Sport während des Dritten Reichs:"Sie bettelten um Spiele"

Ein 500 Seiten starkes Buch wirft dem dänischen Sportverband DIF eine "enge, emotionale und aktive Zusammenarbeit mit den deutschen Besatzern" vor.

Gerhard Fischer

Der Ärger begann schon vor dem Fußballspiel, das am 5. Juni 1941 im Parken-Stadion in Kopenhagen stattfand. Die Spieler von Admira Wien reckten den 12.500 Zuschauern die rechte Hand zum Hitler-Gruß entgegen.

Auf der Tribüne tobten die Dänen, deren Land seit April 1940 von den Deutschen besetzt war. Dann schoss Wilhelm Hahnemann in der ersten Minute das 1:0 für Admira gegen die Kopenhagener Stadtauswahl. Deutsche Soldaten auf den Rängen feierten die Wiener Fußballer, die seit März 1938 zum Deutschen Reich gehörten, mit "Heil"-Rufen.

Schläge auf den Kopf

Das war zu viel für die Dänen: "Es fielen derbe Bemerkungen auf beiden Seiten, und die deutschen Soldaten bekamen Schläge mit Mützen auf den Kopf", schrieb der Kopenhagener Professor Hans Bonde in seinem gerade erschienenen Buch Fodbold med Fjenden ("Fußball mit dem Feind").

Nach der Partie, die Admira 4:1 gewann, zeigten die Wiener Spieler erneut den Hitler-Gruß. Daraufhin stürmten Zuschauer den Rasen. "Die deutschen Soldaten drohten mit Bajonetten und die Dänen schwangen ihre Bierflaschen", schreibt Bonde. "Die Polizisten konnten die Schlägerei nicht stoppen.

Bevor Verstärkung kam, waren vier deutsche Soldaten und zehn Dänen so angeschlagen, dass sie ins Krankenhaus gebracht werden mussten." Auch auf der Tribüne gab es eine Schlägerei, außerhalb des Stadions wurden die Kämpfe fortgesetzt; dort waren "50 deutsche Soldaten von einer dänischen Menschenmasse eingekesselt", so Bonde: "Die Polizei konnte Schlimmeres verhindern."

Hans Bondes 500 Seiten starkes Buch ist das erste, das sich mit Dänemarks Sportgeschichte zwischen 1940 und 1945 beschäftigt. Er wirft dem dänischen Sportverband DIF eine "enge, emotionale und aktive Zusammenarbeit mit den deutschen Besatzern" vor. Ein wichtiger Anstoß dafür ist ausgerechnet das Spiel zwischen Kopenhagens Auswahl und Admira Wien am 5. Juni 1941.

Sie wollten sich einschmeicheln

Cecil Renthe-Fink, Reichsbevollmächtigter der Nazis für Dänemark, ließ nach der Schlägerei im Parken-Stadion den Justizminister Dänemarks hinauswerfen und die Polizei reformieren. Aber vor allem hatten die Deutschen keine Lust mehr, Wettkämpfe gegen die Dänen auszutragen - man fürchtete weitere Auseinandersetzungen, die den dänischen Widerstand gegen die Nazi-Besetzung stärken könnten. Renthe-Fink sagte weitere, bereits geplante Spiele gegen Admira Wien ab.

Aber nun kam der dänische Sportverband auf die Deutschen zu. "Sie bettelten regelrecht um Fußball-Länderspiele", sagte Bonde der Süddeutschen Zeitung. Schon im November 1941 reiste das dänische Nationalteam zum Spiel nach Dresden. Der DIF begründete die Zusammenarbeit so, wie Sportverbände das meist tun, wenn sie im Schatten der Politik aktiv sind: "Wir treiben Sport, und Sport hat mit Politik nichts zu tun."

Das ist natürlich Unsinn, zumal dann, wenn das Regime, mit dessen Sportlern man sich trifft, so eindeutig bösartig ist wie das der Nationalsozialisten; und wenn es so klar ist, dass die Sportkontakte der Diktatur zur Propaganda dienen. Hans Bonde erklärt die Bereitschaft der Dänen so: "Die dänischen Sportfunktionäre waren keine Nazis, aber sie wollten sich einschmeicheln. Sie glaubten vor allem in den Jahren 1940 bis '42, die Deutschen würden den Krieg gewinnen."

Fasziniert von den Nazis

Hans Bonde, Professor für Sportwissenschaften an der Uni Kopenhagen, untersuchte freilich nicht nur den Fußball, sondern den gesamten dänischen Sport während der Nazi-Jahre. "Der tonangebende Teil der Sportwelt arbeitete mit den Deutschen zusammen", schreibt er.

Gemeint sind Funktionäre, Sportjournalisten (die teilweise "fasziniert" gewesen seien von Nazi-Deutschland) und Sportler. Die bekannte Schwimmerin Ragnhild Hveger zog sogar nach Kiel, wo sie von 1943 an als Sportlehrerin arbeitete.

In Dänemark wurde zur gleichen Zeit die Lage für die Juden immer bedrohlicher. Im Herbst 1943 begannen die Deutschen, die dänischen Juden zu inhaftieren. Viele Dänen, darunter auch König Christian X., unterzeichneten ein Protestschreiben gegen diese Judenverfolgung - der Sportverband DIF tat das nicht.

Jüdischen Sportverein aufgelöst

Auch als der jüdische Sportverein Hakoah im Oktober 1943 aufgelöst wurde, gab es kein Aufbegehren des DIF. Die Hakoah-Sportler flohen nach Schweden, darunter der bekannte Ringer Abraham Kurland.

Der war schon zwei Jahre zuvor aus der Nationalmannschaft ausgeschlossen worden. Als die Dänen 1941 zu einem Länderkampf nach Schweden fuhren, verfügten die deutschen Besatzer, dass die beiden jüdischen Auswahl-Ringer keine Visa bekommen. Der Sportverband DIF akzeptierte das klaglos, schreibt Bonde.

Der DIF hat nach dem Krieg nichts getan, um seine Vergangenheit aufzuarbeiten - er hat eher versucht, die Zusammenarbeit mit den Nazionalsozialisten kleinzureden. Nun räumt der DIF-Vorsitzende Kai Holm immerhin ein, die damalige Sportführung habe "ihre moralische Verantwortung für das Land verraten". In Deutschland war es ja ähnlich: Erst unter dem Präsidenten Theo Zwanziger setzt sich der Deutsche Fußball-Bund mit seiner Vergangenheit während des Dritten Reiches auseinander.

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