Jahresrückblick:Welche Sportler uns 2019 bewegt haben

Rapinoes Mut, Klopps Titel, Nowitzkis Tränen: Das Sportjahr 2019 hat berührende und wichtige Momente hervorgebracht - unser Rückblick.

Von SZ-Autoren

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Sie gewannen für Strobel

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Quelle: AP

Die Handball-Weltmeisterschaft 2019 in Deutschland und Dänemark wurde kein neues Wintermärchen. Wie auch: Platz vier für die deutsche Mannschaft, wenig märchenhaft. Trotzdem bleiben Momente in Erinnerung aus dem Januar, der wieder einmal nur den Handballern gehörte: Die kolossale Stimmung erst in Berlin, dann das infernale Gebrüll in der Arena in Köln; die Millionen vor den Fernsehern, die sahen, wie Spielmacher Martin Strobel im Hauptrundenspiel gegen Kroatien dramatisch das Kreuzband riss; die Mannschaft, die sich unter Schock aufbäumte und das aus deutscher Sicht beste Spiel der WM für den verletzten Strobel gewann. Platz vier ging am Ende sportlich in Ordnung, emotional war die WM ein Vorgeschmack: auf die Europameisterschaft 2024, die ebenfalls in Deutschland stattfindet. Dann soll es richtig abgehen. Carsten Scheele

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Die Kanüle steckt in der Vene

Nordische Ski-WM Seefeld - Doping-Skandal

Quelle: Hendrik Schmidt/dpa

Es scheint die Sonne über Seefeld, als die "Operation Aderlass" zuschlägt. Am 27. Februar - wenige Stunden vor Erföffnung der Nordischen Ski-WM - nehmen die Ermittler fünf Athleten fest, die am Nachmittag im Langlauf über 15 Kilometer antreten wollten. Einen Sportler erwischen sie sogar auf frischer Tat: mit der Kanüle in der Vene. Mit Szenen wie aus einem Krimi schliddert der Wintersport in einen neuen Dopingskandal. Nach Aussagen des Kronzeugen Johannes Dürr, der später selbst wegen Dopings angeklagt wurde, waren österreichische und deutsche Kriminalbehörden einem Dopingnetzwerk um den Sportmediziner Mark Schmidt auf die Spur gekommen. Wie sich später herausstellen soll, sind auch Sportler aus dem Eislaufen und Radsport involviert. Die Kulisse in Seefeld bleibt während der WM traumhaft, doch sie trügt. Lisa Sonnabend

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Ein Großer hat Tränen

Phoenix Suns v Dallas Mavericks

Quelle: Ronald Martinez/AFP

Große Sport-Karrieren enden meist mit großen Momenten, mit Emotionen, mit dem Unausweichlichen: Wenn die Erkenntnis einsickert, dass es nun vorbei ist. Bei Dirk Nowitzki war lange nicht klar, ob es diesen Moment zum Ende der vergangenen NBA-Saison geben würde - oder ob er doch noch weiter machen würde. Doch die Signale waren da: Der ewige Dallas Maverick, der Rekordmann, er war in seiner letzten Spielzeit nicht mehr durchweg in bester Verfassung. Überall zwickte es, die Würfe fielen nicht mehr so verlässlich durch den Ring und Dallas verlor viel zu oft. Beim letzten Heimspiel gegen Phoenix griff der Würzburger dann das Hallenmikro und verkündete das Ende. Nowitzki kamen Tränen, die Fans schrien wie bei einem Rockkonzert, es war Hollywood in Texas. Nicht kitschig, dafür ist Nowitzki nicht der Typ. Sondern: aufrichtig. Selten hat es so einen integren Sportler gegeben, einen Mann, der 21 Spielzeiten beim selben Verein verbrachte, der auf Gehalt verzichtete, damit sein Klub aufrüsten konnte. Seit diesem Tag im April ist das Karriereende des größten deutschen Sportlers der vergangenen 20 Jahre Gewissheit. Und Nowitzki sagte kürzlich, wie sehr ihm der Basketball fehlt. Dafür darf er nun etwas erleben, auf das er zuvor jahrelang verzichten musste: Weihnachten mit der Familie. Und das sogar in Deutschland. Jonas Beckenkamp

