Umweltschutz:Der Sport muss sich der Klimadebatte stellen

Umweltschutz: Viel grün im Wintersport: Oberhof hat mit Schneemangel zu kämpfen

Viel grün im Wintersport: Oberhof hat mit Schneemangel zu kämpfen

(Foto: Tobias Schwarz/AFP)
  • Biathlon auf Kunstschnee, Handball-EM in drei Ländern: Etliche Sportveranstaltungen müssen sich die Frage stellen, wie umweltverträglich sie durchgeführt werden.
  • Der Sport erfährt gerade, dass er sich der Klimadebatte stellen muss, ob er will oder nicht.
  • Die Funktionäre reagieren schmallippig bis dünnhäutig.

Von Saskia Aleythe

Vor ihnen ist alles grün. Wenn die Biathleten dieser Tage zum Schießstand in Oberhof kommen, erwartet sie selbst für die schneearmen thüringischen Verhältnisse ein ungewohnter Anblick: Die 50 Meter zwischen Matten und Scheiben sind unbedeckt, blanker Rasen liegt vor ihnen. Wintersportler ohne Winter, grüne Wiese am Schießstand. Grüne Wiese war in der DDR ein Cocktail aus Blue Curaçao und Orangensaft; heute macht sie die Partystimmung der Sportler eher zunichte. Und dass nun die Klimaschützer auch auf sie schauen, gefällt nicht jedem.

Der Sport ist dieser Tage ob seiner Umweltverträglichkeit in die Kritik geraten: Hier die Handballer, die für ihre EM-Spiele in Schweden und Österreich fast 6000 Kilometer im Flugzeug zurücklegen müssen - in knapp drei Wochen. Dort die Biathleten, für deren Weltcup in Oberhof nicht nur Tonnen Kunstschnee aufgetürmt wurden, sondern auch 31 LKW-Ladungen der weißen Eiskristalle von Gelsenkirchen zum Birxsteig transportiert.

Und auch der Weltcup der Skilangläufer an diesem Wochenende in Dresden, wo man am Elbufer eine 650 Meter lange künstliche Loipe gebaut hat, stößt auf Gegenwehr. Die Funktionäre reagieren auf die aufgekommene Debatte schmallippig bis dünnhäutig.

Klimaschutz gerne, aber bitte nicht bei uns anfangen

Bob Hanning etwa, der berühmteste Vize-Präsident eines deutschen Sportverbandes, wurde vom Sportinformationsdienst befragt, ob eine Handball-EM in drei Ländern mit derartigem Reiseaufkommen bei der aktuellen Klimadebatte nicht problematisch sei. Das Thema sei ein wichtiges, antwortete Hanning, "aber ich finde nicht, dass wir es jetzt auch noch auf eine Handball-EM übertragen müssen". Frei nach dem Motto: Klimaschutz gerne, aber bitte nicht bei uns anfangen.

Drastischere Worte wählte Mark Kirchner, Bundestrainer der Biathleten. "Wenn man Weltmeisterschaften und andere Veranstaltungen ausrichten möchte in Regionen, wo es eher dünn mit Schnee ist, und dann diese Klimathematik in den Vordergrund schiebt, müssen wir sagen: Dann machen wir komplett zu", sagte Kirchner. Man fühlt sich empfindlich getroffen, dabei macht ja niemand Hanníng oder Kirchner persönlich für die Umstände verantwortlich. Der Sport erfährt gerade, dass er sich der Klimadebatte stellen muss, ob er will oder nicht.

Hinter Kirchners knurriger Fassade (er nannte die aktuelle Diskussion "Gewäsch") war aber auch Substanzielles verborgen: Tatsächlich befindet sich der Sport ja in einem Dilemma. "Will man für die Region, für Deutschland oder auch international weiter Wintersport betreiben oder will man es nicht?" Darüber müsse man sich im Land klar werden, findet Kirchner. "Und wenn man das für sich entschieden hat, kann man sich eine Strategie in die eine oder andere Richtung zurechtbauen."

Gedanken um die Umwelt macht man sich schon

Soll der Klimaschutz Priorität bekommen, wäre Wintersport nicht nur im deutschen Mittelgebirge bald Vergangenheit, im Biathlon und auch im Skispringen etwa arbeiten viele andere Standorte schon lange mit Kunstschnee, für den viel Wasser und Strom nötig ist. Burkhard Vogel, Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Thüringen sagte der "Bild", die Maßnahmen in Oberhof seien "angesichts des auch in Thüringen spürbaren dramatischen Klimawandels nicht mehr zu verantworten".

Nachhaltigkeit ist im Sport durchaus ein Thema: In Dresden wird Regenwasser und grüner Strom für die Kunstschneekanonen verwendet; auch die Biathleten nutzen seit Jahren Schneedepots, um möglichst lange die einmal produzierten Winterwelten erhalten zu können. Bei der Handball-WM 2019 in Deutschland wurde zunehmend auf Plastikgeschirr verzichtet. Es sind Anzeichen eines Umweltbewusstseins, die aber nicht kompensieren können, was an CO2-Austößen sonst fabriziert wird.

In Sachen Schneemangel hat Oberhof schon schlimmere Zeiten erlebt als gerade: 2016 musste der Weltcup nach Ruhpolding verlegt werden. Doch auch die aktuellen Wetterverhältnisse machten eine Planänderung nötig: Der Sprint der Männer am Freitag fand auf verkürzter Strecke statt, für die komplette Loipe war über Nacht schon zu viel weggeschmolzen. Statt Schnee gab es Regenfälle, was den Sport nicht gerade attraktiver machte.

Es ist eine Debatte, die nicht nur die Wintersportler und Handballer in Zukunft verfolgen wird. In Richtung Fußball-EM kann man ja auch schon mal fragen: Wie umweltverträglich ist so ein Turnier in zwölf Ländern?

Zur SZ-Startseite
Motorsports: FIA Formula One World Championship, WM, Weltmeisterschaft 2019, Grand Prix of Russia, 44 Lewis Hamilton (G

SZ PlusErnährung und Sport
:Fit dank Pflanzenmilch

Erhöhte Ausdauer, weniger Muskelkater und dazu noch umweltbewusst: Spitzensportler wie Lewis Hamilton und Bayerns Serge Gnabry preisen die Vorteile der veganen Ernährung - doch die Umstellung hat auch Tücken.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: