Süddeutsche Zeitung

Doping-Urteil gegen Jan Ullrich:Cas-Richter genervt und überrascht von der Verteidigung

Der Internationale Sportgerichtshof Cas urteilt gegen Jan Ullrich: Die Richter erachten eine Verstrickung des früheren Radsport-Profis in die Doping-Affäre um den spanischen Mediziner Eufemiano Fuentes für erwiesen. Das liegt auch daran, dass Ullrich die Vorwürfe gar nicht bestreitet, sondern versucht hat, mit Hinweisen auf Verfahrensfehler das Gericht zu stoppen.

Thomas Hummel

"Ullrichs Schweigen ist so bemerkenswert wie überraschend", schreiben die Richter des Internationalen Sportgerichtshofes Cas in ihrer Urteilsbegründung. 24 Seiten lang erklären Romano Subiotto, Ulrich Haas, Hans Nater und David Rosner, wie sie zu dem Schluss gekommen sind, dass der frühere deutsche Radsportheld Jan Ullrich gedopt haben muss. Und dabei tritt an einigen Stellen ihr Ärger über die Verteidigungsstrategie der Ullrich-Seite auch schriftlich deutlich zutage.

Denn es ist keineswegs so, dass Jan Ullrich während des Verfahrens die Dopingvorwürfe gegen ihn im Zusammenhang mit der Affäre um den spanischen Doping-Arzt Eufemiano Fuentes bestritt. Nachdem die Disziplinarkammer des Olympischen Komitees der Schweiz die Angelegenheit Ullrich wegen angeblich fehlender Zuständigkeit im Februar 2010 zu den Akten gelegt hatte, klagte unter anderem der Radsport-Weltverband UCI beim Cas.

Die UCI tat das aus folgenden Gründen, wie auf Seite 18 der Richterbegründung steht:

1. Fuentes war verwickelt in Doping-Dienstleistungen an Sportlern.

2. Ullrich reiste mehrere Male in die Gegend von Fuentes und Hinweise bei Fuentes legen nahe, dass Ullrich einige Male in persönlichen Kontakt mit ihm trat.

3. Ullrich zahlte Dr. Fuentes beträchtliche Summen (2004 25.003,20 Euro, 2006 55.000 Euro).

4. DNS-Analysen zeigten, dass Jan Ullrichs Blut in einigen Beuteln in Fuentes' Haus lagerten.

Zu all diesen Vorwürfen sagte Jan Ullrich nichts. Stattdessen versuchten er und seine Anwälte auf verschiedene Verfahrensfehler hinzuweisen, wegen derer das Gerichtsverfahren eingestellt werden sollte. Einmal soll eine Regel der UCI missachtet worden sein, ein anderes Mal sei das Cas gar nicht zuständig. Einmal moniert die Ullrich-Seite, dass im Jahr 2006, als der Fuentes-Skandal aufgedeckt wurde und Ullrich von der Tour de France suspendiert wurde, der Schweizer Verband ihm nicht wie gefordert binnen zwei Tagen eine Vorladung geschickt habe.

Dieser Einwand sei sogar richtig, sagten die Cas-Richter, aber unerheblich in diesem Verfahren. Mit weiteren Einwänden dieser Art nervte die Ullrich-Seite die Richter merklich. Weil der frühere Radrennfahrer zur Sachlage nichts aussagte, kamen die Richter zu dem Schluss, dass "Ullrich zumindest in Blut-Doping verwickelt" sei.

Daraus folgt, dass Ullrich eine Zweijahressperre erhält, rückwirkend vom 22. August 2011 an und dass all seine Ergebnisse seit Mai 2005 gelöscht werden. Darunter sein dritter Platz bei der Tour de France 2005, ebenso den Sieg bei der Tour de Suisse 2006. Einen Antrag des Rad-Weltverbands UCI, Ullrich lebenslang für alle Aktivitäten im Radsport zu sperren, wies der Cas ab.

Am Mittwoch noch wirkte Jan Ullrich bei einem Sponsorentermin in Bielefeld gelöst. Er wird Markenbotschafter der Pharma- und Kosmetikunternehmensgruppe Dr. Wolff (Alpecin). Die Firma engagiert sich im Amateur-Radsport und veranstaltet in Bielefeld auch ein Rennen. Dass der Konzern seine bekannten Shampoos nun ausgerechnet mit dem Slogan "Doping für die Haare" bewirbt, wirkt in diesen Tagen fast grotesk.

Das Thema Doping verfolgt Jan Ullrich seit Jahren hartnäckig. So hartnäckig, dass der frühere Radsport-Profi in Bielefeld diesen Donnerstag einen "Glückstag" nannte, weil dann endlich ein Urteil gesprochen werde in seinem Fall.

"Egal, wie es ausgeht: Ich hoffe auf ein faires Urteil", hatte Ullrich gesagt. Mit der Formulierung "Ich habe nie jemanden betrogen" hatte er Doping stets bestritten. Ullrich berichtete von einer schweren Zeit. "Ich habe sechs Jahre auf das Urteil gewartet", sagte er. "Ich habe sehr viel leiden müssen, bis hin zum Burnout. Das ist eine langwierige Geschichte, die mit dem Urteil für mich abgeschlossen ist. Der Urteilsspruch wird nichts an meiner Zukunft ändern."

Der 38-Jährige kündigte zudem eine Erklärung an. Nach dem Urteil könne er "noch einmal Stellung nehmen. Und dann hak' ich das Thema ein für allemal ab." Er gab auch Fehler in der Vergangenheit zu: "Mit Fehler meine ich, dass ich vielleicht früher hätte etwas sagen müssen", unterstrich er. "Das wird sich alles aufklären." Nach der Urteilsverkündung am Donnerstag kündigte auch sein Manager Falk Nier eine Stellungnahme für Donnerstagabend oder Freitagmorgen an.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1280057
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/dpa/hum/cat
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.