Nachhaltigkeit im Sport:Die Heilsversprechen passen nicht

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Ein Flieger mit der Aufschrift Tokio 2020. (Foto: imago images/ZUMA Press)

Der Spitzensport entdeckt das Thema Nachhaltigkeit für sich. Doch Großveranstaltungen werben oft auch für den Tourismus - ein Dilemma.

Kommentar von Thomas Kistner

Natürlich gibt es aus Sicht der Betroffenen nie einen guten Zeitpunkt für Korruptionsaffären. Aber dem Internationalen Olympischen Komitee kommt das jüngste Desaster um verschobene Millionen und gefälschte Dopingproben beim Gewichtheber-Weltverband höchst ungelegen. Denn am Stammsitz in Lausanne beginnt just in diesen Tagen eine Veranstaltung, mit der das IOC Glaubwürdigkeit in aufgeklärten Weltregionen zurückzuholen versucht: Olympische Jugendspiele.

Weil mit dem Teil des Nachwuchses, der noch nicht in die Rekordränge vorgestoßen ist, nichts zu verdienen ist, soll das Ereignis eben anderen Kredit einspielen. Es ist per se eine werthaltige Gnade, glückliche junge Menschen für sich werben zu lassen. Zudem hat der Ringe-Clan die Jugendspiele vollgepackt mit all den Versprechungen, die er bei seinem Goldesel, den echten Spielen, nicht einzuhalten versucht: Innovation und Nachhaltigkeit der Jugendspiele sollen Impulse für die Zukunft der Bewegung liefern.

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Nun zeigt sich das Dilemma des organisierten Sports

Dabei sind allein die Wettkampfstätten über acht Orte, drei Kantone und das benachbarte Frankreich verteilt; erstmals in der olympischen Historie wird länderübergreifend gesportelt. Biathleten, Skispringer, Kombinierer starten jenseits der Grenze, weil in Waadt und Wallis die Infrastruktur fehlt. Die Eissparten weichen nach St. Moritz aus: Die Nutzung vorhandener Stätten sei ganz im Sinn seiner "Agenda 2020", erzählt das IOC.

Stimmt. Nur zeigt es auch das große Dilemma des organisierten Sports.

Dessen Heilsversprechungen passen fast nirgendwo zusammen, wie das so ist bei einem reinen Wirtschaftsbetrieb. Angefangen von der Gesundheitsfrage (vernünftig sporteln ist gesund, Spitzensport eher das Gegenteil) bis zum großen Zukunftsthema: Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Just der Sport mit seinen immer größeren, immer zahlreicheren Events trägt zu einem zentralen Problemfaktor bei: zur ständig wachsenden, im Fall des Sports auch noch künstlich erzeugten Mobilität. Dürften sich die Gästescharen bei den Jugendspielen noch in Grenzen halten, erinnern die Reisebewegungen bei den echten Großereignisse allmählich an die Völkerwanderung. Die Handball-WM in Norwegen, Schweden und, hoppla, Österreich macht gerade den Anfang. Wirkt das schon bizarr, wird es im Sommer richtig wild, wenn die Fußball-EM in einem Dutzend Ländern ausgetragen wird. Dann ziehen Fanhorden kreuz und quer über den Kontinent, von Baku bis Bilbao, von Petersburg bis Rom. Samt zugehörigem Emissionsausstoß, per Rad oder zu Fuß schafft das ja keiner.

Die Widersprüche bleiben, gerade im Sport. Dem vernünftigen Gedanken, Vorhandenes zu nutzen, steht der vermehrte Einsatz von Ressourcen gegenüber, nicht nur für Reisen, sondern von der Rasenheizung bis zur Schneekanone. Ein Dilemma - dessen Pointe übrigens die Motivation liefert, die ja im Grunde jeden Veranstalter eines internationalen Großevents beseelt: Es geht um Imagegewinn, und vor allem auch um kräftige Zuwächse im Tourismus. Dann weiter gute Reise.

© SZ vom 10.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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