Russland:Putins Sportarmee

Russland: Russlands Staatspräsident Wladimir Putin bei seinem Auftritt im Moskauer Luschniki-Stadion zum achten Jahrestag der Krim-Annexion.

Russlands Staatspräsident Wladimir Putin bei seinem Auftritt im Moskauer Luschniki-Stadion zum achten Jahrestag der Krim-Annexion.

(Foto: Mikhail Klimentyev/AFP)

Der Kreml will die Botschaft vermitteln, dass der Sport voll auf Kriegslinie sei und findet Kandidaten für seine Propagandazwecke. Doch es gibt auch Putin-kritische Athleten - die internationalen Sportverbände müssen sie unbedingt schützen.

Kommentar von Johannes Aumüller

Es war eine bemerkenswerte Auswahl russischer Sportler, die sich da versammelte. Die führende Rhythmische Sportgymnastin Dina Averina (18 WM-Titel) war dabei, nebst ihrer Zwillingsschwester Arina (fünf), ebenso der zweimalige Schwimm-Olympiasieger Jewgenij Rylow sowie der dreimalige Langlauf-Olympiasieger Alexander Bolschunow, dazu aus dem Eiskunstlauf die vier Paarläufer und Eistänzer, die in Peking Gold mit der Mannschaft gewannen.

Vor etwas mehr als einer Woche veranstaltete Russlands Staatsführung im Moskauer Luschniki-Stadion eine große Show, bei der sie den achten Jahrestag der Krim-Annexion zelebrierte und sich Wladimir Putin für den Angriffskrieg auf die Ukraine bejubeln ließ. Und Teil des Ganzen waren Gäste vorne auf der Bühne auch ein paar der stärksten russischen Olympia-Athleten, die meisten von ihnen dekoriert mit dem berüchtigt gewordenen Z - dem Symbol für Russlands Vernichtungsfeldzug.

Der Sport und seine Sieger dienen Russland schon seit Jahren als Propagandainstrument, und das gilt auch im Krieg. Dabei war der Auftritt im Luschniki-Stadion nur die Krönung von Putins Sportarmee. Reihenweise geistern dieser Tage Aufnahmen durch die sozialen Netzwerke, wie sich russische Mannschaften zu einem Z formieren. Die russische Athletenkommission, die von der Fecht-Olympiasiegerin Sofia Welikaja geführt wird, schrieb allen Ernstes einen offenen Brief ans Internationale Olympische Komitee, in dem sie ukrainische Kriegsverbrechen beklagte. Und flankiert werden die aktuellen Sporthelden von zahlreichen früheren Sporthelden, die für die Regierungspartei in der Duma sitzen: vom Schachspieler Anatolij Karpow über die Eiskunstläuferin Irina Rodnina bis zum Boxer Nikolaj Walujew.

Sanktionen gab es bisher nur in wenigen Fällen

Der Sport ist voll auf Kriegslinie, das ist die Botschaft, und Widerspruch aus der Sportlerschaft gibt es kaum. Nun ist es ein Leichtes, aus der Ferne den Heldenmut zu fordern, wenn man in Russland allein für die Verwendung des Begriffes Krieg für viele Jahre im Gefängnis landen kann und sich das Ausmaß der staatlichen Repressionen auf ein unvorstellbares Maß gesteigert hat. Nebst Journalisten und anderen verlassen dieser Tage auch russische Sportler das Land. Aber auch Athleten, die sich im Ausland niedergelassen haben, sorgen sich um Familie und Freunde, die dann in der Heimat der Willkür ausgesetzt sind.

Umso bemerkenswerter ist es, dass sich immerhin ein paar Ausnahmen finden, die teilweise sogar in Russland leben. 44 Schachspieler um den jüngsten WM-Herausforderer Jan Nepomnjaschtschi formulierten eine Protestnote. Die Biathletin Larissa Kuklina postete eine ukrainisch-russische Herzkomposition. Und Fußball-Nationalstürmer Fjodor Smolow hinterließ bei Instagram eine schwarze Kachel mit dem Hinweis "Nein zum Krieg"; beim Trainingslager der Sbornaja, die sich trotz des Ausschlusses aus der WM-Qualifikation in der aktuellen Länderspielpause versammelt hat und statt zu den Playoffs zu zwei Partien gegen die eigene U21 antritt, fehlt er offiziell wegen eines Infekts.

Umso mehr stehen die Verbände in der Pflicht, diese kritischen Sportler zu schützen - und die Kriegs- und Putin-Unterstützer zu sanktionieren, völlig unabhängig davon, ob es in der jeweiligen Sportart gerade ein generelles Startverbot für Russen gibt oder nicht. In Ausnahmefällen wie beim Schach-Großmeister Sergej Karjakin oder dem Turner Iwan Kuljak, der bei einer Weltcup-Siegerehrung gut sichtbar das Z auf dem Anzug trug, kam das auch schon vor. Aber von denen, die sich in der vergangenen Woche im Luschniki auftraten, muss offenkundig kaum jemand etwas befürchten. Auf eine Anfrage an die jeweils zuständigen Weltverbände kommt lediglich von den Schwimmern die Antwort, dass gegen einen Beteiligten eine Untersuchung läuft. Doch solche Auftritte folgenlos zu lassen, heißt, das Putin-Regime und den Angriffskrieg zu unterstützen.

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