Sport und Corona:Heim und Warten

Improvisieren, lächeln - und dann ein Foto posten: Auch der Wohnzimmer-Spitzensport ist längst ein Wettbewerb um Aufmerksamkeit geworden.

Von Claudio Catuogno

Wohnzimmer und Dachterrassen, Hobbykeller und Balkone, Gärten, Waldwege und Uferpromenaden: Es sind gar nicht so wenige Orte, an denen der Mensch in Coronazeiten Sport treiben darf. Manchem mag das im Lichte von Home-Office und Kurzarbeit als neue Vielfalt der Bewegungsmöglichkeiten erscheinen: Heute Joggen im Park oder Pilates vor dem Stream? Für viele Spitzensportler kommen die Einschränkungen aber einem Berufsverbot gleich: Stadien und Hallen geschlossen, Stützpunkte zu, und Physio ist auch nicht einfach zu kriegen. Und nun? Macht man das Beste draus und postet darüber: Bilder und Videos von Heim-Trainern fluten die sozialen Netzwerke, manch einer lässt auch den professionellen Fotografen vorbeikommen. Spitzensport ist immer auch ein Wettbewerb um Aufmerksamkeit, und die ist nun mal schwerer zu bekommen ohne Wettkämpfe. Also: Improvisieren - und lächeln!

Dabei geht die Situation vielen auch an die Substanz. Die Triathletin Anne Haug hat kürzlich im SZ-Sport-Podcast erzählt: Ein paar Wochen ohne Schwimmtraining, und schon merkt sie, wie im Rücken die Spezialmuskulatur abbaut. Ein Jahr Aufbautraining ist vielleicht dahin. Andererseits weiß natürlich auch Haug: Die Menschheit hat gerade ein paar andere Prioritäten als die Muskulatur von Hochleistungskörpern. Aber die Krise teilt nun auch die Sportwelt in Arm und Reich: Jan Frodeno, der Ironman-Sieger 2019 bei den Männern, hat kürzlich viel gute Presse bekommen für seinen daheim absolvierten Triathlon - 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Wohnzimmer-Radfahren, 42,195 Kilometer auf dem Laufband - mehr als 200 000 Euro Spenden für die Corona-Hilfe kamen zusammen. Cool. Aber ganz nebenbei dachten auch viele: So ein Becken mit Gegenstromanlage, das bräuchte man auch auf dem eigenen Dach! Vorerst helfen da halt nur Gummibänder, Hanteln - oder eine selbst gebastelte Puppe auf der Kommode, wie sich die Fechterin Alexandra Ndolo eine gebastelt hat. Dem Vernehmen nach hat die Puppe in den Trainingsduellen aber keine Chance.

Alexandra Ndolo

Degenfechterin Alexandra Ndolo hat sich die Gegnerin selbst gebastelt.

(Foto: Lars Baron/Getty Images)

Wie lange das noch so weitergeht? Zumindest wächst die Ungeduld, vor allem bei jenen Sportarten, bei denen man sich nicht zwingend ins Gesicht schnaufen muss: Tennis, Golf, Reiten. In Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein werden Tennis- und Golfplätze in Kürze wieder geöffnet, andere Bundesländer zögern noch. Es wird jetzt bald auch für Athletinnen und Athleten vom Wohnort abhängen, ob sie wieder zum Sport gehen können. Und damit: zur Arbeit.

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