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Ein leiser Rücktritt

Laura Dahlmeier

Quelle: dpa

An einem Freitagmittag Mitte Mai verschickt Laura Dahlmaier eine Nachricht auf Facebook, wie sie es alle paar Tage macht. Doch diese hat es in sich. "Es ist Zeit, Servus zu sagen", schreibt die zu diesem Zeitpunkt erst 25-Jährige und beendet ihre Biathlon-Karriere. "Ich versprüre nicht mehr die hundertprozentige Leidenschaft, die für den Profisport erforderlich ist." Dahlmeier hat in der Saison mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen gehabt, im März bei der WM im schwedischen Östersund jedoch trotz Husten zweimal Bronze geholt. Es sollten die beiden letzten Medaillen ihrer unglaublichen Sammlung sein. Die Bilanz: 33 Weltcupsiege, ein Gesamtweltcup-Erfolg (2017), 15 WM-Medaillen und zweimal Olympiagold. Der Rücktritt hat sich angebahnt und vollzieht sich schließlich auf ungewöhnlich leise Art und Weise. Eine der größten Sportkarrieren Deutschlands endet mit einer Facebook-Nachricht. Doch so ganz vorbei ist die Laufbahn der Laura Dahlmaier noch nicht. Die Biathletin ist nun Bergläuferin, bei der WM in Argentinien im November wird sie 27. Lisa Sonnabend

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"Vertraut mir, wir können es packen"

Jahresrückblick 2019 - Sport

Quelle: dpa

In der Kabine, kurz vor dem Fußballspiel, das danach das Fußballspiel des Jahres werden sollte, hat Jürgen Klopp eine Ansprache gehalten. Der Verteidiger Dejan Lovren sprach darüber später im Klub-TV. Der FC Liverpool hatte das Hinspiel des Champions-League-Halbfinals in Barcelona, ein Spiel auf schwindelerregend hohem Niveau, 0:3 verloren. Alles schien verloren. Aber nun spielten sie an der Anfield Road. Jürgen Klopp, so erzählte es Lovren, begann seine Rede mit den Worten "Glaubt daran!" Man müsse ein, zwei Tore schießen, dann würde Anfield hinter der Mannschaft stehen. "Vertraut mir, wir können es packen", sagte Klopp. Und das ist auch im Prinzip die Geschichte dieses Champions-League-Sieges, den Liverpool sich nach einem 4:0 gegen Barcelona einen Monat später in Madrid gegen Tottenham holte. Sie glaubten daran. Vor allem an ihren Trainer. Martin Schneider

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Freiheit, Gleichheit, Schwesterlichkeit

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Quelle: AFP

Im Frauenfußball dürfen sich die USA noch mit diesem Begriff schmücken, der zum Selbstverständnis des Landes gehört wie die Unabhängigkeitserklärung: der Begriff der Weltmacht. Im Finale von Paris kürten sich die Vertreterinnen der stolzen Nation zum Fußball-Weltmeister. In einem Turnier, in dem sie zwar nicht immer spielerische Glanzpunkte setzten, durch das sie aber mit dem erbarmungslosen Selbstverständnis schritten, am Ende dürften nur sie als die Sieger daraus hervorgehen. Dass US-Präsident Donald Trump die kickenden Erfolgsgaranten zum Vorbild erheben würde, war schon vor dem Titelgewinn ausgeschlossen gewesen wie ein versöhnliches Dinner zwischen ihm und Hillary Clinton. Denn die US-Spielerinnen machten nicht nur sportlich von sich reden, sie standen auch - angeführt von Megan Rapinoe und erfüllt vom französischen Geist - für eine klare Botschaft: Freiheit, Gleichheit, Schwesterlichkeit. Den Glanz des WM-Triumphs nutzten sie, um offensiv für eine offene Gesellschaft und Dialog zu werben. Ganz wie Anführerinnen der freien Sportwelt. Tim Brack

