Im Juni krachte die Bahnradfahrerin Kristina Vogel im Training gegen einen anderen Radfahrer, und ihre Wirbelsäule und ihr Rückenmark brachen. Vogel sagt, sie habe noch auf der Bahn gemerkt, dass sie von nun an querschnittsgelähmt sein wird. Vier Wochen war Vogel im Krankenhaus. Und im September entschied sie, zu erzählen, wie es ihr geht. Erst in einem Spiegel-Interview, dann in einer Pressekonferenz.
Sie ist bis heute dabei so gnadenlos ehrlich, dass es einem den Magen zusammenzieht ("Es ist scheiße, das kann man nicht anders sagen. Ich kann nicht mehr laufen und das lässt sich nicht ändern"). Aber während sie erzählt, wie ihre Wirbelsäule aussah ("wie ein Ikea-Klapptisch"), lächelt sie. Sie sagt, sie freue sich auf einen Rollstuhl mit "geilen Chromfelgen", sie postet Videos auf ihrem Instagram-Account, auf denen man sieht, wie sie allein vom Rollstuhl aufs Bett hüpft, wie sie in einer Halle fahren trainiert, wie sie Basketball spielt. Sie lächelt dabei, wie jemand nicht lächeln dürfte, der zwei Olympiasiege mit der Kraft seiner Beine erradelt hat. So denkt man jedenfalls. Und schämt sich dann dafür, dass man so denkt. "Was soll ich mich bedauern. Es ist wie es ist", sagt Vogel. Und: "Machen ist wie wollen, nur krasser."
Es ist schon brutal, was es manchmal braucht, um zu erkennen, welche Kraft in einem Menschen steckt. Und dass Kraft ja nur in den seltensten Fällen bedeutet, dass man dicke Muskeln hat. Martin Schneider