Süddeutsche Zeitung

Sportflaute im Norden:Hamburg wird immer unsportlicher

  • Olympia, Handball, Volleyball und jetzt Eishockey: Kaum ein Sport hält sich mehr in der Stadt Hamburg.
  • Die Suche nach Gründen gestaltet sich schwierig.
  • Der reichen Stadt im Norden bleibt nur noch der ehrwürdige HSV.

Von Carsten Eberts

Es ist nicht lange her, da war die Stadt Hamburg schrecklich stolz auf ihre Sportlichkeit. In fast allen Sportarten, die ein Massenpublikum anziehen, konnte sie Erstligisten aufweisen: im Handball, im Eishockey, im Fußball sowieso, aber auch im Volleyball oder Hockey. Keine andere deutsche Großstadt konnte da mithalten, was die Leistungsdichte angeht.

Der große Coup sollte die Bewerbung um die Olympischen Sommerspiele 2024 werden. Berlin sollte übertrumpft, München noch weiter abgehängt werden, so der Plan. Wer an Spitzensport in Deutschland denkt, dem sollte sofort Hamburg in den Sinn schießen.

Das ist wenige Monate her und von den großen Plänen ist kaum etwas geblieben. Es wirkt vielmehr, als habe eine Sturmflut alles mit sich gerissen. Es begann, als die Hamburger sich mehrheitlich gegen die großen, nur leider auch kostspieligen Olympiapläne ihrer Stadt aussprachen, per Referendum, das war im November 2015. 51,6 Prozent der Bürger stimmten gegen die Sommerspiele - ein Schock.

Anschließend kippten die Vereine und Großereignisse wie Dominosteine. Erst meldeten die Handballer des HSV Hamburg (2013 noch Champions-League-Gewinner) Insolvenz an. Sie wollen nun in der dritten Liga neu starten. Auch die Volleyballerinnen des VT Aurubis haben ihr Bundesligateam eingestampft. Schlecht steht es außerdem um das prominente Radrennen der Stadt, die Cyclassics, für das die Finanzierung nur noch 2016 gesichert ist. Und auch für den Hamburger Rothenbaum, wo einst internationales Spitzentennis gespielt wurde, gibt es Abrisspläne.

In diese Reihe passt die Nachricht vom Mittwoch, wonach sich die Hamburg Freezers, das Eishockey-Team der Stadt, aus der DEL zurückziehen. Der Besitzer, die Anschutz Entertainment Group, möchte sich von den Freezers trennen, ein neuer Partner, der den Klub übernimmt, konnte offenbar nicht gefunden werden. Passiert bis zum 24. Mai kein Wunder, ist das Ende des professionellen Eishockeys in der Stadt besiegelt. "Für die Region eine Katastrophe", klagt Franz Reindl, Präsident des Deutschen Eishockey Bundes. Auch Mannschaftskapitän Christoph Schubert twitterte:

Olympia, Handball, nun Eishockey: Vom "Triple-Schock" ist gar die Rede. Eine Sportstadt ist Hamburg bald nicht mehr, eher ein Sportstädtchen.

Die Suche nach den Gründen ist schwierig, denn eigentlich ist Hamburg eine reiche Stadt. Nur scheinen sich die Klubs entweder finanziell zu übernehmen (siehe HSV Handball), oder sich die falschen Wirtschaftspartner zu suchen (siehe Freezers), die das Interesse am Standort verlieren. "Hamburg bleibt eine internationale und ambitionierte Sportstadt", sagt Hamburgs Sportstaatsrat Christoph Holstein trotzig. Doch das wirkt in der Außendarstellung anders.

So bleibt den Hamburgern am Ende vielleicht nur ein Fußballklub, der immer da war: der ehrwürdige HSV, über den viele gerne ihre Witzchen machen. Dessen Vereinslegende, Uwe Seeler, der im November 80 Jahre alt wird, der aber trotz aller Turbulenzen noch nie absteigen musste. Ein echter Erstligist, die Hamburger werden ihn noch zu schätzen wissen. Denn auch der FC St. Pauli hat den Aufstieg in die Bundesliga soeben verpasst.

(Mit Material des sid)

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