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Die Uhr tickt nicht mehr

Uhr im Volksparkstadion

Quelle: Daniel Reinhardt/dpa

Egal, wie gut oder schlecht es um den Hamburger SV stand - die Uhr war immer da. Oben rechts am Oberrang im Volkspark, von der Haupttribüne aus gesehen, tickte sie seit 2001 vor sich hin, zeigte die Zeit der Bundesliga-Zugehörigkeit (später seit Vereinsgründung) an, egal ob Hollerbach, Cardoso oder van der Vaart auf dem Rasen kickten. Die Uhr war mehr als ein Relikt aus Tagen, an denen es dem HSV besser ging, sie war ein großes Stück Bundesligageschichte. Ein Alleinstellungsmerkmal, wenn man so will: Kult. Doch nun tickt sie nicht mehr. Wurde abgebaut, in der Sommerpause. Zu rückwärtsgewandt, hieß es, genauso wie die Vereinshymne "Hamburg meine Perle", die ebenfalls verbannt wurde. Die Uhr soll nun im Deutschen Fußballmuseum ihren Platz erhalten, doch ein Gefühl der Trauer bleibt. Sie fehlt, die Uhr. Carsten Scheele

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Ein Finale zum Vergessen

Day Thirteen: The Championships - Wimbledon 2019

Quelle: Getty Images

Zwölf Mal stand Roger Federer im Finale von Wimbledon, acht Mal hat er das bedeutendste Tennisturnier der Welt gewonnen, so oft wie kein anderer. Doch ein Duell wie jenes am 14. Juli hat der Schweizer nie erlebt. Als er mit Novak Djokovic den Centre Court betritt, ist es Nachmittag. Als er ihn wieder verlässt, ist es Nacht. 4 Stunden und 57 Minuten lang belagern sich die beiden Tennisspieler mit präzisen und unerbittlichen Schlägen. Zwei Matchbälle hat der zu diesem Zeitpunkt 36-Jährige beim Stand von 8:7 im fünften Satz, doch am Ende gewinnt Djokovic mit 7:6, 1:6, 7:6, 4:6 und 13:12 (7:3). Obwohl Federer mehr Punkte gewonnen, mehr Winner geschlagen, mehr erfolgreiche Netzangriffe gezeigt hat. "Leider musste einer von uns verlieren", sagt Djokovic nach dem Match, das als das längste Finale in die Wimbledon-Geshichte eingeht. Es wird in Erinnerung bleiben, Federer dagegen will in diesem Moment nur eines: "Ich werde versuchen, es zu vergessen." Lisa Sonnabend

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Bloß nicht aufs Treppchen

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Quelle: Mark Schiefelbein/AP

Dass Sportler bewusst mit dem Protokoll bei einer Siegerehrung brechen, kommt ungefähr so häufig vor wie eine Blutprobe, die per Hammer zerstört wird. Beides sorgte in diesem Jahr für Aufsehen, und zwar bei der Schwimm-WM in Südkorea. Der Australier Mack Horton, Vizeweltmeister über 400 Meter Freistil, weigerte sich auf das Treppchen zu steigen, Duncan Scott, Bronzemedaillengewinner über 200 Meter Freistil, wollte nicht aufs Siegerfoto - aus Protest gegen den Chinesen und Weltmeister Sun Yang. Der saß bereits 2014 eine dreimonatige Dopingsperre ab und war 2018 in einen Skandal verwickelt. Bei einer unangekündigten Dopingprobe im Anwesen des Athleten zweifelte Yang an der Rechtmäßigkeit der Kontrolle und verweigerte sich zunächst der Urinprobe, später zerstörte ein Wachmann auf Anweisung von Sun Yangs Mutter dessen Blutprobe - mit einem Hammer. Im Januar hatte das Doping-Panel des Weltverbandes der Schwimmer Sun Yang zum Unmut vieler Konkurrenten freigesprochen, dagegen reichte die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) Beschwerde beim Sportgerichtshof CAS ein. Anfang 2020 wird die Entscheidung erwartet. Yangs Konkurrenten sind frustriert. Während der WM wurde Protestler Horton im Essenssaal der Athleten mit Standing Ovations empfangen. Lynn Sigel

