Atlanta. Mittlerweile ist Ilgner Vorstandsvorsitzender der Deutschen Sporthilfe, er kann einiges über die Risiken erzählen, denen sich ein deutscher Leistungssportler noch immer stellen muss. "Dass viele derjenigen, die für Deutschland auf dem Treppchen stehen, von ein paar hundert Euro im Monat leben, ist dem Gros der Fernsehzuschauer nicht bewusst", sagt Illgner im Interview mit der SZ (Montagsausgabe).

Ilgner plädiert für neue Ideen, neue Wege der Absicherung für Spitzensportler, die sich oft aus finanziellen Gründen den Sportfördergruppen von Bund oder Polizei verpflichten würden - obwohl das nicht ihrem Berufsziel entspricht. "Diese Sportfördergruppen sind wichtig", sagt Ilgner, er ergänzt: "Wir brauchen ein System, in dem wir jungen Menschen die Möglichkeit geben, sich im internationalen Vergleich nach oben zu arbeiten." Zum Beispiel mithilfe von Stipendien seiner Stiftung, die Sportlern derzeit immerhin bis zu 300 Euro pro Monat garantieren. Wenn man die Ergebnislisten von Nachwuchs-Weltmeisterschaften studiere, sei das aus deutscher Sicht "zum Teil erschreckend - und hier gewinnt oder verliert der deutsche Leistungssport seine Zukunft."

Ilgner macht zwei weitere, große Herausforderungen aus, denen sich der deutsche Leistungssport stellen müsse. In manchen Disziplinen erscheinen Medaillenansprüche und ehrliche Werte, die der Sport vertreten müsse, nicht immer vereinbar zu sein. "Auch bei uns wird der Sport immer anfällig für Betrug sein", sagt Ilgner. Das jüngst beschlossene Anti-Doping-Gesetz begrüße er deshalb sehr. Zudem habe der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), zuletzt "jahrelang mit machtpolitischen Fragen beschäftigt", nun endlich eine Strukturreform eingeleitet. "Weil nämlich der deutsche Leistungssport, so wie er derzeit aufgestellt ist, nicht mehr durch den TÜV kommt", glaubt Ilgner.

Der 43-Jährige hat beobachtet, dass sich viele Nationen verstärkt auf ihre Stärken konzentrieren: die Holländer auf Eisschnelllauf, die Dänen auf Badminton, die Briten auf ihre Präferenzen. "Wir hingegen haben eine unheimliche Vielfalt in unserer Sportlandschaft", sagt Ilgner. Er glaube, dass es richtig sei, diese Vielfalt zu fördern. "Aber die Vielfalt", sagt Ilgner, "darf nicht Argument dafür sein, sich vor Entscheidungen zu drücken." Man wolle im DOSB keine holländischen Verhältnisse, man dürfe aber auch nicht weitermachen wie bisher. "Sonst werden wir in zehn Jahren ganz böse Überraschungen bekommen."

Die deutsche Bewerbung für Olympische Sommerspiele 2024 begrüßt Ilgner. "Die Konzepte von Berlin und Hamburg stehen beide für eine neue Form von Ausrichtung, die der olympischen Bewegung jetzt mal guttun würde." Dass eine Ausrichtung derzeit als unrealistisch gilt, weil im benachbarten Zeitraum die Fußball-Europameisterschaft stattfindet, hält Ilgner für kein großes Hindernis. "Keiner hätte doch gedacht, dass die Spiele 2016 nach Rio gehen. Und wenn es 2024 nicht klappt", sagt er, "braucht eben auch ein deutscher Kandidat einen langen Atem."

Das komplette Interview mit Michael Ilgner lesen Sie in der Montagsausgabe der Süddeutschen Zeitung oder in der digitalen Ausgabe auf dem Smartphone oder Tablet.

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