Sportfreunde Lotte:Busfahrer am Autobahnkreuz

Mit Krämpfen und in Unterzahl überraschen die Sportfreunde Lotte den nächsten Erstligisten.

Von Martin Schneider

Im deutschlandweiten Sportfreunde-Ranking liegen die Sportfreunde Lotte nun deutlich vor den Sportfreunden Siegen, aber noch immer ein Stück hinter den Sportfreunden Stiller. Um die Band aus München einzuholen, müssten die Fußballer aus Westfalen in der nächsten Pokal-Runde am besten Borussia Dortmund oder Bayern München besiegen. Aber auch so sind sie ganz glücklich in dem Ort, den große Teile Deutschlands bisher nur in Verbindung mit dem Wort "Autobahnkreuz" kannten.

4:3 im Elfmeterschießen bezwang der kleine Verein aus dem 13 500-Einwohner-Ort nun Bayer Leverkusen in der zweiten Runde des DFB-Pokals und zog damit nach dem Sieg über Werder Bremen in der ersten Runde sogar ins Achtelfinale ein. "Das kann man nicht beschreiben. So ein Gefühlschaos habe ich im Leben selten erlebt", sagte Torwart Benedikt Fernandez nach dem Spiel.

Fernandez, der elf Jahre seines Fußballer-Lebens in Leverkusen verbrachte, hatte zwei Elfmeter pariert, darunter den entscheidenden von Julian Baumgartlinger. Der Keeper riss den linken Fuß hoch zum Ball und blieb anschließend mit einem Krampf im rechten Bein liegen. Wenn sich selbst beim Torwart der Wadenmuskel zusammenzieht und nicht mehr locker lässt, kann man abschätzen, welchen Kampf eine Mannschaft geführt haben muss. "Wir haben uns in den letzten zwei Jahren eine gewisse Mentalität angeeignet", sagte Lottes Trainer Ismail Atalan.

Tatsächlich hatte sein Team ein Spiel gegen einen Champions-League-Teilnehmer gewonnen, in dem sehr viel gegen den Drittligisten lief. Erst der Rückstand durch Kevin Volland (25. Minute), kurz darauf erkannten die Schiedsrichter ein reguläres Lotte-Tor nicht an. Nach dem 1:1 durch ein Eigentor des Leverkuseners Roberto Hilbert (47.) sah der erst kurz zuvor eingewechselte Tim Wendel Gelb-rot. Trotzdem kam Lotte auch nach dem erneuten Rückstand in der Verlängerung durch Volland (95.) noch einmal zurück, schoss durch Kevin Freiberger das 2:2 (105.) - und lag zum krönenden Abschluss auch im Elfmeterschießen zunächst hinten.

"Diese Mannschaft kann auch ein Busfahrer trainieren, so gut ist die", sagte Atalan nach dem Spiel unnötig bescheiden. Die Sportfreunde haben einen klaren Stil, und sowohl gegen Bremen als auch gegen Leverkusen war die Mannschaft keineswegs nur mit diesem typischen Mauern-und-Kontern-Fußball erfolgreich, den unterklassige Teams im Pokal üblicherweise spielen. Gegen Leverkusen stand Lotte oft hoch und offensiv, gab 15 Torschüsse ab und spielte nur 90 Pässe weniger als der Bundesligist - und das trotz 40 Minuten in Unterzahl.

Atalan, dessen bekannteste Trainerstation bisher der SC Roland Beckum in der Oberliga Westfalen war, saß am Mittwoch schon wieder im Unterricht, weil er gerade seinen Fußballlehrer-Schein in Köln macht. Der Trainer hat die Sportfreunde in diesem Sommer aus der Regionalliga in die dritte Liga geführt; dort steht der Verein nach zwölf Spielen auf Rang vier. Durch den Einzug in die dritte Pokalrunde erhält der Klub 1,1 Millionen Euro extra, eine schöne Zusatzeinnahme, wenn man bedenkt, dass es in der dritten Liga insgesamt nur 800 000 Euro TV-Geld gibt.

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