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Kaul holt auf

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Quelle: AFP

In den Nachwuchsklassen war der Zehnkämpfer Niklas Kaul sehr erfolgreich, er wurde Welt- und Europameister und stellte neue Weltrekorde auf. Doch dass seine erste Weltmeisterschaft im Erwachsenenbereich gleich den Titel bringen würde, damit hatte niemand gerechnet, am wenigsten er selbst. Den ersten der beiden Wettkampftage beendete der 21-jährige Mainzer als Elfter. Dann folgte eine beeindruckende Aufholjagd: Im Diskuswerfen und Stabhochsprung stellte er neue persönliche Bestleistungen auf, warf den Speer weiter als jeder Zehnkämpfer zuvor. Vor den entscheidenden 1500 Metern trennten ihn nur drei Sekunden von der Goldmedaille, die er scheinbar spielend leicht aufholte und sich mit einer neuen Bestleistung und 8691 Punkten zum jüngsten Zehnkampf-Weltmeister machte. "Ich bin nicht der beste Zehnkämpfer, aber vielleicht der konstanteste", gab der Lehramtsstudent nach seiner Ehrenrunde zu Protokoll. Lynn Sigel

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Der schnellste Marathon

Eliud Kipchoge, the marathon world record holder from Kenya, attempts to run a marathon in under two hours in Vienna

Quelle: Lisi Niesner/Reuters

Es gibt nun also diese Wahnsinnszahl, und Eliud Kipchoge hat sie aufgestellt: 1:59:40,2. Eine Stunde, 59 Minuten und einen Tick mehr als 40 Sekunden brauchte der Kenianer Kipchoge, um Mitte Oktober in Wien einen Marathon zu laufen, er ist damit der erste Mensch, der die 42,195 Kilometer in weniger als zwei Stunden lief. Zur Einordnung: Kipchoge lief im Schnitt knapp 2:50 Minuten pro Kilometer. Zum offiziellen Weltrekord hat es der Lauf aber nicht geschafft, das lag an den Bedingungen, unter denen er stattfand. Kipchoge profitierte zum Beispiel von - ebenfalls eine stattliche Zahl - 41 Tempomachern. Auch seine Schuhe und die örtlichen Gegebenheiten beim Lauf in Wien bekamen Aufmerksamkeit gewidmet. Der offizielle Marathonweltrekord bleibt jedenfalls bei 2:01:39 Stunden. Aufgestellt hat ihn Eliud Kipchoge 2018 in Berlin. Christopher Gerards

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Ein Trainer geht seinen Weg

Eintracht Frankfurt - Bayern München

Quelle: dpa

Als Niko Kovac auf dem Bildschirm in der Olympiahalle erschien, da klatschten die Bayern-Fans. Niko Kovac sagte in einem vorbereiteten Video auf der Jahreshauptversammlung ein paar Worte zu Uli Hoeneß und die überwältigende Mehrheit der Anhänger war der Meinung, dass dieser Trainer jetzt in diesem Moment Applaus verdient hatte. Das war durchaus bemerkenswert, Kovac verließ den Verein nach einem 1:5 in Frankfurt, die Mannschaft war offensichtlich schon lange nicht mehr von ihrem Chef überzeugt, Karl-Heinz Rummenigge war es eigentlich nie. Aber vielleicht ist das Kovacs größter Erfolg als Bayern-Trainer. Dass die Fans ihn mit dem Eindruck verabschieden, dass da jemand versuchte, in all den bajuwarischen Stürmen möglichst gerade seinen Weg zu gehen. Martin Schneider

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Goodbye, Mr. President

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Quelle: AFP

Die Mitglieder sangen, sie feierten Uli Hoeneß als "besten Mann" und sie hörten nicht auf zu klatschen, bis Hoeneß dann die Tränen kamen. Die Bayern-Familie, wie Hoeneß den Verein gerne nennt, sie hatte sich fest vorgenommen, ihrem Patron einen würdigen Abschied zu geben. Sein Lebenswerk stehe über allem, sagten die Fans an diesem Tag, das gelte es zu würdigen. Eher unter der Hand meinten dann aber viele, dass nun schon auch der richtige Zeitpunkt zum Abschied gekommen sei. Ein Jahr zuvor musste sich Hoeneß an gleicher Stelle so viel Kritik anhören wie nie zuvor. Er vergriff sich immer mal wieder im Ton, sprach vom "albernen Internet" und nach der Jahreshauptversammlung meinte er, mit diesen kritischen Wortbeiträgen, da müsse man sich vielleicht was überlegen. Gibt es nun einen FC Bayern ohne Hoeneß? Hoeneß meinte, nun, da er nicht mehr Präsident sei, könne er sich ja noch deutlicher äußern, weil er nicht mehr "präsidial" auftreten müsse. Martin Schneider

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